Jhr schweigt alle? Kein einziger singt von dem ewigen Sohne? Alle Flügel hat über sich her, und über ihr Antlitz, Bang die Natur verbreitet, den Ewigen anzubeten? Willst du dich, Gott, aufmachen, und über eine der Erden Weltgericht halten? Denn so ist das Angesicht eines Verderbers! Dieß sind Blicke des ernsten Gerichts! Oder hast du beschlossen, Satans Reich zu zerstören? Den Lästrer Gottes zu schlagen? Willst du ausziehn, im Dunkeln daher, den ewigen Sünder Zu vernichten? Und um ihn herum die Tiefen der Hölle? Soll sein Name nicht mehr im Buche der Lebenden stehen, Die du erschufst? Und er unter den Ewigen ganz vertilgt seyn? Oder willst du ihn nur, an seines Thrones Gebirgen, Jhn und sein Haupt zerschmettern? Damit er sinnlos im Staube Vor dir liege, gedrückt von der Nacht, und deinem Donner? Daß das Heulen seiner Verzweiflung die Höll und der Himmel, Und die Welten vernehmen, und ein Gestirne dem andern Jm Vorübergehn sage: da liegt er verderbt, der Empörer! Wenn du das willst, so wafne mich, Gott, und laß mich mit ausziehn, Gegen des Schrecklichen Angesicht! Gieb mir aus diesen Gewittern Tausend Donner, und Nacht um mich her, und göttliche Stärke, Daß ich, deinem Antlitz vorüber, im Thore des Todes, Deiner Feinde hochdrohende Häupter zu tausenden schlage. Ach wie schrecklich bist du! Wie sendet dein tödtendes Auge Lauter Zorn und Gericht! Zorn, ohn Erbarmen, Jehovah! Lange schon war ich, ich schau in Ewigkeiten zurücke! Als du wurdest, o Welt, da war schon manches Jahrhundert Ueber mein Haupt vorübergeflossen, und meine Tage
Sind
Der Meßias.
Jhr ſchweigt alle? Kein einziger ſingt von dem ewigen Sohne? Alle Fluͤgel hat uͤber ſich her, und uͤber ihr Antlitz, Bang die Natur verbreitet, den Ewigen anzubeten? Willſt du dich, Gott, aufmachen, und uͤber eine der Erden Weltgericht halten? Denn ſo iſt das Angeſicht eines Verderbers! Dieß ſind Blicke des ernſten Gerichts! Oder haſt du beſchloſſen, Satans Reich zu zerſtoͤren? Den Laͤſtrer Gottes zu ſchlagen? Willſt du ausziehn, im Dunkeln daher, den ewigen Suͤnder Zu vernichten? Und um ihn herum die Tiefen der Hoͤlle? Soll ſein Name nicht mehr im Buche der Lebenden ſtehen, Die du erſchufſt? Und er unter den Ewigen ganz vertilgt ſeyn? Oder willſt du ihn nur, an ſeines Thrones Gebirgen, Jhn und ſein Haupt zerſchmettern? Damit er ſinnlos im Staube Vor dir liege, gedruͤckt von der Nacht, und deinem Donner? Daß das Heulen ſeiner Verzweiflung die Hoͤll und der Himmel, Und die Welten vernehmen, und ein Geſtirne dem andern Jm Voruͤbergehn ſage: da liegt er verderbt, der Empoͤrer! Wenn du das willſt, ſo wafne mich, Gott, und laß mich mit ausziehn, Gegen des Schrecklichen Angeſicht! Gieb mir aus dieſen Gewittern Tauſend Donner, und Nacht um mich her, und goͤttliche Staͤrke, Daß ich, deinem Antlitz voruͤber, im Thore des Todes, Deiner Feinde hochdrohende Haͤupter zu tauſenden ſchlage. Ach wie ſchrecklich biſt du! Wie ſendet dein toͤdtendes Auge Lauter Zorn und Gericht! Zorn, ohn Erbarmen, Jehovah! Lange ſchon war ich, ich ſchau in Ewigkeiten zuruͤcke! Als du wurdeſt, o Welt, da war ſchon manches Jahrhundert Ueber mein Haupt voruͤbergefloſſen, und meine Tage
Sind
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><lgtype="poem"><lgn="1"><l><pbfacs="#f0168"n="156"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Der Meßias.</hi></fw></l><lb/><l>Jhr ſchweigt alle? Kein einziger ſingt von dem ewigen Sohne?</l><lb/><l>Alle Fluͤgel hat uͤber ſich her, und uͤber ihr Antlitz,</l><lb/><l>Bang die Natur verbreitet, den Ewigen anzubeten?</l><lb/><l>Willſt du dich, Gott, aufmachen, und uͤber eine der Erden</l><lb/><l>Weltgericht halten? Denn ſo iſt das Angeſicht eines Verderbers!</l><lb/><l>Dieß ſind Blicke des ernſten Gerichts! Oder haſt du beſchloſſen,</l><lb/><l>Satans Reich zu zerſtoͤren? Den Laͤſtrer Gottes zu ſchlagen?</l><lb/><l>Willſt du ausziehn, im Dunkeln daher, den ewigen Suͤnder</l><lb/><l>Zu vernichten? Und um ihn herum die Tiefen der Hoͤlle?</l><lb/><l>Soll ſein Name nicht mehr im Buche der Lebenden ſtehen,</l><lb/><l>Die du erſchufſt? Und er unter den Ewigen ganz vertilgt ſeyn?</l><lb/><l>Oder willſt du ihn nur, an ſeines Thrones Gebirgen,</l><lb/><l>Jhn und ſein Haupt zerſchmettern? Damit er ſinnlos im Staube</l><lb/><l>Vor dir liege, gedruͤckt von der Nacht, und deinem Donner?</l><lb/><l>Daß das Heulen ſeiner Verzweiflung die Hoͤll und der Himmel,</l><lb/><l>Und die Welten vernehmen, und ein Geſtirne dem andern</l><lb/><l>Jm Voruͤbergehn ſage: da liegt er verderbt, der Empoͤrer!</l><lb/><l>Wenn du das willſt, ſo wafne mich, Gott, und laß mich mit ausziehn,</l><lb/><l>Gegen des Schrecklichen Angeſicht! Gieb mir aus dieſen Gewittern</l><lb/><l>Tauſend Donner, und Nacht um mich her, und goͤttliche Staͤrke,</l><lb/><l>Daß ich, deinem Antlitz voruͤber, im Thore des Todes,</l><lb/><l>Deiner Feinde hochdrohende Haͤupter zu tauſenden ſchlage.</l><lb/><l>Ach wie ſchrecklich biſt du! Wie ſendet dein toͤdtendes Auge</l><lb/><l>Lauter Zorn und Gericht! Zorn, ohn Erbarmen, Jehovah!</l><lb/><l>Lange ſchon war ich, ich ſchau in Ewigkeiten zuruͤcke!</l><lb/><l>Als du wurdeſt, o Welt, da war ſchon manches Jahrhundert</l><lb/><l>Ueber mein Haupt voruͤbergefloſſen, und meine Tage<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Sind</fw><lb/></l></lg></lg></div></div></body></text></TEI>
[156/0168]
Der Meßias.
Jhr ſchweigt alle? Kein einziger ſingt von dem ewigen Sohne?
Alle Fluͤgel hat uͤber ſich her, und uͤber ihr Antlitz,
Bang die Natur verbreitet, den Ewigen anzubeten?
Willſt du dich, Gott, aufmachen, und uͤber eine der Erden
Weltgericht halten? Denn ſo iſt das Angeſicht eines Verderbers!
Dieß ſind Blicke des ernſten Gerichts! Oder haſt du beſchloſſen,
Satans Reich zu zerſtoͤren? Den Laͤſtrer Gottes zu ſchlagen?
Willſt du ausziehn, im Dunkeln daher, den ewigen Suͤnder
Zu vernichten? Und um ihn herum die Tiefen der Hoͤlle?
Soll ſein Name nicht mehr im Buche der Lebenden ſtehen,
Die du erſchufſt? Und er unter den Ewigen ganz vertilgt ſeyn?
Oder willſt du ihn nur, an ſeines Thrones Gebirgen,
Jhn und ſein Haupt zerſchmettern? Damit er ſinnlos im Staube
Vor dir liege, gedruͤckt von der Nacht, und deinem Donner?
Daß das Heulen ſeiner Verzweiflung die Hoͤll und der Himmel,
Und die Welten vernehmen, und ein Geſtirne dem andern
Jm Voruͤbergehn ſage: da liegt er verderbt, der Empoͤrer!
Wenn du das willſt, ſo wafne mich, Gott, und laß mich mit ausziehn,
Gegen des Schrecklichen Angeſicht! Gieb mir aus dieſen Gewittern
Tauſend Donner, und Nacht um mich her, und goͤttliche Staͤrke,
Daß ich, deinem Antlitz voruͤber, im Thore des Todes,
Deiner Feinde hochdrohende Haͤupter zu tauſenden ſchlage.
Ach wie ſchrecklich biſt du! Wie ſendet dein toͤdtendes Auge
Lauter Zorn und Gericht! Zorn, ohn Erbarmen, Jehovah!
Lange ſchon war ich, ich ſchau in Ewigkeiten zuruͤcke!
Als du wurdeſt, o Welt, da war ſchon manches Jahrhundert
Ueber mein Haupt voruͤbergefloſſen, und meine Tage
Sind
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/168>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.