leiden haben. Diese Secte wird immer kleiner, weil ihre beyden Spröslinge die Oberhand täg- lich mehr bekommen. Die wenigen übrigen Sectierer von der alten Art zweifeln bloß aus Liebhaberey des Grillenfangs. Die beyden sehr zunehmenden Spröslinge sind: Die Schwarzsüchtigen, die aus Schwermut zwei- feln; und die Gerntäuscher, die ihren Zwei- feln recht nach Herzens Lust nachhängen. Wir dulden ferner: Die deistischen Herrnhuter. Sie lehren, daß es ohne einen gewissen Sinn ganz und gar keine Glükseligkeit gebe. Die Wolgesitteten. Weil es in einigen Geselschaf- ten der grossen Welt wider den Wolstand ist, ein Christ zu seyn, und die Wolgesitteten kein höheres Glük kennen, als dort nur so eben an- kriechen zu dürfen, so verleugnen sie das Chri- stenthum, von dem sie so wenig, als von der wahren Lehre der Freygeister oder von ihren Jrlehren wissen. Die Spottgläubigen. Die- se haben ein so schwaches Gehirn, daß die Spötterey bey ihnen einen eben so unwider- stehlichen Eindruk macht, als die immer wie- derkommenden Einbildungen der Schwermü- tigen bey diesen zu machen pflegen. Bey ih- nen hält keine Untersuchung gegen die Bilder stand, die ihnen von Spöttereyen über die christliche Religion, glüklichen, oder unglük-
lichen,
leiden haben. Dieſe Secte wird immer kleiner, weil ihre beyden Sproͤslinge die Oberhand taͤg- lich mehr bekommen. Die wenigen uͤbrigen Sectierer von der alten Art zweifeln bloß aus Liebhaberey des Grillenfangs. Die beyden ſehr zunehmenden Sproͤslinge ſind: Die Schwarzſuͤchtigen, die aus Schwermut zwei- feln; und die Gerntaͤuſcher, die ihren Zwei- feln recht nach Herzens Luſt nachhaͤngen. Wir dulden ferner: Die deiſtiſchen Herrnhuter. Sie lehren, daß es ohne einen gewiſſen Sinn ganz und gar keine Gluͤkſeligkeit gebe. Die Wolgeſitteten. Weil es in einigen Geſelſchaf- ten der groſſen Welt wider den Wolſtand iſt, ein Chriſt zu ſeyn, und die Wolgeſitteten kein hoͤheres Gluͤk kennen, als dort nur ſo eben an- kriechen zu duͤrfen, ſo verleugnen ſie das Chri- ſtenthum, von dem ſie ſo wenig, als von der wahren Lehre der Freygeiſter oder von ihren Jrlehren wiſſen. Die Spottglaͤubigen. Die- ſe haben ein ſo ſchwaches Gehirn, daß die Spoͤtterey bey ihnen einen eben ſo unwider- ſtehlichen Eindruk macht, als die immer wie- derkommenden Einbildungen der Schwermuͤ- tigen bey dieſen zu machen pflegen. Bey ih- nen haͤlt keine Unterſuchung gegen die Bilder ſtand, die ihnen von Spoͤttereyen uͤber die chriſtliche Religion, gluͤklichen, oder ungluͤk-
lichen,
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leiden haben. Dieſe Secte wird immer kleiner,
weil ihre beyden Sproͤslinge die Oberhand taͤg-
lich mehr bekommen. Die wenigen uͤbrigen
Sectierer von der alten Art zweifeln bloß aus
Liebhaberey des Grillenfangs. Die beyden
ſehr zunehmenden Sproͤslinge ſind: Die
Schwarzſuͤchtigen, die aus Schwermut zwei-
feln; und die Gerntaͤuſcher, die ihren Zwei-
feln recht nach Herzens Luſt nachhaͤngen. Wir
dulden ferner: Die deiſtiſchen Herrnhuter.
Sie lehren, daß es ohne einen gewiſſen Sinn
ganz und gar keine Gluͤkſeligkeit gebe. Die
Wolgeſitteten. Weil es in einigen Geſelſchaf-
ten der groſſen Welt wider den Wolſtand iſt,
ein Chriſt zu ſeyn, und die Wolgeſitteten kein
hoͤheres Gluͤk kennen, als dort nur ſo eben an-
kriechen zu duͤrfen, ſo verleugnen ſie das Chri-
ſtenthum, von dem ſie ſo wenig, als von der
wahren Lehre der Freygeiſter oder von ihren
Jrlehren wiſſen. Die Spottglaͤubigen. Die-
ſe haben ein ſo ſchwaches Gehirn, daß die
Spoͤtterey bey ihnen einen eben ſo unwider-
ſtehlichen Eindruk macht, als die immer wie-
derkommenden Einbildungen der Schwermuͤ-
tigen bey dieſen zu machen pflegen. Bey ih-
nen haͤlt keine Unterſuchung gegen die Bilder
ſtand, die ihnen von Spoͤttereyen uͤber die
chriſtliche Religion, gluͤklichen, oder ungluͤk-
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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/444>, abgerufen am 22.11.2024.
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