[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.
Als er noch betet', erhub Eloa sein Antliz, und wandt' es Nach der Versammlung der Väter und rief von der Zinne des Tempels, Daß, mit dem Fusse Moria, des Heiligthums Hallen erbebten, Rief mit einer Stimme der Traurigkeit und des Entsetzens, Wie sie von ihm noch nie die Unsterblichen hörten, herunter Zu den Vätern: Er kömmt! ... Der Bote der richtenden Gottheit Schwebte zur Erd hinab, trat auf den Sinai nieder, Stand, entsezte sich! ... Einsam, von Gottes Befehlen belastet, Stand er auf Sinai. Himmel und Erde, so daucht' es ihm, wollten Fliehn! hinsinken! vergehn! ... Der Endlichkeiten Erhalter Stärkt'
Als er noch betet’, erhub Eloa ſein Antliz, und wandt’ es Nach der Verſammlung der Vaͤter und rief von der Zinne des Tempels, Daß, mit dem Fuſſe Moria, des Heiligthums Hallen erbebten, Rief mit einer Stimme der Traurigkeit und des Entſetzens, Wie ſie von ihm noch nie die Unſterblichen hoͤrten, herunter Zu den Vaͤtern: Er koͤmmt! … Der Bote der richtenden Gottheit Schwebte zur Erd hinab, trat auf den Sinai nieder, Stand, entſezte ſich! … Einſam, von Gottes Befehlen belaſtet, Stand er auf Sinai. Himmel und Erde, ſo daucht’ es ihm, wollten Fliehn! hinſinken! vergehn! … Der Endlichkeiten Erhalter Staͤrkt’
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Der Meſſias.
Der vor ihnen dieß weite Gefilde der Menſchlichkeit aufthat,
Die erniedrigen ſich, des blutigen Aberglaubens
Oder des Wahns, der dich verleugnet, Sclaven zu werden!
Jhre Bruͤder zu peinigen! oder, durchs maͤchtige Beyſpiel,
Sie in Wuͤſten zu fuͤhren, wo deine Quellen nicht rinnen,
Wo die Beweinenswerthen kein Troſt der beſſeren Welt labt!
Dieſe Zeiten der Nacht, ſo oft ſie uͤber den Erdkreis
Kommen, verkuͤrze du ſie, daß nicht auch deine Geliebten
Mit dem Suͤnder verleitet, ſich jener Krone berauben,
Die du ihnen mit Blut erwirbſt, mit dieſem Tode! …
Zahllos, Herr, ſey die Schaar der Ueberwinder, wie Tropfen
Auf dem fruͤhen Gefilde, wie Sterne der leuchtenden Schoͤpfung;
Wenn du ſie, nach vollbrachtem Gericht, zur Herrlichkeit einfuͤhrſt!
O du, der uns geliebt, mit einer Liebe geliebt hat,
Die ein Geheimniß der Himmel, und ihres Erſtaunens Geſang iſt,
Ewiges Licht vom ewigen Licht! Sohn Gottes! Verſoͤner!
Heil! Fuͤrbitter! und Freund! und Bruder der ſterblichen Menſchen!
Deiner Erſtgeſchaffnen Gebet, ach, deiner Gefallnen,
Deiner Erloͤſten tiefes Gebet, erhoͤr, erhoͤr es!
Als er noch betet’, erhub Eloa ſein Antliz, und wandt’ es
Nach der Verſammlung der Vaͤter und rief von der Zinne des Tempels,
Daß, mit dem Fuſſe Moria, des Heiligthums Hallen erbebten,
Rief mit einer Stimme der Traurigkeit und des Entſetzens,
Wie ſie von ihm noch nie die Unſterblichen hoͤrten, herunter
Zu den Vaͤtern: Er koͤmmt! … Der Bote der richtenden Gottheit
Schwebte zur Erd hinab, trat auf den Sinai nieder,
Stand, entſezte ſich! … Einſam, von Gottes Befehlen belaſtet,
Stand er auf Sinai. Himmel und Erde, ſo daucht’ es ihm, wollten
Fliehn! hinſinken! vergehn! … Der Endlichkeiten Erhalter
Staͤrkt’
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