Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Messias.

Nach erhabnern an Gott, die Augenblicke, zu ruhen.
Von dem göttlichen Ernst von dem nur hatt' er noch Züge,
Leise Züge behalten. Doch konnte kein Engel sie haben,
Wollt' er sie haben. Allein auch nur ein Engel vermochte
Dieser Göttlichkeit Minen, und ihren Geist zu bemerken.
Also stand er. Philo und Kaiphas hefteten grimmig
Jhren Blick auf die Erde. Dem gab der Richtstul das Vorrecht,
Erst zu reden, jenem der Eifer. Noch schwiegen sie beyde.

Aber im Seitenpalast, zog sich, von einsamen Lampen
Halb durchdämmert, ein zirkelnder Gang zum Richtsaal hinüber.
Dort an ein Marmorgelender gebükt, stand unter den Frauen,
Portia, jugendlich schön, das Weib Pilatus des Römers.
Aber ihr Geist war nicht jung. Die Blume blühte, mit Früchten
Wie die Mutter der Gracchen, die ausgearteten Römer
Zu bereichern. Allein im ernsten Rathe der Wächter
War, der Untergang Roms, und kein Erretter, beschlossen.
Hingerissen von der Begier, den grossen Propheten
Endlich zu sehn, war, nur von wenigen Sclaven begleitet,
Portia eilend gekommen. Sie hatte dießmal, die Würde
Einer herrschenden Römerinn, ieden Zweifel der Hoheit,
Leicht vergessen! Es leitete sie des Ewigen Vorsicht!
Und sie stand, und sah ihn, der Todte weckte; des Priestets
Mutigen Haß noch mutiger trug; entschlossen genung war,
Unter einem so niedrigen Volk unerkannt, unbewundert,
Groß zu handeln. Sie sah den erhabnen Mann, mit Bewundrung,
Heiß von Erwartung, und froh, daß er vor seinen Verfolgern,
Und,

Der Meſſias.

Nach erhabnern an Gott, die Augenblicke, zu ruhen.
Von dem goͤttlichen Ernſt von dem nur hatt’ er noch Zuͤge,
Leiſe Zuͤge behalten. Doch konnte kein Engel ſie haben,
Wollt’ er ſie haben. Allein auch nur ein Engel vermochte
Dieſer Goͤttlichkeit Minen, und ihren Geiſt zu bemerken.
Alſo ſtand er. Philo und Kaiphas hefteten grimmig
Jhren Blick auf die Erde. Dem gab der Richtſtul das Vorrecht,
Erſt zu reden, jenem der Eifer. Noch ſchwiegen ſie beyde.

Aber im Seitenpalaſt, zog ſich, von einſamen Lampen
Halb durchdaͤmmert, ein zirkelnder Gang zum Richtſaal hinuͤber.
Dort an ein Marmorgelender gebuͤkt, ſtand unter den Frauen,
Portia, jugendlich ſchoͤn, das Weib Pilatus des Roͤmers.
Aber ihr Geiſt war nicht jung. Die Blume bluͤhte, mit Fruͤchten
Wie die Mutter der Gracchen, die ausgearteten Roͤmer
Zu bereichern. Allein im ernſten Rathe der Waͤchter
War, der Untergang Roms, und kein Erretter, beſchloſſen.
Hingeriſſen von der Begier, den groſſen Propheten
Endlich zu ſehn, war, nur von wenigen Sclaven begleitet,
Portia eilend gekommen. Sie hatte dießmal, die Wuͤrde
Einer herrſchenden Roͤmerinn, ieden Zweifel der Hoheit,
Leicht vergeſſen! Es leitete ſie des Ewigen Vorſicht!
Und ſie ſtand, und ſah ihn, der Todte weckte; des Prieſtets
Mutigen Haß noch mutiger trug; entſchloſſen genung war,
Unter einem ſo niedrigen Volk unerkannt, unbewundert,
Groß zu handeln. Sie ſah den erhabnen Mann, mit Bewundrung,
Heiß von Erwartung, und froh, daß er vor ſeinen Verfolgern,
Und,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="15">
              <l>
                <pb facs="#f0034" n="12"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Me&#x017F;&#x017F;ias.</hi> </fw>
              </l><lb/>
              <l>Nach erhabnern an Gott, die Augenblicke, zu ruhen.</l><lb/>
              <l>Von dem go&#x0364;ttlichen Ern&#x017F;t von dem nur hatt&#x2019; er noch Zu&#x0364;ge,</l><lb/>
              <l>Lei&#x017F;e Zu&#x0364;ge behalten. Doch konnte kein Engel &#x017F;ie haben,</l><lb/>
              <l>Wollt&#x2019; er &#x017F;ie haben. Allein auch nur ein Engel vermochte</l><lb/>
              <l>Die&#x017F;er Go&#x0364;ttlichkeit Minen, und ihren Gei&#x017F;t zu bemerken.</l><lb/>
              <l>Al&#x017F;o &#x017F;tand er. Philo und Kaiphas hefteten grimmig</l><lb/>
              <l>Jhren Blick auf die Erde. Dem gab der Richt&#x017F;tul das Vorrecht,</l><lb/>
              <l>Er&#x017F;t zu reden, jenem der Eifer. Noch &#x017F;chwiegen &#x017F;ie beyde.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="16">
              <l>Aber im Seitenpala&#x017F;t, zog &#x017F;ich, von ein&#x017F;amen Lampen</l><lb/>
              <l>Halb durchda&#x0364;mmert, ein zirkelnder Gang zum Richt&#x017F;aal hinu&#x0364;ber.</l><lb/>
              <l>Dort an ein Marmorgelender gebu&#x0364;kt, &#x017F;tand unter den Frauen,</l><lb/>
              <l>Portia, jugendlich &#x017F;cho&#x0364;n, das Weib Pilatus des Ro&#x0364;mers.</l><lb/>
              <l>Aber ihr Gei&#x017F;t war nicht jung. Die Blume blu&#x0364;hte, mit Fru&#x0364;chten</l><lb/>
              <l>Wie die Mutter der Gracchen, die ausgearteten Ro&#x0364;mer</l><lb/>
              <l>Zu bereichern. Allein im ern&#x017F;ten Rathe der Wa&#x0364;chter</l><lb/>
              <l>War, der Untergang Roms, und kein Erretter, be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en.</l><lb/>
              <l>Hingeri&#x017F;&#x017F;en von der Begier, den gro&#x017F;&#x017F;en Propheten</l><lb/>
              <l>Endlich zu &#x017F;ehn, war, nur von wenigen Sclaven begleitet,</l><lb/>
              <l>Portia eilend gekommen. Sie hatte dießmal, die Wu&#x0364;rde</l><lb/>
              <l>Einer herr&#x017F;chenden Ro&#x0364;merinn, ieden Zweifel der Hoheit,</l><lb/>
              <l>Leicht verge&#x017F;&#x017F;en! Es leitete &#x017F;ie des Ewigen Vor&#x017F;icht!</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;ie &#x017F;tand, und &#x017F;ah ihn, der Todte weckte; des Prie&#x017F;tets</l><lb/>
              <l>Mutigen Haß noch mutiger trug; ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en genung war,</l><lb/>
              <l>Unter einem &#x017F;o niedrigen Volk unerkannt, unbewundert,</l><lb/>
              <l>Groß zu handeln. Sie &#x017F;ah den erhabnen Mann, mit Bewundrung,</l><lb/>
              <l>Heiß von Erwartung, und froh, daß er vor &#x017F;einen Verfolgern,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Und,</fw><lb/></l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0034] Der Meſſias. Nach erhabnern an Gott, die Augenblicke, zu ruhen. Von dem goͤttlichen Ernſt von dem nur hatt’ er noch Zuͤge, Leiſe Zuͤge behalten. Doch konnte kein Engel ſie haben, Wollt’ er ſie haben. Allein auch nur ein Engel vermochte Dieſer Goͤttlichkeit Minen, und ihren Geiſt zu bemerken. Alſo ſtand er. Philo und Kaiphas hefteten grimmig Jhren Blick auf die Erde. Dem gab der Richtſtul das Vorrecht, Erſt zu reden, jenem der Eifer. Noch ſchwiegen ſie beyde. Aber im Seitenpalaſt, zog ſich, von einſamen Lampen Halb durchdaͤmmert, ein zirkelnder Gang zum Richtſaal hinuͤber. Dort an ein Marmorgelender gebuͤkt, ſtand unter den Frauen, Portia, jugendlich ſchoͤn, das Weib Pilatus des Roͤmers. Aber ihr Geiſt war nicht jung. Die Blume bluͤhte, mit Fruͤchten Wie die Mutter der Gracchen, die ausgearteten Roͤmer Zu bereichern. Allein im ernſten Rathe der Waͤchter War, der Untergang Roms, und kein Erretter, beſchloſſen. Hingeriſſen von der Begier, den groſſen Propheten Endlich zu ſehn, war, nur von wenigen Sclaven begleitet, Portia eilend gekommen. Sie hatte dießmal, die Wuͤrde Einer herrſchenden Roͤmerinn, ieden Zweifel der Hoheit, Leicht vergeſſen! Es leitete ſie des Ewigen Vorſicht! Und ſie ſtand, und ſah ihn, der Todte weckte; des Prieſtets Mutigen Haß noch mutiger trug; entſchloſſen genung war, Unter einem ſo niedrigen Volk unerkannt, unbewundert, Groß zu handeln. Sie ſah den erhabnen Mann, mit Bewundrung, Heiß von Erwartung, und froh, daß er vor ſeinen Verfolgern, Und,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756/34
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756/34>, abgerufen am 24.11.2024.