Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite

um, sagte: Jst niedrig Buschwerk, wird
etwa für einen Weidmann geconterfeyt seyn.
Der andre fühlte auf der rechten Seite her-
um, sagte: Hügel sind's, etliche nur, all das
andre ist Ebne. Trat noch ein Blinder, ihr
guter Gesell, herein, ließ sich den Zwist er-
zählen, fühlte auf dem glatten Ramen her-
um, sagte: Was? Stilles ebnes Meer ist's,
worinn sich die liebe Sonne spiegelt. Hatten
die Blinden einen andern guten Gesellen, der
kont sehen. Da sie selbigem nun den Zwist
der Länge nach hatten erzählt, sprach er: Bin
hergewandert, euch zur Musika einzuladen,
weil mir ein treflicher Geiger ankommen ist.
Habt wol eh davon sagen hören, daß unter
Zeiten der Himmel voller Geigen hinge. Da
hat er eine herabgenommen, so spielt er!
Aber die Streitigkeit? So komt doch. Jch
mag die Schilderey nicht ausehn; sie betrübt
mich nur. 's ist Hermann, der von seinen
eignen Blutsfreunden ermordet wird! Aber
komt immer. Der Mann wartet in der Laub
auf uns, und still ist's, und Mondschein auch.

Doch sie spotteten nur des Sehenden, foch-
ten das Ding fernerhin unter sich aus, und
liessen ihn allein zum Geiger gehen.

Bring du diese Gleichnisrede, die dir etwa
allzu lügenhaftig vorkommen mag, bey der

An-
L

um, ſagte: Jſt niedrig Buſchwerk, wird
etwa fuͤr einen Weidmann geconterfeyt ſeyn.
Der andre fuͤhlte auf der rechten Seite her-
um, ſagte: Huͤgel ſind’s, etliche nur, all das
andre iſt Ebne. Trat noch ein Blinder, ihr
guter Geſell, herein, ließ ſich den Zwiſt er-
zaͤhlen, fuͤhlte auf dem glatten Ramen her-
um, ſagte: Was? Stilles ebnes Meer iſt’s,
worinn ſich die liebe Sonne ſpiegelt. Hatten
die Blinden einen andern guten Geſellen, der
kont ſehen. Da ſie ſelbigem nun den Zwiſt
der Laͤnge nach hatten erzaͤhlt, ſprach er: Bin
hergewandert, euch zur Muſika einzuladen,
weil mir ein treflicher Geiger ankommen iſt.
Habt wol eh davon ſagen hoͤren, daß unter
Zeiten der Himmel voller Geigen hinge. Da
hat er eine herabgenommen, ſo ſpielt er!
Aber die Streitigkeit? So komt doch. Jch
mag die Schilderey nicht auſehn; ſie betruͤbt
mich nur. ’s iſt Hermann, der von ſeinen
eignen Blutsfreunden ermordet wird! Aber
komt immer. Der Mann wartet in der Laub
auf uns, und ſtill iſt’s, und Mondſchein auch.

Doch ſie ſpotteten nur des Sehenden, foch-
ten das Ding fernerhin unter ſich aus, und
lieſſen ihn allein zum Geiger gehen.

Bring du dieſe Gleichnisrede, die dir etwa
allzu luͤgenhaftig vorkommen mag, bey der

An-
L
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0237" n="161"/>
um, &#x017F;agte: J&#x017F;t niedrig Bu&#x017F;chwerk, wird<lb/>
etwa fu&#x0364;r einen Weidmann geconterfeyt &#x017F;eyn.<lb/>
Der andre fu&#x0364;hlte auf der rechten Seite her-<lb/>
um, &#x017F;agte: Hu&#x0364;gel &#x017F;ind&#x2019;s, etliche nur, all das<lb/>
andre i&#x017F;t Ebne. Trat noch ein Blinder, ihr<lb/>
guter Ge&#x017F;ell, herein, ließ &#x017F;ich den Zwi&#x017F;t er-<lb/>
za&#x0364;hlen, fu&#x0364;hlte auf dem glatten Ramen her-<lb/>
um, &#x017F;agte: Was? Stilles ebnes Meer i&#x017F;t&#x2019;s,<lb/>
worinn &#x017F;ich die liebe Sonne &#x017F;piegelt. Hatten<lb/>
die Blinden einen andern guten Ge&#x017F;ellen, der<lb/>
kont &#x017F;ehen. Da &#x017F;ie &#x017F;elbigem nun den Zwi&#x017F;t<lb/>
der La&#x0364;nge nach hatten erza&#x0364;hlt, &#x017F;prach er: Bin<lb/>
hergewandert, euch zur Mu&#x017F;ika einzuladen,<lb/>
weil mir ein treflicher Geiger ankommen i&#x017F;t.<lb/>
Habt wol eh davon &#x017F;agen ho&#x0364;ren, daß unter<lb/>
Zeiten der Himmel voller Geigen hinge. Da<lb/>
hat er eine herabgenommen, &#x017F;o &#x017F;pielt er!<lb/><hi rendition="#fr">Aber die Streitigkeit?</hi> So komt doch. Jch<lb/>
mag die Schilderey nicht au&#x017F;ehn; &#x017F;ie betru&#x0364;bt<lb/>
mich nur. &#x2019;s i&#x017F;t Hermann, der von &#x017F;einen<lb/>
eignen Blutsfreunden ermordet wird! Aber<lb/>
komt immer. Der Mann wartet in der Laub<lb/>
auf uns, und &#x017F;till i&#x017F;t&#x2019;s, und Mond&#x017F;chein auch.</p><lb/>
            <p>Doch &#x017F;ie &#x017F;potteten nur des Sehenden, foch-<lb/>
ten das Ding fernerhin unter &#x017F;ich aus, und<lb/>
lie&#x017F;&#x017F;en ihn allein zum Geiger gehen.</p><lb/>
            <p>Bring du die&#x017F;e Gleichnisrede, die dir etwa<lb/>
allzu lu&#x0364;genhaftig vorkommen mag, bey der<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">L</fw><fw place="bottom" type="catch">An-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[161/0237] um, ſagte: Jſt niedrig Buſchwerk, wird etwa fuͤr einen Weidmann geconterfeyt ſeyn. Der andre fuͤhlte auf der rechten Seite her- um, ſagte: Huͤgel ſind’s, etliche nur, all das andre iſt Ebne. Trat noch ein Blinder, ihr guter Geſell, herein, ließ ſich den Zwiſt er- zaͤhlen, fuͤhlte auf dem glatten Ramen her- um, ſagte: Was? Stilles ebnes Meer iſt’s, worinn ſich die liebe Sonne ſpiegelt. Hatten die Blinden einen andern guten Geſellen, der kont ſehen. Da ſie ſelbigem nun den Zwiſt der Laͤnge nach hatten erzaͤhlt, ſprach er: Bin hergewandert, euch zur Muſika einzuladen, weil mir ein treflicher Geiger ankommen iſt. Habt wol eh davon ſagen hoͤren, daß unter Zeiten der Himmel voller Geigen hinge. Da hat er eine herabgenommen, ſo ſpielt er! Aber die Streitigkeit? So komt doch. Jch mag die Schilderey nicht auſehn; ſie betruͤbt mich nur. ’s iſt Hermann, der von ſeinen eignen Blutsfreunden ermordet wird! Aber komt immer. Der Mann wartet in der Laub auf uns, und ſtill iſt’s, und Mondſchein auch. Doch ſie ſpotteten nur des Sehenden, foch- ten das Ding fernerhin unter ſich aus, und lieſſen ihn allein zum Geiger gehen. Bring du dieſe Gleichnisrede, die dir etwa allzu luͤgenhaftig vorkommen mag, bey der An- L

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/237
Zitationshilfe: Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/237>, abgerufen am 23.11.2024.