[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751.
Bester
Beſter
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="4"> <l> <pb facs="#f0134" n="122"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Meßias.</hi> </fw> </l><lb/> <l>Daß uns der Vater ſo furchtbarer Kinder im Grimme nicht anſchau!</l><lb/> <l>Staͤrke mich groſſer Gedanke, Gedanke vom Weltgerichte!</l><lb/> <l>Sey mir ein Berg Gottes, zu dem ich fliehen kann, wenn mich,</l><lb/> <l>Sterbender Meßias! Dein letzter Anblick erſchuͤttert.</l><lb/> <l>Ach, ich fuͤhl es zu ſehr, wie meine Seele bewegt wird,</l><lb/> <l>Welch ein zweyſchneidiges Schwert auf meinen Scheitel daher blinkt,</l><lb/> <l>Wenn ich deinen annahenden Tod von ferne betrachte!</l><lb/> <l>Ach vergebens, erhabner Gedanke! Vergebens erhoͤhſt du</l><lb/> <l>Meine Seele! Dem fuͤhlenden Herzen, dem Herzen voll Mitleids,</l><lb/> <l>Voll von Jammer, voll Angſt, ſind deine Donner nicht hoͤrbar!</l><lb/> <l>Du ſollſt ſterben, du goͤttlicher Juͤngling! Du, welchen mein Arm hielt,</l><lb/> <l>Als du ein Knabe noch warſt; umſchloſſen hielt dich mein Arm da,</l><lb/> <l>Druͤckte dich an mein Herz, du aber ſagteſt voll Wehmut:</l><lb/> <l>Wenn doch alle Menſchen durch mich gluͤckſeliger wuͤrden!</l><lb/> <l>Um dich ſtanden die Weiſen herum, und hoͤrten dich lehren,</l><lb/> <l>Und bewunderten dich! Unfehlbar ſtand auch der Himmel,</l><lb/> <l>Aus den ewigen Pforten, zu Legionen, gegoſſen,</l><lb/> <l>Um dich herum, und hoͤrte dich lehren, und jauchzte dir Lieder!</l><lb/> <l>Dein Arm weckte die Todten, dein Auge gebot den Gewittern,</l><lb/> <l>Und die Gewitter gehorchten dir gern. Da ruhte der Sturmwind!</l><lb/> <l>Du erhubſt dich, und giengeſt daher, da ſanken die Waſſer,</l><lb/> <l>Wie Gebirge, vor dir, und wurden Ebnen! Da giengſt du</l><lb/> <l>Auf der Stille der Waſſer! Die Himmel ſahen dich wandeln,</l><lb/> <l>Du ſollſt ſterben? … So ſtirb dann! Wenns deines erhabenen Vaters</l><lb/> <l>Heiliger Rathſchluß iſt, ſtirb! Jch aber will gehen, und weinen</l><lb/> <l>An dein Grab hin! Zum heiligen Quell der Bethlehemiten,</l><lb/> <l>Wo dich Maria gebar, da will ich weinen und ſterben!<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Beſter</fw><lb/></l> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [122/0134]
Der Meßias.
Daß uns der Vater ſo furchtbarer Kinder im Grimme nicht anſchau!
Staͤrke mich groſſer Gedanke, Gedanke vom Weltgerichte!
Sey mir ein Berg Gottes, zu dem ich fliehen kann, wenn mich,
Sterbender Meßias! Dein letzter Anblick erſchuͤttert.
Ach, ich fuͤhl es zu ſehr, wie meine Seele bewegt wird,
Welch ein zweyſchneidiges Schwert auf meinen Scheitel daher blinkt,
Wenn ich deinen annahenden Tod von ferne betrachte!
Ach vergebens, erhabner Gedanke! Vergebens erhoͤhſt du
Meine Seele! Dem fuͤhlenden Herzen, dem Herzen voll Mitleids,
Voll von Jammer, voll Angſt, ſind deine Donner nicht hoͤrbar!
Du ſollſt ſterben, du goͤttlicher Juͤngling! Du, welchen mein Arm hielt,
Als du ein Knabe noch warſt; umſchloſſen hielt dich mein Arm da,
Druͤckte dich an mein Herz, du aber ſagteſt voll Wehmut:
Wenn doch alle Menſchen durch mich gluͤckſeliger wuͤrden!
Um dich ſtanden die Weiſen herum, und hoͤrten dich lehren,
Und bewunderten dich! Unfehlbar ſtand auch der Himmel,
Aus den ewigen Pforten, zu Legionen, gegoſſen,
Um dich herum, und hoͤrte dich lehren, und jauchzte dir Lieder!
Dein Arm weckte die Todten, dein Auge gebot den Gewittern,
Und die Gewitter gehorchten dir gern. Da ruhte der Sturmwind!
Du erhubſt dich, und giengeſt daher, da ſanken die Waſſer,
Wie Gebirge, vor dir, und wurden Ebnen! Da giengſt du
Auf der Stille der Waſſer! Die Himmel ſahen dich wandeln,
Du ſollſt ſterben? … So ſtirb dann! Wenns deines erhabenen Vaters
Heiliger Rathſchluß iſt, ſtirb! Jch aber will gehen, und weinen
An dein Grab hin! Zum heiligen Quell der Bethlehemiten,
Wo dich Maria gebar, da will ich weinen und ſterben!
Beſter
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