Auf dem Antlitz, und betete still mit gerungenen Händen. Abbadona gieng fern und voll Furcht auf dem ruhenden Boden Um den Meßias herum. Jndem trat Gabriel langsam Aus den dichten Schatten hervor, in die er gehüllt war. Abdiel zitterte schweigend zurück. Der himmlische Seraph Trat hinzu, und neigte sein Ohr nach dem Mittler herunter, Und hielt im hinschauenden Auge, voll tiefer Ehrfurcht, Eine menschliche Thräne zurück, stand denkend und hörte Nach dem Meßias herab. Und mit dem Ohre, mit dem er, Millionen Meilen entfernt, den Ewigen wandeln, Und die jauchzenden Morgensterne vom weiten sonst höret, Hört er das langsamwallende Blut des betenden Mittlers Bang von Ader zu Ader fließen. Viel lauter vernahm er, Aus den Tiefen des göttlichen Herzens, stillbetende Seufzer, Unaussprechliche, himmlische Seufzer, dem Ohre des Vaters Mehr, als aller Geschöpfe Gesang, die ewig ihn singen; Herrlicher, als die Stimme, die schuf; so hoch, als ihm selber Gott Jehovah, erklingt, wenn er, Jehovah sich nennet! Also vernahm des Meßias geheimes Leiden der Seraph. Und er hub sich von ihm empor, trat schauernd seitwärts, Faltete seine Hände zu Gott, und sahe gen Himmel. Abdiel schlug sein Auge kaum auf, da er Gabriel sahe, Da er auf einmal über sich sahe der himmlischen Schaaren, Jhrer Augen Gebet, und ihres Schweigens Gedanken, All ein Antlitz, auf dich, o Meßias, herunter gerichtet. Abdiel schauerte nur, und richtete Blicke voll Ohnmacht Auf den Meßias, der itzt aus dem noch blutigen Staube, Und aus dem Todesschweiße sein Antlitz langsam empor hub. Abdiel sah den Meßias, sein Auge ward dunkel, kaum dacht er. Da er wieder zu denken vermochte, da dacht er also. Bald verschloß er die bangen Gedanken, bald ließ er sie jammernd,
Durch
Der Meßias.
Auf dem Antlitz, und betete ſtill mit gerungenen Haͤnden. Abbadona gieng fern und voll Furcht auf dem ruhenden Boden Um den Meßias herum. Jndem trat Gabriel langſam Aus den dichten Schatten hervor, in die er gehuͤllt war. Abdiel zitterte ſchweigend zuruͤck. Der himmliſche Seraph Trat hinzu, und neigte ſein Ohr nach dem Mittler herunter, Und hielt im hinſchauenden Auge, voll tiefer Ehrfurcht, Eine menſchliche Thraͤne zuruͤck, ſtand denkend und hoͤrte Nach dem Meßias herab. Und mit dem Ohre, mit dem er, Millionen Meilen entfernt, den Ewigen wandeln, Und die jauchzenden Morgenſterne vom weiten ſonſt hoͤret, Hoͤrt er das langſamwallende Blut des betenden Mittlers Bang von Ader zu Ader fließen. Viel lauter vernahm er, Aus den Tiefen des goͤttlichen Herzens, ſtillbetende Seufzer, Unausſprechliche, himmliſche Seufzer, dem Ohre des Vaters Mehr, als aller Geſchoͤpfe Geſang, die ewig ihn ſingen; Herrlicher, als die Stimme, die ſchuf; ſo hoch, als ihm ſelber Gott Jehovah, erklingt, wenn er, Jehovah ſich nennet! Alſo vernahm des Meßias geheimes Leiden der Seraph. Und er hub ſich von ihm empor, trat ſchauernd ſeitwaͤrts, Faltete ſeine Haͤnde zu Gott, und ſahe gen Himmel. Abdiel ſchlug ſein Auge kaum auf, da er Gabriel ſahe, Da er auf einmal uͤber ſich ſahe der himmliſchen Schaaren, Jhrer Augen Gebet, und ihres Schweigens Gedanken, All ein Antlitz, auf dich, o Meßias, herunter gerichtet. Abdiel ſchauerte nur, und richtete Blicke voll Ohnmacht Auf den Meßias, der itzt aus dem noch blutigen Staube, Und aus dem Todesſchweiße ſein Antlitz langſam empor hub. Abdiel ſah den Meßias, ſein Auge ward dunkel, kaum dacht er. Da er wieder zu denken vermochte, da dacht er alſo. Bald verſchloß er die bangen Gedanken, bald ließ er ſie jammernd,
Durch
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Der Meßias.
Auf dem Antlitz, und betete ſtill mit gerungenen Haͤnden.
Abbadona gieng fern und voll Furcht auf dem ruhenden Boden
Um den Meßias herum. Jndem trat Gabriel langſam
Aus den dichten Schatten hervor, in die er gehuͤllt war.
Abdiel zitterte ſchweigend zuruͤck. Der himmliſche Seraph
Trat hinzu, und neigte ſein Ohr nach dem Mittler herunter,
Und hielt im hinſchauenden Auge, voll tiefer Ehrfurcht,
Eine menſchliche Thraͤne zuruͤck, ſtand denkend und hoͤrte
Nach dem Meßias herab. Und mit dem Ohre, mit dem er,
Millionen Meilen entfernt, den Ewigen wandeln,
Und die jauchzenden Morgenſterne vom weiten ſonſt hoͤret,
Hoͤrt er das langſamwallende Blut des betenden Mittlers
Bang von Ader zu Ader fließen. Viel lauter vernahm er,
Aus den Tiefen des goͤttlichen Herzens, ſtillbetende Seufzer,
Unausſprechliche, himmliſche Seufzer, dem Ohre des Vaters
Mehr, als aller Geſchoͤpfe Geſang, die ewig ihn ſingen;
Herrlicher, als die Stimme, die ſchuf; ſo hoch, als ihm ſelber
Gott Jehovah, erklingt, wenn er, Jehovah ſich nennet!
Alſo vernahm des Meßias geheimes Leiden der Seraph.
Und er hub ſich von ihm empor, trat ſchauernd ſeitwaͤrts,
Faltete ſeine Haͤnde zu Gott, und ſahe gen Himmel.
Abdiel ſchlug ſein Auge kaum auf, da er Gabriel ſahe,
Da er auf einmal uͤber ſich ſahe der himmliſchen Schaaren,
Jhrer Augen Gebet, und ihres Schweigens Gedanken,
All ein Antlitz, auf dich, o Meßias, herunter gerichtet.
Abdiel ſchauerte nur, und richtete Blicke voll Ohnmacht
Auf den Meßias, der itzt aus dem noch blutigen Staube,
Und aus dem Todesſchweiße ſein Antlitz langſam empor hub.
Abdiel ſah den Meßias, ſein Auge ward dunkel, kaum dacht er.
Da er wieder zu denken vermochte, da dacht er alſo.
Bald verſchloß er die bangen Gedanken, bald ließ er ſie jammernd,
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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/188>, abgerufen am 16.07.2024.
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