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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.

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Der Messias.

Rief ihm entgegen: Ach, lebt er, o Petrus? du weinst! du verstummest:
Rede! ... Laß mich, Johannes, ach, laß mich im Einsamen sterben!
Sterben will ich! Er ist verlohren! Jch bin noch verlohrner!
Juda, Juda! entsezlicher Jünger! du hast ihn verrathen! ...
Jch verrieth ihn mit dir! Vor allen, welche mich fragten,
Hab ich ihn, ach! in meinem zu tiefen Elend verleugnet!
Fleuch! erhebe dich weg, Johannes, und laß mich im Stillen
Sterben. Stirb, stirb auch! Er ist zum Tode verurtheilt!
Und, ich Treuloser! hab ihn vor allen Sündern verleugnet!

Petrus riefs dem Verstummenden zu, und riß sich von dannen!
Aber izt blieb er im einsamen Dunkel am thauenden Eckstein
Stehn, u. schwankt' an den Stein hin, und hielt sich, und sank an ihn nieder:
Neigte sein müdes Haupt, und weinte lang, und verstummte!
Endlich strömte sie aus, in brechende Worte, die volle
Tieferschütterte Seele. Laß ab, mit des Todes Gestalten,
Mich zu schrecken! Sie reissen wie Schwerter in meine Gebeine,
Meine zermalmten Gebeine! laß ab! Und wend', o wende
Diese tödtenden Blicke von mir, womit du mich ansahst,
Als die tiefste der Thaten, der Thaten schwärzte, geschehn war.
Ach was that ich! Mein Freund! mein Freund! dich hab ich verleugnet!
Den ich liebte, der mich, wie sonst kein Lehrer, geliebt hat,
Der ein göttlicher Mann war! Zu kleine Seele, was thatst du!
Siehe, nun wird er mich auch im Weltgerichte, vor seinen
Frömmern Jüngern, vor seinen erhabnen Engeln, nicht kennen!
Kenne mich nicht! Jch verdien es! ... O kenne mich wieder! Erbarme
Meiner Angst dich! Was hab ich gethan! Jemehr ichs empfinde,
Desto

Der Meſſias.

Rief ihm entgegen: Ach, lebt er, o Petrus? du weinſt! du verſtummeſt:
Rede! … Laß mich, Johannes, ach, laß mich im Einſamen ſterben!
Sterben will ich! Er iſt verlohren! Jch bin noch verlohrner!
Juda, Juda! entſezlicher Juͤnger! du haſt ihn verrathen! …
Jch verrieth ihn mit dir! Vor allen, welche mich fragten,
Hab ich ihn, ach! in meinem zu tiefen Elend verleugnet!
Fleuch! erhebe dich weg, Johannes, und laß mich im Stillen
Sterben. Stirb, ſtirb auch! Er iſt zum Tode verurtheilt!
Und, ich Treuloſer! hab ihn vor allen Suͤndern verleugnet!

Petrus riefs dem Verſtummenden zu, und riß ſich von dannen!
Aber izt blieb er im einſamen Dunkel am thauenden Eckſtein
Stehn, u. ſchwankt’ an den Stein hin, und hielt ſich, und ſank an ihn nieder:
Neigte ſein muͤdes Haupt, und weinte lang, und verſtummte!
Endlich ſtroͤmte ſie aus, in brechende Worte, die volle
Tieferſchuͤtterte Seele. Laß ab, mit des Todes Geſtalten,
Mich zu ſchrecken! Sie reiſſen wie Schwerter in meine Gebeine,
Meine zermalmten Gebeine! laß ab! Und wend’, o wende
Dieſe toͤdtenden Blicke von mir, womit du mich anſahſt,
Als die tiefſte der Thaten, der Thaten ſchwaͤrzte, geſchehn war.
Ach was that ich! Mein Freund! mein Freund! dich hab ich verleugnet!
Den ich liebte, der mich, wie ſonſt kein Lehrer, geliebt hat,
Der ein goͤttlicher Mann war! Zu kleine Seele, was thatſt du!
Siehe, nun wird er mich auch im Weltgerichte, vor ſeinen
Froͤmmern Juͤngern, vor ſeinen erhabnen Engeln, nicht kennen!
Kenne mich nicht! Jch verdien es! … O kenne mich wieder! Erbarme
Meiner Angſt dich! Was hab ich gethan! Jemehr ichs empfinde,
Deſto
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[24/0046] Der Meſſias. Rief ihm entgegen: Ach, lebt er, o Petrus? du weinſt! du verſtummeſt: Rede! … Laß mich, Johannes, ach, laß mich im Einſamen ſterben! Sterben will ich! Er iſt verlohren! Jch bin noch verlohrner! Juda, Juda! entſezlicher Juͤnger! du haſt ihn verrathen! … Jch verrieth ihn mit dir! Vor allen, welche mich fragten, Hab ich ihn, ach! in meinem zu tiefen Elend verleugnet! Fleuch! erhebe dich weg, Johannes, und laß mich im Stillen Sterben. Stirb, ſtirb auch! Er iſt zum Tode verurtheilt! Und, ich Treuloſer! hab ihn vor allen Suͤndern verleugnet! Petrus riefs dem Verſtummenden zu, und riß ſich von dannen! Aber izt blieb er im einſamen Dunkel am thauenden Eckſtein Stehn, u. ſchwankt’ an den Stein hin, und hielt ſich, und ſank an ihn nieder: Neigte ſein muͤdes Haupt, und weinte lang, und verſtummte! Endlich ſtroͤmte ſie aus, in brechende Worte, die volle Tieferſchuͤtterte Seele. Laß ab, mit des Todes Geſtalten, Mich zu ſchrecken! Sie reiſſen wie Schwerter in meine Gebeine, Meine zermalmten Gebeine! laß ab! Und wend’, o wende Dieſe toͤdtenden Blicke von mir, womit du mich anſahſt, Als die tiefſte der Thaten, der Thaten ſchwaͤrzte, geſchehn war. Ach was that ich! Mein Freund! mein Freund! dich hab ich verleugnet! Den ich liebte, der mich, wie ſonſt kein Lehrer, geliebt hat, Der ein goͤttlicher Mann war! Zu kleine Seele, was thatſt du! Siehe, nun wird er mich auch im Weltgerichte, vor ſeinen Froͤmmern Juͤngern, vor ſeinen erhabnen Engeln, nicht kennen! Kenne mich nicht! Jch verdien es! … O kenne mich wieder! Erbarme Meiner Angſt dich! Was hab ich gethan! Jemehr ichs empfinde, Deſto

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756/46>, abgerufen am 21.11.2024.