[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751.
Aber
Aber
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="7"> <l> <pb facs="#f0190" n="178"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Meßias.</hi> </fw> </l><lb/> <l>Schauernd nach! Jch ſah ihn nicht mehr, mein Auge verlor ſich</l><lb/> <l>Tief in die Nacht. So ſchlummert’ ich hin, durch Sturmwind und Donner,</l><lb/> <l>Durch das Weinen der bangen Natur, im Gefuͤhl der Verzweiflung,</l><lb/> <l>Und unſterblich. So ſah ich den Richter. Jhm gleichet das Antlitz</l><lb/> <l>Dieſes Mannes im Staube gebuͤckt, der mehr als ein Menſch iſt.</l><lb/> <l>Jſt er vielleicht des Ewigen Sohn, der gegebne Meßias?</l><lb/> <l>Jener Richter? Wie aber er leidet! Er ringt mit dem Tode!</l><lb/> <l>Er, der ſtand auf dem hohen Gerichtsſtul! Er ringt mit dem Tode!</l><lb/> <l>Ohne Maß iſt die Angſt, die ſeine goͤttliche Seele</l><lb/> <l>Rings um erſchuͤttert! Er jammert im Staube! Die ſteigenden Adern</l><lb/> <l>Bluten Todesangſt aus! Jch, dem kein Jammer verdeckt iſt,</l><lb/> <l>Der ich alle Stufen der Quaal und Verzweiflung hinabſtieg,</l><lb/> <l>Weis mit keinem Namen die Angſt der Seele zu nennen,</l><lb/> <l>Die er fuͤhlt! Mit keiner Empfindung ihm nachzuempfinden,</l><lb/> <l>Dieſen dauernden Tod! … Jn tiefer, naͤchtlicher Ferne,</l><lb/> <l>Seh ich neue Gedanken, voll wunderbarer Begriffe,</l><lb/> <l>Und in Labyrinthe verflochten, ſich gegen mich naͤhern.</l><lb/> <l>Jener Koͤnig des Himmels, der Sohn, Jehovah, des Vaters</l><lb/> <l>Ewiges Bild, ſtieg vom Himmel in eines Menſchen Leib nieder,..</l><lb/> <l>Leidet itzt fuͤr die Menſchen, ſtatt ſeiner ſterblichen Bruͤder</l><lb/> <l>Geht er hin ins Gericht! Kann ich mich himmliſcher Dinge</l><lb/> <l>Recht noch erinnern, ſo iſt mirs, als haͤtt ich von dieſem Geheimniß</l><lb/> <l>Einſt was dunkles im Himmel gehoͤrt. Auch bekraͤftigt es Satan</l><lb/> <l>Durch das, was er von ihm und ſeinen Reden erzaͤhlte.</l><lb/> <l>Und wie naͤhern die Engel ſich ihm! Wie betet ihr Antlitz</l><lb/> <l>Und die gefaltete Hand vor ihm an. Auch ſcheint die Natur hier</l><lb/> <l>Ueberall ſtill zu ſchauern, als waͤre Gott wo zugegen.</l><lb/> <l>Wenn du gehſt ins Gericht fuͤr deine ſterblichen Bruͤder,</l><lb/> <l>Wann du biſt des Ewigen Sohn, ſo will ich entfliehen;</l><lb/> <l>Daß du nicht, wenn du mich ſiehſt vor deinen Fuͤſſen hier zittern,</l><lb/> <l>Gegen mich zornig erwachſt, und auf deinen Gerichtsſtul dich hebeſt.<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Aber</fw><lb/></l> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [178/0190]
Der Meßias.
Schauernd nach! Jch ſah ihn nicht mehr, mein Auge verlor ſich
Tief in die Nacht. So ſchlummert’ ich hin, durch Sturmwind und Donner,
Durch das Weinen der bangen Natur, im Gefuͤhl der Verzweiflung,
Und unſterblich. So ſah ich den Richter. Jhm gleichet das Antlitz
Dieſes Mannes im Staube gebuͤckt, der mehr als ein Menſch iſt.
Jſt er vielleicht des Ewigen Sohn, der gegebne Meßias?
Jener Richter? Wie aber er leidet! Er ringt mit dem Tode!
Er, der ſtand auf dem hohen Gerichtsſtul! Er ringt mit dem Tode!
Ohne Maß iſt die Angſt, die ſeine goͤttliche Seele
Rings um erſchuͤttert! Er jammert im Staube! Die ſteigenden Adern
Bluten Todesangſt aus! Jch, dem kein Jammer verdeckt iſt,
Der ich alle Stufen der Quaal und Verzweiflung hinabſtieg,
Weis mit keinem Namen die Angſt der Seele zu nennen,
Die er fuͤhlt! Mit keiner Empfindung ihm nachzuempfinden,
Dieſen dauernden Tod! … Jn tiefer, naͤchtlicher Ferne,
Seh ich neue Gedanken, voll wunderbarer Begriffe,
Und in Labyrinthe verflochten, ſich gegen mich naͤhern.
Jener Koͤnig des Himmels, der Sohn, Jehovah, des Vaters
Ewiges Bild, ſtieg vom Himmel in eines Menſchen Leib nieder,..
Leidet itzt fuͤr die Menſchen, ſtatt ſeiner ſterblichen Bruͤder
Geht er hin ins Gericht! Kann ich mich himmliſcher Dinge
Recht noch erinnern, ſo iſt mirs, als haͤtt ich von dieſem Geheimniß
Einſt was dunkles im Himmel gehoͤrt. Auch bekraͤftigt es Satan
Durch das, was er von ihm und ſeinen Reden erzaͤhlte.
Und wie naͤhern die Engel ſich ihm! Wie betet ihr Antlitz
Und die gefaltete Hand vor ihm an. Auch ſcheint die Natur hier
Ueberall ſtill zu ſchauern, als waͤre Gott wo zugegen.
Wenn du gehſt ins Gericht fuͤr deine ſterblichen Bruͤder,
Wann du biſt des Ewigen Sohn, ſo will ich entfliehen;
Daß du nicht, wenn du mich ſiehſt vor deinen Fuͤſſen hier zittern,
Gegen mich zornig erwachſt, und auf deinen Gerichtsſtul dich hebeſt.
Aber
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