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Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

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Der Asiatischen Banise.
liebet und gefürchtet werdet: Denn die Liebe der
Unterthanen ist die beste Festung/ und die Furcht
eine Stütze der Majestät. Die geheimen Anschlä-
ge eures Hertzens vertrauet euch allein/ und lernet
die Klugheit von der Schlange/ welche durch öff-
tere Wendung ihren Lauff unwissende macht.
Verlasset euch nicht allzusehr auff eure Majestät/
sondern gedencket allezeit/ daß ihr könnet hinter-
gangen werden. Denn ein Mensch ist das unbe-
ständigste Thier/ welchem niemahls zu trauen.
Ja ein Hoffmann schreibet die Wohlthaten in
Wachs/ die Schmach in Marmel/ und was er
andern gutes erwiesen/ in Ertzt. Dahero schlaffet
unter euren Leuten mit offenen Augen/ weil sich
offt die Heucheley unter den Mantel der Tugend
verstecket. Liebet getreue Räthe/ und befördert die
Alten: Denn ein Fürst/ welcher so viel reden und
hören muß/ solte billich von lauter Augen und Oh-
ren zusammen gesetzet seyn. Weil nun aber solches
nicht seyn kan/ so ist es nöthig/ daß er sich anderer
gebrauche. So ihr was mit Recht zu erlangen su-
chet/ so brauchet Rath und Waffen/ und betrach-
tet stets/ daß/ wo die Reiche nicht vermehret wer-
den/ solche abnehmen. Wenn ihr nun etwas mit
gutem Bedacht beschlossen habet/ so sehet zu/ daß
das Ende mit dem Anfange wohl übereinstimmet/
und vollziehet solches in möglichster Eil. Beschwe-
ret die getreuen Unterthanen nicht mit allzu gros-
sen Aufflagen/ und bedencket/ daß dieses kein Hirte/
sondern ein Tyranne ist/ welcher sich nur selbst

wei-

Der Aſiatiſchen Baniſe.
liebet und gefuͤrchtet werdet: Denn die Liebe der
Unterthanen iſt die beſte Feſtung/ und die Furcht
eine Stuͤtze der Majeſtaͤt. Die geheimen Anſchlaͤ-
ge eures Hertzens vertrauet euch allein/ und lernet
die Klugheit von der Schlange/ welche durch oͤff-
tere Wendung ihren Lauff unwiſſende macht.
Verlaſſet euch nicht allzuſehr auff eure Majeſtaͤt/
ſondern gedencket allezeit/ daß ihr koͤnnet hinter-
gangen werden. Denn ein Menſch iſt das unbe-
ſtaͤndigſte Thier/ welchem niemahls zu trauen.
Ja ein Hoffmann ſchreibet die Wohlthaten in
Wachs/ die Schmach in Marmel/ und was er
andern gutes erwieſen/ in Ertzt. Dahero ſchlaffet
unter euren Leuten mit offenen Augen/ weil ſich
offt die Heucheley unter den Mantel der Tugend
verſtecket. Liebet getreue Raͤthe/ und befoͤrdert die
Alten: Denn ein Fuͤrſt/ welcher ſo viel reden und
hoͤren muß/ ſolte billich von lauter Augen und Oh-
ren zuſammen geſetzet ſeyn. Weil nun aber ſolches
nicht ſeyn kan/ ſo iſt es noͤthig/ daß er ſich anderer
gebrauche. So ihr was mit Recht zu erlangen ſu-
chet/ ſo brauchet Rath und Waffen/ und betrach-
tet ſtets/ daß/ wo die Reiche nicht vermehret wer-
den/ ſolche abnehmen. Wenn ihr nun etwas mit
gutem Bedacht beſchloſſen habet/ ſo ſehet zu/ daß
das Ende mit dem Anfange wohl uͤbereinſtimmet/
und vollziehet ſolches in moͤglichſter Eil. Beſchwe-
ret die getreuen Unterthanen nicht mit allzu groſ-
ſen Aufflagen/ und bedencket/ daß dieſes kein Hirte/
ſondern ein Tyranne iſt/ welcher ſich nur ſelbſt

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[702/0722] Der Aſiatiſchen Baniſe. liebet und gefuͤrchtet werdet: Denn die Liebe der Unterthanen iſt die beſte Feſtung/ und die Furcht eine Stuͤtze der Majeſtaͤt. Die geheimen Anſchlaͤ- ge eures Hertzens vertrauet euch allein/ und lernet die Klugheit von der Schlange/ welche durch oͤff- tere Wendung ihren Lauff unwiſſende macht. Verlaſſet euch nicht allzuſehr auff eure Majeſtaͤt/ ſondern gedencket allezeit/ daß ihr koͤnnet hinter- gangen werden. Denn ein Menſch iſt das unbe- ſtaͤndigſte Thier/ welchem niemahls zu trauen. Ja ein Hoffmann ſchreibet die Wohlthaten in Wachs/ die Schmach in Marmel/ und was er andern gutes erwieſen/ in Ertzt. Dahero ſchlaffet unter euren Leuten mit offenen Augen/ weil ſich offt die Heucheley unter den Mantel der Tugend verſtecket. Liebet getreue Raͤthe/ und befoͤrdert die Alten: Denn ein Fuͤrſt/ welcher ſo viel reden und hoͤren muß/ ſolte billich von lauter Augen und Oh- ren zuſammen geſetzet ſeyn. Weil nun aber ſolches nicht ſeyn kan/ ſo iſt es noͤthig/ daß er ſich anderer gebrauche. So ihr was mit Recht zu erlangen ſu- chet/ ſo brauchet Rath und Waffen/ und betrach- tet ſtets/ daß/ wo die Reiche nicht vermehret wer- den/ ſolche abnehmen. Wenn ihr nun etwas mit gutem Bedacht beſchloſſen habet/ ſo ſehet zu/ daß das Ende mit dem Anfange wohl uͤbereinſtimmet/ und vollziehet ſolches in moͤglichſter Eil. Beſchwe- ret die getreuen Unterthanen nicht mit allzu groſ- ſen Aufflagen/ und bedencket/ daß dieſes kein Hirte/ ſondern ein Tyranne iſt/ welcher ſich nur ſelbſt wei-

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Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 702. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/722>, abgerufen am 24.11.2024.