Ja! er ist es dennoch! ... Ach, den ich am Oelberge sahe Leiden sahe, was nie noch ein Endlicher litt, dein Opfer, Unerbittlicher Richter, er ists! ... Jzt sank er zum Hügel Tiefer hinab. Hier will ich am Staube der Erde, (so dacht er,) Auf den Ausgang des wunderbarsten aller Gerichte, Warten; und, wenns ein Endlicher kann, den göttlichen Dulder Sterben sehn! ... Was ist es in mir, so wie Ruhe mich lindert? Jsts Betäubung der Angst? wie? oder wirkliche Hofnung? Ach der Hofnungen beste, vernichtet zu werden? O täusche, Einzige Hofnung, täusche mich nicht! Mich deucht ja, ich dürfe Um die Vernichtung dem Richter izt flehn! Es deucht mich, er werde Jzt mich erhören! ... O wenn der göttliche Dulder sein Haupt nun, Richter der Welt! am Kreuze geneigt hat, und du, ein Rächer, Daß wir die Sünd erschufen; zur Sünde die Menschen verführten! Einige dieser Verbrecher, als Todesopfer, dem Schatten Deines Getödteten weihst, und um sein Grab sie vernichtest! Ach, dann sondre mich auch, mich den verworfensten Sünder, Abbadona mit aus, daß du dem Todten mich opferst! Ach, dann bin ich nicht mehr! Dann fühl ich der nächtlichen Qualen Flamme nicht mehr! Jch war einmal! Dann bin ich vergangen! Aus der Wesen Reihe verlöscht! auf immer vergangen! Von den Engeln, von allen Erschafnen, von Gott, vergessen! Sieh, ich strecke mein Haupt, Gott, deiner Allmacht entgegen! Würdige, Richter der Welt, mich, daß ihr geheimes Berühren, Oder ihr fallender Bliz, aus deiner Schöpfung mich tilge!
Also wünscht, so wähnet er, hoffen zu dürfen; erfreut sich, Und entsezt sich, über die Hofnung! Er schwebt am Staube,
Blickte
Der Meſſias.
Ja! er iſt es dennoch! … Ach, den ich am Oelberge ſahe Leiden ſahe, was nie noch ein Endlicher litt, dein Opfer, Unerbittlicher Richter, er iſts! … Jzt ſank er zum Huͤgel Tiefer hinab. Hier will ich am Staube der Erde, (ſo dacht er,) Auf den Ausgang des wunderbarſten aller Gerichte, Warten; und, wenns ein Endlicher kann, den goͤttlichen Dulder Sterben ſehn! … Was iſt es in mir, ſo wie Ruhe mich lindert? Jſts Betaͤubung der Angſt? wie? oder wirkliche Hofnung? Ach der Hofnungen beſte, vernichtet zu werden? O taͤuſche, Einzige Hofnung, taͤuſche mich nicht! Mich deucht ja, ich duͤrfe Um die Vernichtung dem Richter izt flehn! Es deucht mich, er werde Jzt mich erhoͤren! … O wenn der goͤttliche Dulder ſein Haupt nun, Richter der Welt! am Kreuze geneigt hat, und du, ein Raͤcher, Daß wir die Suͤnd erſchufen; zur Suͤnde die Menſchen verfuͤhrten! Einige dieſer Verbrecher, als Todesopfer, dem Schatten Deines Getoͤdteten weihſt, und um ſein Grab ſie vernichteſt! Ach, dann ſondre mich auch, mich den verworfenſten Suͤnder, Abbadona mit aus, daß du dem Todten mich opferſt! Ach, dann bin ich nicht mehr! Dann fuͤhl ich der naͤchtlichen Qualen Flamme nicht mehr! Jch war einmal! Dann bin ich vergangen! Aus der Weſen Reihe verloͤſcht! auf immer vergangen! Von den Engeln, von allen Erſchafnen, von Gott, vergeſſen! Sieh, ich ſtrecke mein Haupt, Gott, deiner Allmacht entgegen! Wuͤrdige, Richter der Welt, mich, daß ihr geheimes Beruͤhren, Oder ihr fallender Bliz, aus deiner Schoͤpfung mich tilge!
Alſo wuͤnſcht, ſo waͤhnet er, hoffen zu duͤrfen; erfreut ſich, Und entſezt ſich, uͤber die Hofnung! Er ſchwebt am Staube,
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Der Meſſias.
Ja! er iſt es dennoch! … Ach, den ich am Oelberge ſahe
Leiden ſahe, was nie noch ein Endlicher litt, dein Opfer,
Unerbittlicher Richter, er iſts! … Jzt ſank er zum Huͤgel
Tiefer hinab. Hier will ich am Staube der Erde, (ſo dacht er,)
Auf den Ausgang des wunderbarſten aller Gerichte,
Warten; und, wenns ein Endlicher kann, den goͤttlichen Dulder
Sterben ſehn! … Was iſt es in mir, ſo wie Ruhe mich lindert?
Jſts Betaͤubung der Angſt? wie? oder wirkliche Hofnung?
Ach der Hofnungen beſte, vernichtet zu werden? O taͤuſche,
Einzige Hofnung, taͤuſche mich nicht! Mich deucht ja, ich duͤrfe
Um die Vernichtung dem Richter izt flehn! Es deucht mich, er werde
Jzt mich erhoͤren! … O wenn der goͤttliche Dulder ſein Haupt nun,
Richter der Welt! am Kreuze geneigt hat, und du, ein Raͤcher,
Daß wir die Suͤnd erſchufen; zur Suͤnde die Menſchen verfuͤhrten!
Einige dieſer Verbrecher, als Todesopfer, dem Schatten
Deines Getoͤdteten weihſt, und um ſein Grab ſie vernichteſt!
Ach, dann ſondre mich auch, mich den verworfenſten Suͤnder,
Abbadona mit aus, daß du dem Todten mich opferſt!
Ach, dann bin ich nicht mehr! Dann fuͤhl ich der naͤchtlichen Qualen
Flamme nicht mehr! Jch war einmal! Dann bin ich vergangen!
Aus der Weſen Reihe verloͤſcht! auf immer vergangen!
Von den Engeln, von allen Erſchafnen, von Gott, vergeſſen!
Sieh, ich ſtrecke mein Haupt, Gott, deiner Allmacht entgegen!
Wuͤrdige, Richter der Welt, mich, daß ihr geheimes Beruͤhren,
Oder ihr fallender Bliz, aus deiner Schoͤpfung mich tilge!
Alſo wuͤnſcht, ſo waͤhnet er, hoffen zu duͤrfen; erfreut ſich,
Und entſezt ſich, uͤber die Hofnung! Er ſchwebt am Staube,
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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756/142>, abgerufen am 16.02.2025.
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