Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Messias.

Abbadonas empor! Die Heiligen sahen ihn alle
Dunkel werden! Er floh aus ihrem schreckenden Kreise!

Als er am fernen Himmel bey einem Hügel hinabsank,
Kam an der andern Seite des Hügels, ein angstvoller Schatten
Dunkler, als Abbadona, herauf. Die Himmlischen sahn ihn.
Und es sagte zum andern der Himmlischen einer: Wer ist er
Jener Verworfne, der dort vom Hügel gegen uns herkömmt?
Wie die Hand des Gerichts ihm seine Stirne gebrandtmarkt,
Wie der ewige Tod den Gottverlaßnen entstellt hat!
Aber er wagts, in unsre Versammlung zu fliehn? ... Doch ich staune
Jtzo, Geliebter, nicht mehr. Siehst du den hohen Obaddon,
Der dem Schatten gebeut? Ach, es ist der Geist des Verräthers!
Jtzo brachte den bangen Verworfnen der Todesengel
Näher zum Kreuz herüber. Nun sahn ihn die Himmlischen alle!
Dunkel, ein Flecken der Nacht, die über den Erdkreis herabhing,
Angstvoll, als wenn, wohin er auch schwebte, sich über ihm Blitze
Zu entzünden, unter ihm sich die Erde zu öfnen,
Jene des Rächenden Feuer auf ihn herunter zu schleudern,
Diese mit gleichem Ergrimmen ihn zu verschlingen, bereit sey:
Also näherte sich des Verräthers Schatten dem Kreuze.
Und er sahe, (Das must' er!) zum Todesengel Obaddon
Unverwendet empor. So wie die Rechte des Seraphs,
Und, in der schreckenden Rechte, das flammende Schwert sich bewegte
Und den Flug ihm gebot; so flog der gerichtete Sünder.
Und es blieb Obaddon auf einer hangenden Wolke
Mit dem Bebenden stehn, und sprach mit gebietender Stimme:
Schau,

Der Meſſias.

Abbadonas empor! Die Heiligen ſahen ihn alle
Dunkel werden! Er floh aus ihrem ſchreckenden Kreiſe!

Als er am fernen Himmel bey einem Huͤgel hinabſank,
Kam an der andern Seite des Huͤgels, ein angſtvoller Schatten
Dunkler, als Abbadona, herauf. Die Himmliſchen ſahn ihn.
Und es ſagte zum andern der Himmliſchen einer: Wer iſt er
Jener Verworfne, der dort vom Huͤgel gegen uns herkoͤmmt?
Wie die Hand des Gerichts ihm ſeine Stirne gebrandtmarkt,
Wie der ewige Tod den Gottverlaßnen entſtellt hat!
Aber er wagts, in unſre Verſammlung zu fliehn? … Doch ich ſtaune
Jtzo, Geliebter, nicht mehr. Siehſt du den hohen Obaddon,
Der dem Schatten gebeut? Ach, es iſt der Geiſt des Verraͤthers!
Jtzo brachte den bangen Verworfnen der Todesengel
Naͤher zum Kreuz heruͤber. Nun ſahn ihn die Himmliſchen alle!
Dunkel, ein Flecken der Nacht, die uͤber den Erdkreis herabhing,
Angſtvoll, als wenn, wohin er auch ſchwebte, ſich uͤber ihm Blitze
Zu entzuͤnden, unter ihm ſich die Erde zu oͤfnen,
Jene des Raͤchenden Feuer auf ihn herunter zu ſchleudern,
Dieſe mit gleichem Ergrimmen ihn zu verſchlingen, bereit ſey:
Alſo naͤherte ſich des Verraͤthers Schatten dem Kreuze.
Und er ſahe, (Das muſt’ er!) zum Todesengel Obaddon
Unverwendet empor. So wie die Rechte des Seraphs,
Und, in der ſchreckenden Rechte, das flammende Schwert ſich bewegte
Und den Flug ihm gebot; ſo flog der gerichtete Suͤnder.
Und es blieb Obaddon auf einer hangenden Wolke
Mit dem Bebenden ſtehn, und ſprach mit gebietender Stimme:
Schau,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="32">
              <l>
                <pb facs="#f0144" n="116"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Me&#x017F;&#x017F;ias.</hi> </fw>
              </l><lb/>
              <l>Abbadonas empor! Die Heiligen &#x017F;ahen ihn alle</l><lb/>
              <l>Dunkel werden! Er floh aus ihrem &#x017F;chreckenden Krei&#x017F;e!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="33">
              <l>Als er am fernen Himmel bey einem Hu&#x0364;gel hinab&#x017F;ank,</l><lb/>
              <l>Kam an der andern Seite des Hu&#x0364;gels, ein ang&#x017F;tvoller Schatten</l><lb/>
              <l>Dunkler, als Abbadona, herauf. Die Himmli&#x017F;chen &#x017F;ahn ihn.</l><lb/>
              <l>Und es &#x017F;agte zum andern der Himmli&#x017F;chen einer: Wer i&#x017F;t er</l><lb/>
              <l>Jener Verworfne, der dort vom Hu&#x0364;gel gegen uns herko&#x0364;mmt?</l><lb/>
              <l>Wie die Hand des Gerichts ihm &#x017F;eine Stirne gebrandtmarkt,</l><lb/>
              <l>Wie der ewige Tod den Gottverlaßnen ent&#x017F;tellt hat!</l><lb/>
              <l>Aber er wagts, in un&#x017F;re Ver&#x017F;ammlung zu fliehn? &#x2026; Doch ich &#x017F;taune</l><lb/>
              <l>Jtzo, Geliebter, nicht mehr. Sieh&#x017F;t du den hohen Obaddon,</l><lb/>
              <l>Der dem Schatten gebeut? Ach, es i&#x017F;t der Gei&#x017F;t des Verra&#x0364;thers!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="34">
              <l>Jtzo brachte den bangen Verworfnen der Todesengel</l><lb/>
              <l>Na&#x0364;her zum Kreuz heru&#x0364;ber. Nun &#x017F;ahn ihn die Himmli&#x017F;chen alle!</l><lb/>
              <l>Dunkel, ein Flecken der Nacht, die u&#x0364;ber den Erdkreis herabhing,</l><lb/>
              <l>Ang&#x017F;tvoll, als wenn, wohin er auch &#x017F;chwebte, &#x017F;ich u&#x0364;ber ihm Blitze</l><lb/>
              <l>Zu entzu&#x0364;nden, unter ihm &#x017F;ich die Erde zu o&#x0364;fnen,</l><lb/>
              <l>Jene des Ra&#x0364;chenden Feuer auf ihn herunter zu &#x017F;chleudern,</l><lb/>
              <l>Die&#x017F;e mit gleichem Ergrimmen ihn zu ver&#x017F;chlingen, bereit &#x017F;ey:</l><lb/>
              <l>Al&#x017F;o na&#x0364;herte &#x017F;ich des Verra&#x0364;thers Schatten dem Kreuze.</l><lb/>
              <l>Und er &#x017F;ahe, (Das mu&#x017F;t&#x2019; er!) zum Todesengel Obaddon</l><lb/>
              <l>Unverwendet empor. So wie die Rechte des Seraphs,</l><lb/>
              <l>Und, in der &#x017F;chreckenden Rechte, das flammende Schwert &#x017F;ich bewegte</l><lb/>
              <l>Und den Flug ihm gebot; &#x017F;o flog der gerichtete Su&#x0364;nder.</l><lb/>
              <l>Und es blieb Obaddon auf einer hangenden Wolke</l><lb/>
              <l>Mit dem Bebenden &#x017F;tehn, und &#x017F;prach mit gebietender Stimme:</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Schau,</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[116/0144] Der Meſſias. Abbadonas empor! Die Heiligen ſahen ihn alle Dunkel werden! Er floh aus ihrem ſchreckenden Kreiſe! Als er am fernen Himmel bey einem Huͤgel hinabſank, Kam an der andern Seite des Huͤgels, ein angſtvoller Schatten Dunkler, als Abbadona, herauf. Die Himmliſchen ſahn ihn. Und es ſagte zum andern der Himmliſchen einer: Wer iſt er Jener Verworfne, der dort vom Huͤgel gegen uns herkoͤmmt? Wie die Hand des Gerichts ihm ſeine Stirne gebrandtmarkt, Wie der ewige Tod den Gottverlaßnen entſtellt hat! Aber er wagts, in unſre Verſammlung zu fliehn? … Doch ich ſtaune Jtzo, Geliebter, nicht mehr. Siehſt du den hohen Obaddon, Der dem Schatten gebeut? Ach, es iſt der Geiſt des Verraͤthers! Jtzo brachte den bangen Verworfnen der Todesengel Naͤher zum Kreuz heruͤber. Nun ſahn ihn die Himmliſchen alle! Dunkel, ein Flecken der Nacht, die uͤber den Erdkreis herabhing, Angſtvoll, als wenn, wohin er auch ſchwebte, ſich uͤber ihm Blitze Zu entzuͤnden, unter ihm ſich die Erde zu oͤfnen, Jene des Raͤchenden Feuer auf ihn herunter zu ſchleudern, Dieſe mit gleichem Ergrimmen ihn zu verſchlingen, bereit ſey: Alſo naͤherte ſich des Verraͤthers Schatten dem Kreuze. Und er ſahe, (Das muſt’ er!) zum Todesengel Obaddon Unverwendet empor. So wie die Rechte des Seraphs, Und, in der ſchreckenden Rechte, das flammende Schwert ſich bewegte Und den Flug ihm gebot; ſo flog der gerichtete Suͤnder. Und es blieb Obaddon auf einer hangenden Wolke Mit dem Bebenden ſtehn, und ſprach mit gebietender Stimme: Schau,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756/144
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756/144>, abgerufen am 24.11.2024.