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Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

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Drittes Buch.
müsse/ wo ein beperlter Rock der Ewigkeit meine
Schultern bedecken wird.

Wird gleich der Drat meiner zarten Jugend
zerschnitten/ und bleibet Kron und Zepter zurücke/
so wird doch meine Seele in dem gläntzenden Ni-
ba auch Sonne und Sternen an Klarheit über-
treffen. Muß gleich der artige Bau meiner Glie-
der zerbrechen/ und der Purpur meiner Wangen
und Lippen mit Todten-Farbe bestrichen werden/
so bin ich doch versichert/ daß an meinem Geiste
solcher Verlust wird tausendfach ersetzet werden.
Jch weiß zwar/ daß viel getreue Hertzen ihre
Thränen mit meinem Blute vermischen wolten/
wenn nicht ein Damm der Grausamkeit ihren
Lauff hemmete: Allein glaubet/ daß mir dieser
Trauer-Stein angenehmer/ weder der Thron zu
seyn bedüncket: Und wäre es demnach gantz un-
nöthig/ daß ihr meine Asche mit eurer Wehmuth
beflecken woltet. Ein von Lastern befreyter Geist
lässet sich den Tod nicht schrecken/ denn dieser
kömmt nur blöden Augen heßlich vor/ und ver-
wehnte Lippen wollen nicht Wermuth schmecken.
So erkenne ich mich demnach dem Kayser höchst
verpflichtet/ indem er mir hierdurch eine solche
Gunst bezeiget/ daß ich seine vorige Schatten-Lie-
be anietzo vor eine helle Sonne erkennen muß:
wenn er mir durch den Tod ein solches Geschencke
ertheilet/ welches mich weit mehr/ als keine irrdi-
sche Liebe vergnüget. Jch werde in kurtzem mit
verneuerten Lippen die besten Freunde küssen/ und

ich
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Drittes Buch.
muͤſſe/ wo ein beperlter Rock der Ewigkeit meine
Schultern bedecken wird.

Wird gleich der Drat meiner zarten Jugend
zerſchnitten/ und bleibet Kron und Zepter zuruͤcke/
ſo wird doch meine Seele in dem glaͤntzenden Ni-
ba auch Sonne und Sternen an Klarheit uͤber-
treffen. Muß gleich der artige Bau meiner Glie-
der zerbrechen/ und der Purpur meiner Wangen
und Lippen mit Todten-Farbe beſtrichen werden/
ſo bin ich doch verſichert/ daß an meinem Geiſte
ſolcher Verluſt wird tauſendfach erſetzet werden.
Jch weiß zwar/ daß viel getreue Hertzen ihre
Thraͤnen mit meinem Blute vermiſchen wolten/
wenn nicht ein Damm der Grauſamkeit ihren
Lauff hemmete: Allein glaubet/ daß mir dieſer
Trauer-Stein angenehmer/ weder der Thron zu
ſeyn beduͤncket: Und waͤre es demnach gantz un-
noͤthig/ daß ihr meine Aſche mit eurer Wehmuth
beflecken woltet. Ein von Laſtern befreyter Geiſt
laͤſſet ſich den Tod nicht ſchrecken/ denn dieſer
koͤmmt nur bloͤden Augen heßlich vor/ und ver-
wehnte Lippen wollen nicht Wermuth ſchmecken.
So erkenne ich mich demnach dem Kayſer hoͤchſt
verpflichtet/ indem er mir hierdurch eine ſolche
Gunſt bezeiget/ daß ich ſeine vorige Schatten-Lie-
be anietzo vor eine helle Sonne erkennen muß:
wenn er mir durch den Tod ein ſolches Geſchencke
ertheilet/ welches mich weit mehr/ als keine irrdi-
ſche Liebe vergnuͤget. Jch werde in kurtzem mit
verneuerten Lippen die beſten Freunde kuͤſſen/ und

ich
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[679/0699] Drittes Buch. muͤſſe/ wo ein beperlter Rock der Ewigkeit meine Schultern bedecken wird. Wird gleich der Drat meiner zarten Jugend zerſchnitten/ und bleibet Kron und Zepter zuruͤcke/ ſo wird doch meine Seele in dem glaͤntzenden Ni- ba auch Sonne und Sternen an Klarheit uͤber- treffen. Muß gleich der artige Bau meiner Glie- der zerbrechen/ und der Purpur meiner Wangen und Lippen mit Todten-Farbe beſtrichen werden/ ſo bin ich doch verſichert/ daß an meinem Geiſte ſolcher Verluſt wird tauſendfach erſetzet werden. Jch weiß zwar/ daß viel getreue Hertzen ihre Thraͤnen mit meinem Blute vermiſchen wolten/ wenn nicht ein Damm der Grauſamkeit ihren Lauff hemmete: Allein glaubet/ daß mir dieſer Trauer-Stein angenehmer/ weder der Thron zu ſeyn beduͤncket: Und waͤre es demnach gantz un- noͤthig/ daß ihr meine Aſche mit eurer Wehmuth beflecken woltet. Ein von Laſtern befreyter Geiſt laͤſſet ſich den Tod nicht ſchrecken/ denn dieſer koͤmmt nur bloͤden Augen heßlich vor/ und ver- wehnte Lippen wollen nicht Wermuth ſchmecken. So erkenne ich mich demnach dem Kayſer hoͤchſt verpflichtet/ indem er mir hierdurch eine ſolche Gunſt bezeiget/ daß ich ſeine vorige Schatten-Lie- be anietzo vor eine helle Sonne erkennen muß: wenn er mir durch den Tod ein ſolches Geſchencke ertheilet/ welches mich weit mehr/ als keine irrdi- ſche Liebe vergnuͤget. Jch werde in kurtzem mit verneuerten Lippen die beſten Freunde kuͤſſen/ und ich U u 4

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Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 679. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/699>, abgerufen am 25.11.2024.