Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht gefehlt, Streit anfangen würdet, indem
ihr eben hundert Schritte irre gegangen wärt.
Zudem so hab ich noch dieß und jenes inner-
halb
zu thun, und also keine Zeit übrig, selbst
mit bessern Streitern, als ihr seyd, in die
Schranken zu gehn.

Am besten an der Anwendung zu kennen.

Sind ihrer manche, die vielerley Reguln
und Richtschnuren fertigen, wie der Dichter
es solle machen, wenn er dichtet. Sind
ihrer aber eben so wenige, die das Ding mit
den Richtschnuren recht inne haben, als klein
guter Dichter Zahl ist. Da sezen sich nun die
Regulgeber hin, und meinen's auszugrübeln,
was da Natur sey, und kennen doch keine Er-
fahrung;
und ertappen sie ja 'mal was, das
nach Natur aussieht, so können sie doch nicht
damit umgehn, stellen's schief hin, werfen's
durch 'nander; und wenn's nun gar recht zu
dem geht, worauf's allein ankomt, so wissen
sie vollends weder aus noch ein. Da sieht
man's denn, wenn sie sich selbst was unter-
fangen, und mit ihrem Schiflein auf's weite
Meer hinausfahren, da bleiben sie auf allen
Sandbänken sizen, und ist kein Fels wo, auf
den sie nicht stossen.

Mit-
L 2

nicht gefehlt, Streit anfangen wuͤrdet, indem
ihr eben hundert Schritte irre gegangen waͤrt.
Zudem ſo hab ich noch dieß und jenes inner-
halb
zu thun, und alſo keine Zeit uͤbrig, ſelbſt
mit beſſern Streitern, als ihr ſeyd, in die
Schranken zu gehn.

Am beſten an der Anwendung zu kennen.

Sind ihrer manche, die vielerley Reguln
und Richtſchnuren fertigen, wie der Dichter
es ſolle machen, wenn er dichtet. Sind
ihrer aber eben ſo wenige, die das Ding mit
den Richtſchnuren recht inne haben, als klein
guter Dichter Zahl iſt. Da ſezen ſich nun die
Regulgeber hin, und meinen’s auszugruͤbeln,
was da Natur ſey, und kennen doch keine Er-
fahrung;
und ertappen ſie ja ’mal was, das
nach Natur ausſieht, ſo koͤnnen ſie doch nicht
damit umgehn, ſtellen’s ſchief hin, werfen’s
durch ’nander; und wenn’s nun gar recht zu
dem geht, worauf’s allein ankomt, ſo wiſſen
ſie vollends weder aus noch ein. Da ſieht
man’s denn, wenn ſie ſich ſelbſt was unter-
fangen, und mit ihrem Schiflein auf’s weite
Meer hinausfahren, da bleiben ſie auf allen
Sandbaͤnken ſizen, und iſt kein Fels wo, auf
den ſie nicht ſtoſſen.

Mit-
L 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0239" n="163"/>
nicht gefehlt, Streit anfangen wu&#x0364;rdet, indem<lb/>
ihr eben hundert Schritte irre gegangen wa&#x0364;rt.<lb/>
Zudem &#x017F;o hab ich noch dieß und jenes <hi rendition="#fr">inner-<lb/>
halb</hi> zu thun, und al&#x017F;o keine Zeit u&#x0364;brig, &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
mit be&#x017F;&#x017F;ern Streitern, als ihr &#x017F;eyd, in die<lb/>
Schranken zu gehn.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>Am be&#x017F;ten an der Anwendung zu kennen.</head><lb/>
            <p>Sind ihrer manche, die vielerley Reguln<lb/>
und Richt&#x017F;chnuren fertigen, wie der Dichter<lb/>
es &#x017F;olle machen, wenn er dichtet. Sind<lb/>
ihrer aber eben &#x017F;o wenige, die das Ding mit<lb/>
den Richt&#x017F;chnuren recht inne haben, als klein<lb/>
guter Dichter Zahl i&#x017F;t. Da &#x017F;ezen &#x017F;ich nun die<lb/>
Regulgeber hin, und meinen&#x2019;s auszugru&#x0364;beln,<lb/>
was da Natur &#x017F;ey, und kennen doch keine <hi rendition="#fr">Er-<lb/>
fahrung;</hi> und ertappen &#x017F;ie ja &#x2019;mal was, das<lb/>
nach Natur aus&#x017F;ieht, &#x017F;o ko&#x0364;nnen &#x017F;ie doch nicht<lb/>
damit umgehn, &#x017F;tellen&#x2019;s &#x017F;chief hin, werfen&#x2019;s<lb/>
durch &#x2019;nander; und wenn&#x2019;s nun gar recht zu<lb/>
dem geht, worauf&#x2019;s allein ankomt, &#x017F;o wi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ie vollends weder aus noch ein. Da &#x017F;ieht<lb/>
man&#x2019;s denn, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t was unter-<lb/>
fangen, und mit ihrem Schiflein auf&#x2019;s weite<lb/>
Meer hinausfahren, da bleiben &#x017F;ie auf allen<lb/>
Sandba&#x0364;nken &#x017F;izen, und i&#x017F;t kein Fels wo, auf<lb/>
den &#x017F;ie nicht &#x017F;to&#x017F;&#x017F;en.</p>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">L 2</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Mit-</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[163/0239] nicht gefehlt, Streit anfangen wuͤrdet, indem ihr eben hundert Schritte irre gegangen waͤrt. Zudem ſo hab ich noch dieß und jenes inner- halb zu thun, und alſo keine Zeit uͤbrig, ſelbſt mit beſſern Streitern, als ihr ſeyd, in die Schranken zu gehn. Am beſten an der Anwendung zu kennen. Sind ihrer manche, die vielerley Reguln und Richtſchnuren fertigen, wie der Dichter es ſolle machen, wenn er dichtet. Sind ihrer aber eben ſo wenige, die das Ding mit den Richtſchnuren recht inne haben, als klein guter Dichter Zahl iſt. Da ſezen ſich nun die Regulgeber hin, und meinen’s auszugruͤbeln, was da Natur ſey, und kennen doch keine Er- fahrung; und ertappen ſie ja ’mal was, das nach Natur ausſieht, ſo koͤnnen ſie doch nicht damit umgehn, ſtellen’s ſchief hin, werfen’s durch ’nander; und wenn’s nun gar recht zu dem geht, worauf’s allein ankomt, ſo wiſſen ſie vollends weder aus noch ein. Da ſieht man’s denn, wenn ſie ſich ſelbſt was unter- fangen, und mit ihrem Schiflein auf’s weite Meer hinausfahren, da bleiben ſie auf allen Sandbaͤnken ſizen, und iſt kein Fels wo, auf den ſie nicht ſtoſſen. Mit- L 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/239
Zitationshilfe: Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/239>, abgerufen am 24.11.2024.