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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751.

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Der Meßias.

Ungestüm und voll grimmiger Wuth bey den Todten herumtrieb.
Ach mein Vater! so rief der kleine geliebte Benoni,
Und entfloh den Armen der Mutter, die ängstlich ihm nachlief;
Ach mein Vater, umarme mich doch! und krümmt um die Hand sich,
Drückte sie an sein Herz. Der Vater umfaßt ihn, und bebte.
Da nun der Knabe mit kindlicher Jnbrunst ihn zärtlich umhalste,
Da er mit stillem liebkosenden Lächeln ihn jugendlich ansah,
Warf ihn der Vater an einen entgegenstehenden Felsen,
Daß sein zartes Gehirn an blutigen Steinen herabrann,
Und mit leisem Röcheln entfloh die Seele voll Unschuld.
Nunmehr klagt er ihn trostlos, und faßt das kalte Behältniß
Seiner Gebeine mit sterbendem Arm. Mein Sohn, ach Benoni!
Ach Benoni, mein Sohn! so sagt er, und jammernde Thränen
Stürzen vom Auge, das bricht und langsam starrend erstirbet.
Also lag er und ängstigte sich, da der Mittler hinabkam.
Joel, der andere Sohn, verwandte sein thränendes Antlitz
Von dem Vater, und sah den Meßias im Grabmal dahergehn.
Ach! mein Vater, erhub er voll froher Verwundrung die Stimme,
Jesus, der große Prophet, kömmt in die Gräber hernieder.
Satan hört es, und sahe bestürzt durch die Oeffnung des Grabmals.
So sehn Gottesläugner, der Pöbel, aus düstern Gewölben,
Wenn das hohe Gewitter am donnernden Himmel heraufzieht,
Und der Rache gefürchtete Wagen in Wolken sich wälzen.
Satan hatte bisher nur Samma von ferne gepeinigt.
Aus den tiefsten entlegensten Enden des nächtlichen Grabmals
Sandt er langsame Plagen hervor. Jtzt erhub er sich wieder
Rüstete sich mit Todesschrecken, und stürzt auf Samma.

Sam-

Der Meßias.

Ungeſtuͤm und voll grimmiger Wuth bey den Todten herumtrieb.
Ach mein Vater! ſo rief der kleine geliebte Benoni,
Und entfloh den Armen der Mutter, die aͤngſtlich ihm nachlief;
Ach mein Vater, umarme mich doch! und kruͤmmt um die Hand ſich,
Druͤckte ſie an ſein Herz. Der Vater umfaßt ihn, und bebte.
Da nun der Knabe mit kindlicher Jnbrunſt ihn zaͤrtlich umhalſte,
Da er mit ſtillem liebkoſenden Laͤcheln ihn jugendlich anſah,
Warf ihn der Vater an einen entgegenſtehenden Felſen,
Daß ſein zartes Gehirn an blutigen Steinen herabrann,
Und mit leiſem Roͤcheln entfloh die Seele voll Unſchuld.
Nunmehr klagt er ihn troſtlos, und faßt das kalte Behaͤltniß
Seiner Gebeine mit ſterbendem Arm. Mein Sohn, ach Benoni!
Ach Benoni, mein Sohn! ſo ſagt er, und jammernde Thraͤnen
Stuͤrzen vom Auge, das bricht und langſam ſtarrend erſtirbet.
Alſo lag er und aͤngſtigte ſich, da der Mittler hinabkam.
Joel, der andere Sohn, verwandte ſein thraͤnendes Antlitz
Von dem Vater, und ſah den Meßias im Grabmal dahergehn.
Ach! mein Vater, erhub er voll froher Verwundrung die Stimme,
Jeſus, der große Prophet, koͤmmt in die Graͤber hernieder.
Satan hoͤrt es, und ſahe beſtuͤrzt durch die Oeffnung des Grabmals.
So ſehn Gotteslaͤugner, der Poͤbel, aus duͤſtern Gewoͤlben,
Wenn das hohe Gewitter am donnernden Himmel heraufzieht,
Und der Rache gefuͤrchtete Wagen in Wolken ſich waͤlzen.
Satan hatte bisher nur Samma von ferne gepeinigt.
Aus den tiefſten entlegenſten Enden des naͤchtlichen Grabmals
Sandt er langſame Plagen hervor. Jtzt erhub er ſich wieder
Ruͤſtete ſich mit Todesſchrecken, und ſtuͤrzt auf Samma.

Sam-
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[38/0050] Der Meßias. Ungeſtuͤm und voll grimmiger Wuth bey den Todten herumtrieb. Ach mein Vater! ſo rief der kleine geliebte Benoni, Und entfloh den Armen der Mutter, die aͤngſtlich ihm nachlief; Ach mein Vater, umarme mich doch! und kruͤmmt um die Hand ſich, Druͤckte ſie an ſein Herz. Der Vater umfaßt ihn, und bebte. Da nun der Knabe mit kindlicher Jnbrunſt ihn zaͤrtlich umhalſte, Da er mit ſtillem liebkoſenden Laͤcheln ihn jugendlich anſah, Warf ihn der Vater an einen entgegenſtehenden Felſen, Daß ſein zartes Gehirn an blutigen Steinen herabrann, Und mit leiſem Roͤcheln entfloh die Seele voll Unſchuld. Nunmehr klagt er ihn troſtlos, und faßt das kalte Behaͤltniß Seiner Gebeine mit ſterbendem Arm. Mein Sohn, ach Benoni! Ach Benoni, mein Sohn! ſo ſagt er, und jammernde Thraͤnen Stuͤrzen vom Auge, das bricht und langſam ſtarrend erſtirbet. Alſo lag er und aͤngſtigte ſich, da der Mittler hinabkam. Joel, der andere Sohn, verwandte ſein thraͤnendes Antlitz Von dem Vater, und ſah den Meßias im Grabmal dahergehn. Ach! mein Vater, erhub er voll froher Verwundrung die Stimme, Jeſus, der große Prophet, koͤmmt in die Graͤber hernieder. Satan hoͤrt es, und ſahe beſtuͤrzt durch die Oeffnung des Grabmals. So ſehn Gotteslaͤugner, der Poͤbel, aus duͤſtern Gewoͤlben, Wenn das hohe Gewitter am donnernden Himmel heraufzieht, Und der Rache gefuͤrchtete Wagen in Wolken ſich waͤlzen. Satan hatte bisher nur Samma von ferne gepeinigt. Aus den tiefſten entlegenſten Enden des naͤchtlichen Grabmals Sandt er langſame Plagen hervor. Jtzt erhub er ſich wieder Ruͤſtete ſich mit Todesſchrecken, und ſtuͤrzt auf Samma. Sam-

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/50>, abgerufen am 26.04.2024.