Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite

Meister seyn wolle; aber Mann und Knabe
solten auch nicht 'mal etliche Laut und Buch-
siaben mit 'nander überein haben; und Mei-
sterer solte lieber: arger Gesell, oder wie man
sonst wolt, geheissen werden.

Die drey Wege.

Der Kritikbeflissene schlägt vornämlich drey
Wege ein, auf welchen er den kurzsichtigen Le-
ser irre führt; und demjenigen, der sich so
nicht führen läst, und weiß, daß er auch eine
Stimme habe, lächerlich, und, nach Gele-
genheit, auch wol verächtlich wird.

Er wendet wahre theoretische Säze unrich-
tig
an; dieß nur selten, denn die wahren sind
ihm gar wenig bekant.

Manchmal verfält er auch auf eine richtige
Anwendung; aber gewönlich sind die so ange-
wandten Säze falsch. Von diesen wimmelt
es zwar in den Lehrbüchern; aber keine geringe
Anzahl derselben wächst auch dem Kritikbeflis-
senen, während daß er seine Aufsäze verfasset,
unter der Hand wie Erdschwämme auf.

Was am meisten belustigt ist die unrichtige
Anwendung falscher Säze. Erst stelle man
sich so manchen lieben Leser vor, dem hier wahr
und richtig weder kalt noch warm geben; und

dann,

Meiſter ſeyn wolle; aber Mann und Knabe
ſolten auch nicht ’mal etliche Laut und Buch-
ſiaben mit ’nander uͤberein haben; und Mei-
ſterer ſolte lieber: arger Geſell, oder wie man
ſonſt wolt, geheiſſen werden.

Die drey Wege.

Der Kritikbefliſſene ſchlaͤgt vornaͤmlich drey
Wege ein, auf welchen er den kurzſichtigen Le-
ſer irre fuͤhrt; und demjenigen, der ſich ſo
nicht fuͤhren laͤſt, und weiß, daß er auch eine
Stimme habe, laͤcherlich, und, nach Gele-
genheit, auch wol veraͤchtlich wird.

Er wendet wahre theoretiſche Saͤze unrich-
tig
an; dieß nur ſelten, denn die wahren ſind
ihm gar wenig bekant.

Manchmal verfaͤlt er auch auf eine richtige
Anwendung; aber gewoͤnlich ſind die ſo ange-
wandten Saͤze falſch. Von dieſen wimmelt
es zwar in den Lehrbuͤchern; aber keine geringe
Anzahl derſelben waͤchſt auch dem Kritikbefliſ-
ſenen, waͤhrend daß er ſeine Aufſaͤze verfaſſet,
unter der Hand wie Erdſchwaͤmme auf.

Was am meiſten beluſtigt iſt die unrichtige
Anwendung falſcher Saͤze. Erſt ſtelle man
ſich ſo manchen lieben Leſer vor, dem hier wahr
und richtig weder kalt noch warm geben; und

dann,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0244" n="168"/>
Mei&#x017F;ter &#x017F;eyn wolle; aber <hi rendition="#fr">Mann</hi> und <hi rendition="#fr">Knabe</hi><lb/>
&#x017F;olten auch nicht &#x2019;mal etliche Laut und Buch-<lb/>
&#x017F;iaben mit &#x2019;nander u&#x0364;berein haben; und Mei-<lb/>
&#x017F;terer &#x017F;olte lieber: arger Ge&#x017F;ell, oder wie man<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t wolt, gehei&#x017F;&#x017F;en werden.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>Die drey Wege.</head><lb/>
            <p>Der Kritikbefli&#x017F;&#x017F;ene &#x017F;chla&#x0364;gt vorna&#x0364;mlich drey<lb/>
Wege ein, auf welchen er den kurz&#x017F;ichtigen Le-<lb/>
&#x017F;er irre fu&#x0364;hrt; und demjenigen, der &#x017F;ich &#x017F;o<lb/>
nicht fu&#x0364;hren la&#x0364;&#x017F;t, und weiß, daß er auch eine<lb/>
Stimme habe, la&#x0364;cherlich, und, nach Gele-<lb/>
genheit, auch wol vera&#x0364;chtlich wird.</p><lb/>
            <p>Er wendet <hi rendition="#fr">wahre</hi> theoreti&#x017F;che Sa&#x0364;ze <hi rendition="#fr">unrich-<lb/>
tig</hi> an; dieß nur &#x017F;elten, denn die wahren &#x017F;ind<lb/>
ihm gar wenig bekant.</p><lb/>
            <p>Manchmal verfa&#x0364;lt er auch auf eine <hi rendition="#fr">richtige</hi><lb/>
Anwendung; aber gewo&#x0364;nlich &#x017F;ind die &#x017F;o ange-<lb/>
wandten Sa&#x0364;ze <hi rendition="#fr">fal&#x017F;ch.</hi> Von die&#x017F;en wimmelt<lb/>
es zwar in den Lehrbu&#x0364;chern; aber keine geringe<lb/>
Anzahl der&#x017F;elben wa&#x0364;ch&#x017F;t auch dem Kritikbefli&#x017F;-<lb/>
&#x017F;enen, wa&#x0364;hrend daß er &#x017F;eine Auf&#x017F;a&#x0364;ze verfa&#x017F;&#x017F;et,<lb/>
unter der Hand wie Erd&#x017F;chwa&#x0364;mme auf.</p><lb/>
            <p>Was am mei&#x017F;ten belu&#x017F;tigt i&#x017F;t die <hi rendition="#fr">unrichtige</hi><lb/>
Anwendung <hi rendition="#fr">fal&#x017F;cher</hi> Sa&#x0364;ze. Er&#x017F;t &#x017F;telle man<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;o manchen lieben Le&#x017F;er vor, dem hier <hi rendition="#fr">wahr</hi><lb/>
und <hi rendition="#fr">richtig</hi> weder kalt noch warm geben; und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">dann,</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[168/0244] Meiſter ſeyn wolle; aber Mann und Knabe ſolten auch nicht ’mal etliche Laut und Buch- ſiaben mit ’nander uͤberein haben; und Mei- ſterer ſolte lieber: arger Geſell, oder wie man ſonſt wolt, geheiſſen werden. Die drey Wege. Der Kritikbefliſſene ſchlaͤgt vornaͤmlich drey Wege ein, auf welchen er den kurzſichtigen Le- ſer irre fuͤhrt; und demjenigen, der ſich ſo nicht fuͤhren laͤſt, und weiß, daß er auch eine Stimme habe, laͤcherlich, und, nach Gele- genheit, auch wol veraͤchtlich wird. Er wendet wahre theoretiſche Saͤze unrich- tig an; dieß nur ſelten, denn die wahren ſind ihm gar wenig bekant. Manchmal verfaͤlt er auch auf eine richtige Anwendung; aber gewoͤnlich ſind die ſo ange- wandten Saͤze falſch. Von dieſen wimmelt es zwar in den Lehrbuͤchern; aber keine geringe Anzahl derſelben waͤchſt auch dem Kritikbefliſ- ſenen, waͤhrend daß er ſeine Aufſaͤze verfaſſet, unter der Hand wie Erdſchwaͤmme auf. Was am meiſten beluſtigt iſt die unrichtige Anwendung falſcher Saͤze. Erſt ſtelle man ſich ſo manchen lieben Leſer vor, dem hier wahr und richtig weder kalt noch warm geben; und dann,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/244
Zitationshilfe: Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/244>, abgerufen am 23.11.2024.