Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Meßias.

Dann würg ich nicht die vernünftigen Wesen, wie Satan, mir einzeln;
Nein, zu ganzen Geschlechtern! Die sollen von mir sich in Staub hin
Niederlegen, ohnmächtig sich krümmen, und winden, und jammern.
Wenn sie sich winden und krümmen und jammern, so sollen sie sterben!
Dann will ich hier, oder dort, oder da, triumphirend und einsam
Sitzen, und mich umsehn. Die du nun deinen Geschöpfen
Durch mich zum Grabe geworden, Natur, auf deine Verwesten,
Jn dein tiefes unendliches Grab will ich lachend hinabsehn!
Auch will ich ihn, wenn er flieht, wenn ihn das Anschaun der Todten
Ueberall umringend vom alten Throne vertreibet,
Selbst den Ewigen will ich alsdann auch lachend betrachten.
Oder gefällts ihm vielmehr im düstern Grabe der Welten
Neue Geschöpfe zu baun, daß ich sie von neuem verderbe:
Auch die will ich alsdann, mit eben der Allmacht, wie vormals,
Wieder von einem Gestirne zum andern verführen und tödten.
Adramelech, das bist du! Doch möcht es dir endlich gelingen,
Daß du auch das Sterben der Geister erfändest, daß Satan
Durch dich vergieng, und von dir verderbt in ein Unding zerflösse!
Unter ihm sollst du kein Werk, das deiner nur würdig ist, enden!
Mächtiger Geist, der du Adramelech beseelest, erschaffe!
Tödte die Geister, ich fluche dir, tödte sie, oder vergehe!
Ja, vergehe, sey lieber nicht mehr, eh du lebst und nicht herrschest!
Ja, ich will hingehn, gehn will ich, und alle meine Gedanken
Jn mir, wie Götter, versammeln, sie sollen erfinden und tödten.
Jtzt ist es Zeit, worauf ich seit Ewigkeiten schon dachte,

Das

Der Meßias.

Dann wuͤrg ich nicht die vernuͤnftigen Weſen, wie Satan, mir einzeln;
Nein, zu ganzen Geſchlechtern! Die ſollen von mir ſich in Staub hin
Niederlegen, ohnmaͤchtig ſich kruͤmmen, und winden, und jammern.
Wenn ſie ſich winden und kruͤmmen und jammern, ſo ſollen ſie ſterben!
Dann will ich hier, oder dort, oder da, triumphirend und einſam
Sitzen, und mich umſehn. Die du nun deinen Geſchoͤpfen
Durch mich zum Grabe geworden, Natur, auf deine Verweſten,
Jn dein tiefes unendliches Grab will ich lachend hinabſehn!
Auch will ich ihn, wenn er flieht, wenn ihn das Anſchaun der Todten
Ueberall umringend vom alten Throne vertreibet,
Selbſt den Ewigen will ich alsdann auch lachend betrachten.
Oder gefaͤllts ihm vielmehr im duͤſtern Grabe der Welten
Neue Geſchoͤpfe zu baun, daß ich ſie von neuem verderbe:
Auch die will ich alsdann, mit eben der Allmacht, wie vormals,
Wieder von einem Geſtirne zum andern verfuͤhren und toͤdten.
Adramelech, das biſt du! Doch moͤcht es dir endlich gelingen,
Daß du auch das Sterben der Geiſter erfaͤndeſt, daß Satan
Durch dich vergieng, und von dir verderbt in ein Unding zerfloͤſſe!
Unter ihm ſollſt du kein Werk, das deiner nur wuͤrdig iſt, enden!
Maͤchtiger Geiſt, der du Adramelech beſeeleſt, erſchaffe!
Toͤdte die Geiſter, ich fluche dir, toͤdte ſie, oder vergehe!
Ja, vergehe, ſey lieber nicht mehr, eh du lebſt und nicht herrſcheſt!
Ja, ich will hingehn, gehn will ich, und alle meine Gedanken
Jn mir, wie Goͤtter, verſammeln, ſie ſollen erfinden und toͤdten.
Jtzt iſt es Zeit, worauf ich ſeit Ewigkeiten ſchon dachte,

Das
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="32">
              <l>
                <pb facs="#f0078" n="66"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Meßias.</hi> </fw>
              </l><lb/>
              <l>Dann wu&#x0364;rg ich nicht die vernu&#x0364;nftigen We&#x017F;en, wie Satan, mir einzeln;</l><lb/>
              <l>Nein, zu ganzen Ge&#x017F;chlechtern! Die &#x017F;ollen von mir &#x017F;ich in Staub hin</l><lb/>
              <l>Niederlegen, ohnma&#x0364;chtig &#x017F;ich kru&#x0364;mmen, und winden, und jammern.</l><lb/>
              <l>Wenn &#x017F;ie &#x017F;ich winden und kru&#x0364;mmen und jammern, &#x017F;o &#x017F;ollen &#x017F;ie &#x017F;terben!</l><lb/>
              <l>Dann will ich hier, oder dort, oder da, triumphirend und ein&#x017F;am</l><lb/>
              <l>Sitzen, und mich um&#x017F;ehn. Die du nun deinen Ge&#x017F;cho&#x0364;pfen</l><lb/>
              <l>Durch mich zum Grabe geworden, Natur, auf deine Verwe&#x017F;ten,</l><lb/>
              <l>Jn dein tiefes unendliches Grab will ich lachend hinab&#x017F;ehn!</l><lb/>
              <l>Auch will ich ihn, wenn er flieht, wenn ihn das An&#x017F;chaun der Todten</l><lb/>
              <l>Ueberall umringend vom alten Throne vertreibet,</l><lb/>
              <l>Selb&#x017F;t den Ewigen will ich alsdann auch lachend betrachten.</l><lb/>
              <l>Oder gefa&#x0364;llts ihm vielmehr im du&#x0364;&#x017F;tern Grabe der Welten</l><lb/>
              <l>Neue Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe zu baun, daß ich &#x017F;ie von neuem verderbe:</l><lb/>
              <l>Auch die will ich alsdann, mit eben der Allmacht, wie vormals,</l><lb/>
              <l>Wieder von einem Ge&#x017F;tirne zum andern verfu&#x0364;hren und to&#x0364;dten.</l><lb/>
              <l>Adramelech, das bi&#x017F;t du! Doch mo&#x0364;cht es dir endlich gelingen,</l><lb/>
              <l>Daß du auch das Sterben der Gei&#x017F;ter erfa&#x0364;nde&#x017F;t, daß Satan</l><lb/>
              <l>Durch dich vergieng, und von dir verderbt in ein Unding zerflo&#x0364;&#x017F;&#x017F;e!</l><lb/>
              <l>Unter ihm &#x017F;oll&#x017F;t du kein Werk, das deiner nur wu&#x0364;rdig i&#x017F;t, enden!</l><lb/>
              <l>Ma&#x0364;chtiger Gei&#x017F;t, der du Adramelech be&#x017F;eele&#x017F;t, er&#x017F;chaffe!</l><lb/>
              <l>To&#x0364;dte die Gei&#x017F;ter, ich fluche dir, to&#x0364;dte &#x017F;ie, oder vergehe!</l><lb/>
              <l>Ja, vergehe, &#x017F;ey lieber nicht mehr, eh du leb&#x017F;t und nicht herr&#x017F;che&#x017F;t!</l><lb/>
              <l>Ja, ich will hingehn, gehn will ich, und alle meine Gedanken</l><lb/>
              <l>Jn mir, wie Go&#x0364;tter, ver&#x017F;ammeln, &#x017F;ie &#x017F;ollen erfinden und to&#x0364;dten.</l><lb/>
              <l>Jtzt i&#x017F;t es Zeit, worauf ich &#x017F;eit Ewigkeiten &#x017F;chon dachte,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Das</fw><lb/></l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[66/0078] Der Meßias. Dann wuͤrg ich nicht die vernuͤnftigen Weſen, wie Satan, mir einzeln; Nein, zu ganzen Geſchlechtern! Die ſollen von mir ſich in Staub hin Niederlegen, ohnmaͤchtig ſich kruͤmmen, und winden, und jammern. Wenn ſie ſich winden und kruͤmmen und jammern, ſo ſollen ſie ſterben! Dann will ich hier, oder dort, oder da, triumphirend und einſam Sitzen, und mich umſehn. Die du nun deinen Geſchoͤpfen Durch mich zum Grabe geworden, Natur, auf deine Verweſten, Jn dein tiefes unendliches Grab will ich lachend hinabſehn! Auch will ich ihn, wenn er flieht, wenn ihn das Anſchaun der Todten Ueberall umringend vom alten Throne vertreibet, Selbſt den Ewigen will ich alsdann auch lachend betrachten. Oder gefaͤllts ihm vielmehr im duͤſtern Grabe der Welten Neue Geſchoͤpfe zu baun, daß ich ſie von neuem verderbe: Auch die will ich alsdann, mit eben der Allmacht, wie vormals, Wieder von einem Geſtirne zum andern verfuͤhren und toͤdten. Adramelech, das biſt du! Doch moͤcht es dir endlich gelingen, Daß du auch das Sterben der Geiſter erfaͤndeſt, daß Satan Durch dich vergieng, und von dir verderbt in ein Unding zerfloͤſſe! Unter ihm ſollſt du kein Werk, das deiner nur wuͤrdig iſt, enden! Maͤchtiger Geiſt, der du Adramelech beſeeleſt, erſchaffe! Toͤdte die Geiſter, ich fluche dir, toͤdte ſie, oder vergehe! Ja, vergehe, ſey lieber nicht mehr, eh du lebſt und nicht herrſcheſt! Ja, ich will hingehn, gehn will ich, und alle meine Gedanken Jn mir, wie Goͤtter, verſammeln, ſie ſollen erfinden und toͤdten. Jtzt iſt es Zeit, worauf ich ſeit Ewigkeiten ſchon dachte, Das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/78
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/78>, abgerufen am 22.11.2024.