[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.Achter Gesang. Feurig sagt es der Seraph. Verstummt vor Wehmut und Wonne, Folgen die Väter ihm schon. Sie eilen. Der schnelle Gedanke, Der aus der Seele voll Andacht von Sternen zu Sternen hinaufdenkt, Eilt nur eilender! Gabriel führte den schimmernden Haufen. Jtzo betrat ihr schwebender Fuß den liegenden Oelberg. Adam betrat ihn zuerst, sank nieder, und küßte die Erde. Mütterlich Land, (so sprach er,) ich seh, o Erde, dich wieder! Seit den Jahrhunderten, da mein Gebein am Abend des Todes Du in deinen friedsamen Schooß, o Mutter, zurücknahmst, Stand ich nicht über dem Staube der todtenvollen Gefilde! Nun, nun steh ich darauf. Sey mir, o Erde, gegrüsset! Seyd mir, Gebeine der Todten, gegrüßt: ihr werdet erwachen! Meine Kinder, ach, meine Kinder! ihr werdet erwachen! Und, o Stunden, ihr nahenden Stunden, o seyd mir, im Jubel. Jm Triumphe, genannt! Jhr entlastet die Erde vom Fluche! Jhrem heiligen Staub erschallt des Blutenden Seegen! Halleluja! er kömmt, er kömmt der Erdegebohrne! Siehe, der Allerheiligste kömmt, und naht sich dem Tode! Also sprach er. Noch hielt er sein Herz, das in himmlische Wehmut Aufzuschauern begann; er hielts noch, und schwieg, und schaute. Aber Eloa stand auf dem Tempel, und sahe die Väter Kommen. Jzt wandt' er sein Antliz, und sieht hoch über dem Kreuze Satan und Adramelech im wilden Triumphe schweben; Satan wegen des Werks, das er schon vollendet, und beyde Wegen künftiger Thaten! Eloa sieht die Empörer, Wie sie, erhoben über die Wolken der wandelnden Erde, Jm weitkreisenden Schwunge die höhern Wölbungen messen. Und E 3
Achter Geſang. Feurig ſagt es der Seraph. Verſtummt vor Wehmut und Wonne, Folgen die Vaͤter ihm ſchon. Sie eilen. Der ſchnelle Gedanke, Der aus der Seele voll Andacht von Sternen zu Sternen hinaufdenkt, Eilt nur eilender! Gabriel fuͤhrte den ſchimmernden Haufen. Jtzo betrat ihr ſchwebender Fuß den liegenden Oelberg. Adam betrat ihn zuerſt, ſank nieder, und kuͤßte die Erde. Muͤtterlich Land, (ſo ſprach er,) ich ſeh, o Erde, dich wieder! Seit den Jahrhunderten, da mein Gebein am Abend des Todes Du in deinen friedſamen Schooß, o Mutter, zuruͤcknahmſt, Stand ich nicht uͤber dem Staube der todtenvollen Gefilde! Nun, nun ſteh ich darauf. Sey mir, o Erde, gegruͤſſet! Seyd mir, Gebeine der Todten, gegruͤßt: ihr werdet erwachen! Meine Kinder, ach, meine Kinder! ihr werdet erwachen! Und, o Stunden, ihr nahenden Stunden, o ſeyd mir, im Jubel. Jm Triumphe, genannt! Jhr entlaſtet die Erde vom Fluche! Jhrem heiligen Staub erſchallt des Blutenden Seegen! Halleluja! er koͤmmt, er koͤmmt der Erdegebohrne! Siehe, der Allerheiligſte koͤmmt, und naht ſich dem Tode! Alſo ſprach er. Noch hielt er ſein Herz, das in himmliſche Wehmut Aufzuſchauern begann; er hielts noch, und ſchwieg, und ſchaute. Aber Eloa ſtand auf dem Tempel, und ſahe die Vaͤter Kommen. Jzt wandt’ er ſein Antliz, und ſieht hoch uͤber dem Kreuze Satan und Adramelech im wilden Triumphe ſchweben; Satan wegen des Werks, das er ſchon vollendet, und beyde Wegen kuͤnftiger Thaten! Eloa ſieht die Empoͤrer, Wie ſie, erhoben uͤber die Wolken der wandelnden Erde, Jm weitkreiſenden Schwunge die hoͤhern Woͤlbungen meſſen. Und E 3
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Achter Geſang.
Feurig ſagt es der Seraph. Verſtummt vor Wehmut und Wonne,
Folgen die Vaͤter ihm ſchon. Sie eilen. Der ſchnelle Gedanke,
Der aus der Seele voll Andacht von Sternen zu Sternen hinaufdenkt,
Eilt nur eilender! Gabriel fuͤhrte den ſchimmernden Haufen.
Jtzo betrat ihr ſchwebender Fuß den liegenden Oelberg.
Adam betrat ihn zuerſt, ſank nieder, und kuͤßte die Erde.
Muͤtterlich Land, (ſo ſprach er,) ich ſeh, o Erde, dich wieder!
Seit den Jahrhunderten, da mein Gebein am Abend des Todes
Du in deinen friedſamen Schooß, o Mutter, zuruͤcknahmſt,
Stand ich nicht uͤber dem Staube der todtenvollen Gefilde!
Nun, nun ſteh ich darauf. Sey mir, o Erde, gegruͤſſet!
Seyd mir, Gebeine der Todten, gegruͤßt: ihr werdet erwachen!
Meine Kinder, ach, meine Kinder! ihr werdet erwachen!
Und, o Stunden, ihr nahenden Stunden, o ſeyd mir, im Jubel.
Jm Triumphe, genannt! Jhr entlaſtet die Erde vom Fluche!
Jhrem heiligen Staub erſchallt des Blutenden Seegen!
Halleluja! er koͤmmt, er koͤmmt der Erdegebohrne!
Siehe, der Allerheiligſte koͤmmt, und naht ſich dem Tode!
Alſo ſprach er. Noch hielt er ſein Herz, das in himmliſche Wehmut
Aufzuſchauern begann; er hielts noch, und ſchwieg, und ſchaute.
Aber Eloa ſtand auf dem Tempel, und ſahe die Vaͤter
Kommen. Jzt wandt’ er ſein Antliz, und ſieht hoch uͤber dem Kreuze
Satan und Adramelech im wilden Triumphe ſchweben;
Satan wegen des Werks, das er ſchon vollendet, und beyde
Wegen kuͤnftiger Thaten! Eloa ſieht die Empoͤrer,
Wie ſie, erhoben uͤber die Wolken der wandelnden Erde,
Jm weitkreiſenden Schwunge die hoͤhern Woͤlbungen meſſen.
Und
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