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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751.

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Der Meßias.

Daß du mit einem Blicke mich nur im Abgrund hier ansähst.
Finstrer Gedanke, Gedanke voll Quaal! Und du, wilde Verzweiflung!
Wüte, Tyranninn, ja wüte nur fort! ... Wie bin ich so elend! ...
Wär ich nur nicht! ... Jch fluche dir, Tag, da der Schöpfung Gott sagte:
Werde! Da er von Osten mit seiner Herrlichkeit ausgieng!
Ja, dir fluch ich, o Tag, da die neuen Unsterblichen sprachen:
Unser Bruder ist auch! Du, Mutter unendlicher Quaalen,
Warum gebahrest du, Ewigkeit, ihn? Und mußt er ja werden,
Warum ward er nicht finster und traurig, der ewigen Nacht gleich,
Jn der mit Ungewitter gerüstet der Donnerer auszieht,
Leer von Geschöpfen, vom Zorn und Fluche der Gottheit belastet?
Aber, ach wider wen redest du hier im verlassenen Abgrund,
Lästrer! Auf, Sonnen fallt über mich her, bedeckt mich, ihr Sterne,
Vor dem grimmigen Zorn deß, der vom Throne der Rache
Ewig als Feind und Richter mich schreckt! Du, in deinen Gerichten
Ganz Unerbittlicher! ist denn in deiner Ewigkeit künstig
Nichts mehr von Hoffnungen übrig? Ach, wird denn, göttlicher Richter,
Schöpfer, Vater, Erbarmer! ... Ach, nun verzweifl ich von neuem,
Denn ich habe Jehova gelästert! Jhn hab ich mit Namen,
Die ich ohne Versöhner nicht nennen darf, angeredet.
Jch entfliehe! Schon rauschet von ihm ein allmächtiger Donner
Durch das Unendliche furchtbar daher! Doch wohin? - - Jch entfliehe!
Also sagt er, und sahe betäubt in die Tiefe des Abgrunds.

Schaffe da Feuer, ein tödtendes Feuer, das Geister verzehre,
Gott, Verderber der Wesen, die du ohn ihr Wollen erschufest!
Rief

Der Meßias.

Daß du mit einem Blicke mich nur im Abgrund hier anſaͤhſt.
Finſtrer Gedanke, Gedanke voll Quaal! Und du, wilde Verzweiflung!
Wuͤte, Tyranninn, ja wuͤte nur fort! … Wie bin ich ſo elend! …
Waͤr ich nur nicht! … Jch fluche dir, Tag, da der Schoͤpfung Gott ſagte:
Werde! Da er von Oſten mit ſeiner Herrlichkeit ausgieng!
Ja, dir fluch ich, o Tag, da die neuen Unſterblichen ſprachen:
Unſer Bruder iſt auch! Du, Mutter unendlicher Quaalen,
Warum gebahreſt du, Ewigkeit, ihn? Und mußt er ja werden,
Warum ward er nicht finſter und traurig, der ewigen Nacht gleich,
Jn der mit Ungewitter geruͤſtet der Donnerer auszieht,
Leer von Geſchoͤpfen, vom Zorn und Fluche der Gottheit belaſtet?
Aber, ach wider wen redeſt du hier im verlaſſenen Abgrund,
Laͤſtrer! Auf, Sonnen fallt uͤber mich her, bedeckt mich, ihr Sterne,
Vor dem grimmigen Zorn deß, der vom Throne der Rache
Ewig als Feind und Richter mich ſchreckt! Du, in deinen Gerichten
Ganz Unerbittlicher! iſt denn in deiner Ewigkeit kuͤnſtig
Nichts mehr von Hoffnungen uͤbrig? Ach, wird denn, goͤttlicher Richter,
Schoͤpfer, Vater, Erbarmer! … Ach, nun verzweifl ich von neuem,
Denn ich habe Jehova gelaͤſtert! Jhn hab ich mit Namen,
Die ich ohne Verſoͤhner nicht nennen darf, angeredet.
Jch entfliehe! Schon rauſchet von ihm ein allmaͤchtiger Donner
Durch das Unendliche furchtbar daher! Doch wohin? - - Jch entfliehe!
Alſo ſagt er, und ſahe betaͤubt in die Tiefe des Abgrunds.

Schaffe da Feuer, ein toͤdtendes Feuer, das Geiſter verzehre,
Gott, Verderber der Weſen, die du ohn ihr Wollen erſchufeſt!
Rief
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[64/0076] Der Meßias. Daß du mit einem Blicke mich nur im Abgrund hier anſaͤhſt. Finſtrer Gedanke, Gedanke voll Quaal! Und du, wilde Verzweiflung! Wuͤte, Tyranninn, ja wuͤte nur fort! … Wie bin ich ſo elend! … Waͤr ich nur nicht! … Jch fluche dir, Tag, da der Schoͤpfung Gott ſagte: Werde! Da er von Oſten mit ſeiner Herrlichkeit ausgieng! Ja, dir fluch ich, o Tag, da die neuen Unſterblichen ſprachen: Unſer Bruder iſt auch! Du, Mutter unendlicher Quaalen, Warum gebahreſt du, Ewigkeit, ihn? Und mußt er ja werden, Warum ward er nicht finſter und traurig, der ewigen Nacht gleich, Jn der mit Ungewitter geruͤſtet der Donnerer auszieht, Leer von Geſchoͤpfen, vom Zorn und Fluche der Gottheit belaſtet? Aber, ach wider wen redeſt du hier im verlaſſenen Abgrund, Laͤſtrer! Auf, Sonnen fallt uͤber mich her, bedeckt mich, ihr Sterne, Vor dem grimmigen Zorn deß, der vom Throne der Rache Ewig als Feind und Richter mich ſchreckt! Du, in deinen Gerichten Ganz Unerbittlicher! iſt denn in deiner Ewigkeit kuͤnſtig Nichts mehr von Hoffnungen uͤbrig? Ach, wird denn, goͤttlicher Richter, Schoͤpfer, Vater, Erbarmer! … Ach, nun verzweifl ich von neuem, Denn ich habe Jehova gelaͤſtert! Jhn hab ich mit Namen, Die ich ohne Verſoͤhner nicht nennen darf, angeredet. Jch entfliehe! Schon rauſchet von ihm ein allmaͤchtiger Donner Durch das Unendliche furchtbar daher! Doch wohin? - - Jch entfliehe! Alſo ſagt er, und ſahe betaͤubt in die Tiefe des Abgrunds. Schaffe da Feuer, ein toͤdtendes Feuer, das Geiſter verzehre, Gott, Verderber der Weſen, die du ohn ihr Wollen erſchufeſt! Rief

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/76>, abgerufen am 22.11.2024.