Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite
Erster Gesang.
Jndem hatten die göttlichen Engel den Himmel verlassen,
Und sich überall schnell in der Welten Umkreis vertheilet.
Gabriel nur kam allein zur seligen Erden hernieder,
Die der benachbarte Kreis vorübergehender Sterne
Still mit einem allgegenwärtigen Morgen begrüßte.
Ringsum erschallten zugleich die neuen Namen der Erde.
Gabriel hörte die Namen: du Königinn unter den Erden,
Augenmerk aller Geschöpfe, vertrauteste Freundinn des Himmels,
Anderer Wohnplatz der Herrlichkeit Gottes, unsterbliche Zeuginn
Jener geheimen erhabenen Thaten des großen Meßias!
Also ertönte der Umkreis von englischen Stimmen belebet.
Gabriel hört es und kam mit verweilendem Fluge zur Erden.
Hier sank Schlummer und Kühlung noch in die Thäler hernieder,
Dunkle gesellige Wolken verhüllten noch ihre Gebirge.
Gabriel gieng in der Nacht, und suchte mit sehnlichen Blicken
Seinen Meßias. Er fand ihn in einem niedrigen Thale,
Das sich zwischen den Gipfel des himmlischen Oelbergs hinabließ.
Hier war der göttliche Mittler, von tiefen Gedanken ermüdet,
Eingeschlafen. Natur, du mußtest zu seinem Haupte,
Also sagt er dir schlummernd, leichttragende Blumen erschaffen.
Gabriel sah den Meßias in süßem luftigen Schlafe,
Stand voll Verwunderung still, und sah unverwandt nach der Schönheit,
Die die vereinbarte Gottheit der menschlichen Bildung ertheilte.
Ruhige Liebe, die Züge des göttlichen Lächelns voll Gnade,
Huld und Milde, noch Thränen der ewigtreuen Erbarmung,
Zeigten den Geist des Menschenfreundes in einem Gesichte;
Doch
B 4
Erſter Geſang.
Jndem hatten die goͤttlichen Engel den Himmel verlaſſen,
Und ſich uͤberall ſchnell in der Welten Umkreis vertheilet.
Gabriel nur kam allein zur ſeligen Erden hernieder,
Die der benachbarte Kreis voruͤbergehender Sterne
Still mit einem allgegenwaͤrtigen Morgen begruͤßte.
Ringsum erſchallten zugleich die neuen Namen der Erde.
Gabriel hoͤrte die Namen: du Koͤniginn unter den Erden,
Augenmerk aller Geſchoͤpfe, vertrauteſte Freundinn des Himmels,
Anderer Wohnplatz der Herrlichkeit Gottes, unſterbliche Zeuginn
Jener geheimen erhabenen Thaten des großen Meßias!
Alſo ertoͤnte der Umkreis von engliſchen Stimmen belebet.
Gabriel hoͤrt es und kam mit verweilendem Fluge zur Erden.
Hier ſank Schlummer und Kuͤhlung noch in die Thaͤler hernieder,
Dunkle geſellige Wolken verhuͤllten noch ihre Gebirge.
Gabriel gieng in der Nacht, und ſuchte mit ſehnlichen Blicken
Seinen Meßias. Er fand ihn in einem niedrigen Thale,
Das ſich zwiſchen den Gipfel des himmliſchen Oelbergs hinabließ.
Hier war der goͤttliche Mittler, von tiefen Gedanken ermuͤdet,
Eingeſchlafen. Natur, du mußteſt zu ſeinem Haupte,
Alſo ſagt er dir ſchlummernd, leichttragende Blumen erſchaffen.
Gabriel ſah den Meßias in ſuͤßem luftigen Schlafe,
Stand voll Verwunderung ſtill, und ſah unverwandt nach der Schoͤnheit,
Die die vereinbarte Gottheit der menſchlichen Bildung ertheilte.
Ruhige Liebe, die Zuͤge des goͤttlichen Laͤchelns voll Gnade,
Huld und Milde, noch Thraͤnen der ewigtreuen Erbarmung,
Zeigten den Geiſt des Menſchenfreundes in einem Geſichte;
Doch
B 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0035" n="23"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Er&#x017F;ter Ge&#x017F;ang.</hi> </fw><lb/>
            <lg n="32">
              <l>Jndem hatten die go&#x0364;ttlichen Engel den Himmel verla&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;ich u&#x0364;berall &#x017F;chnell in der Welten Umkreis vertheilet.</l><lb/>
              <l>Gabriel nur kam allein zur &#x017F;eligen Erden hernieder,</l><lb/>
              <l>Die der benachbarte Kreis voru&#x0364;bergehender Sterne</l><lb/>
              <l>Still mit einem allgegenwa&#x0364;rtigen Morgen begru&#x0364;ßte.</l><lb/>
              <l>Ringsum er&#x017F;challten zugleich die neuen Namen der Erde.</l><lb/>
              <l>Gabriel ho&#x0364;rte die Namen: du Ko&#x0364;niginn unter den Erden,</l><lb/>
              <l>Augenmerk aller Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe, vertraute&#x017F;te Freundinn des Himmels,</l><lb/>
              <l>Anderer Wohnplatz der Herrlichkeit Gottes, un&#x017F;terbliche Zeuginn</l><lb/>
              <l>Jener geheimen erhabenen Thaten des großen Meßias!</l><lb/>
              <l>Al&#x017F;o erto&#x0364;nte der Umkreis von engli&#x017F;chen Stimmen belebet.</l><lb/>
              <l>Gabriel ho&#x0364;rt es und kam mit verweilendem Fluge zur Erden.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="33">
              <l>Hier &#x017F;ank Schlummer und Ku&#x0364;hlung noch in die Tha&#x0364;ler hernieder,</l><lb/>
              <l>Dunkle ge&#x017F;ellige Wolken verhu&#x0364;llten noch ihre Gebirge.</l><lb/>
              <l>Gabriel gieng in der Nacht, und &#x017F;uchte mit &#x017F;ehnlichen Blicken</l><lb/>
              <l>Seinen Meßias. Er fand ihn in einem niedrigen Thale,</l><lb/>
              <l>Das &#x017F;ich zwi&#x017F;chen den Gipfel des himmli&#x017F;chen Oelbergs hinabließ.</l><lb/>
              <l>Hier war der go&#x0364;ttliche Mittler, von tiefen Gedanken ermu&#x0364;det,</l><lb/>
              <l>Einge&#x017F;chlafen. Natur, du mußte&#x017F;t zu &#x017F;einem Haupte,</l><lb/>
              <l>Al&#x017F;o &#x017F;agt er dir &#x017F;chlummernd, leichttragende Blumen er&#x017F;chaffen.</l><lb/>
              <l>Gabriel &#x017F;ah den Meßias in &#x017F;u&#x0364;ßem luftigen Schlafe,</l><lb/>
              <l>Stand voll Verwunderung &#x017F;till, und &#x017F;ah unverwandt nach der Scho&#x0364;nheit,</l><lb/>
              <l>Die die vereinbarte Gottheit der men&#x017F;chlichen Bildung ertheilte.</l><lb/>
              <l>Ruhige Liebe, die Zu&#x0364;ge des go&#x0364;ttlichen La&#x0364;chelns voll Gnade,</l><lb/>
              <l>Huld und Milde, noch Thra&#x0364;nen der ewigtreuen Erbarmung,</l><lb/>
              <l>Zeigten den Gei&#x017F;t des Men&#x017F;chenfreundes in einem Ge&#x017F;ichte;<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B 4</fw><fw place="bottom" type="catch">Doch</fw><lb/></l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0035] Erſter Geſang. Jndem hatten die goͤttlichen Engel den Himmel verlaſſen, Und ſich uͤberall ſchnell in der Welten Umkreis vertheilet. Gabriel nur kam allein zur ſeligen Erden hernieder, Die der benachbarte Kreis voruͤbergehender Sterne Still mit einem allgegenwaͤrtigen Morgen begruͤßte. Ringsum erſchallten zugleich die neuen Namen der Erde. Gabriel hoͤrte die Namen: du Koͤniginn unter den Erden, Augenmerk aller Geſchoͤpfe, vertrauteſte Freundinn des Himmels, Anderer Wohnplatz der Herrlichkeit Gottes, unſterbliche Zeuginn Jener geheimen erhabenen Thaten des großen Meßias! Alſo ertoͤnte der Umkreis von engliſchen Stimmen belebet. Gabriel hoͤrt es und kam mit verweilendem Fluge zur Erden. Hier ſank Schlummer und Kuͤhlung noch in die Thaͤler hernieder, Dunkle geſellige Wolken verhuͤllten noch ihre Gebirge. Gabriel gieng in der Nacht, und ſuchte mit ſehnlichen Blicken Seinen Meßias. Er fand ihn in einem niedrigen Thale, Das ſich zwiſchen den Gipfel des himmliſchen Oelbergs hinabließ. Hier war der goͤttliche Mittler, von tiefen Gedanken ermuͤdet, Eingeſchlafen. Natur, du mußteſt zu ſeinem Haupte, Alſo ſagt er dir ſchlummernd, leichttragende Blumen erſchaffen. Gabriel ſah den Meßias in ſuͤßem luftigen Schlafe, Stand voll Verwunderung ſtill, und ſah unverwandt nach der Schoͤnheit, Die die vereinbarte Gottheit der menſchlichen Bildung ertheilte. Ruhige Liebe, die Zuͤge des goͤttlichen Laͤchelns voll Gnade, Huld und Milde, noch Thraͤnen der ewigtreuen Erbarmung, Zeigten den Geiſt des Menſchenfreundes in einem Geſichte; Doch B 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/35
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/35>, abgerufen am 20.04.2024.