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Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

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Drittes Buch.
stund gantz verzücket auff/ fiel dem Kinde zu Fusse/
und sprach: Jch nehme diese neue Gnade von der
Hand des HErrn an/ und verpflichte mich/ daß
ich biß in den Tod ein Vorbild der Demuth/ und
der Geringste unter den Seinigen seyn werde; da-
mit die Menschen der Erden nicht in dem Uber-
flusse vergehen. Alsdenn wurde abermahl eine
Glocke gezogen/ auff deren Schall zum andern
mahl alles Volck niederfiel/ und sprach: Geseg-
net seyst du HErr/ um so einer grossen Gnade
willen! Hier erschalleten nun wiederum alle Glo-
cken/ die Stücken aber wurden umb die gantze
Stadt scharff auff den Feind gelöset/ daß die
Mauern erschütterten.

Nach Verrichtung alles des jenigen/ wurde
der Rolim in den neuen Stuhl gesetzet/ und von
den vornehmsten Herren in die Käyserliche Burg
getragen. Der Käyser folgete abermahls zu Fus-
se nach/ solche Demuth und Andacht hatte ihm die
Noth gelehret/ und trug einen köstlichen Hauer
auff der Achsel. Als er diese Nacht in der Burg
geruhet/ wurde er in gestriger Gestalt/ doch ohne
des Käysers Gegenwart/ auff den Marckt ge-
tragen/ allda er von vielen Menigrepos/ welche
in steter Einsamkeit leben/ empfangen wurde.
Diese nun über etliche tausend starck/ giengen mit
blossen Füssen daher/ und hatten schwartze Mat-
ten um den Leib/ zum Beweiß/ daß sie die Welt
gantz verachteten. Sie trugen Hirnschalen und
Todten-Beine auff dem Haupte/ dicke Stricke

um

Drittes Buch.
ſtund gantz verzuͤcket auff/ fiel dem Kinde zu Fuſſe/
und ſprach: Jch nehme dieſe neue Gnade von der
Hand des HErrn an/ und verpflichte mich/ daß
ich biß in den Tod ein Vorbild der Demuth/ und
der Geringſte unter den Seinigen ſeyn werde; da-
mit die Menſchen der Erden nicht in dem Uber-
fluſſe vergehen. Alsdenn wurde abermahl eine
Glocke gezogen/ auff deren Schall zum andern
mahl alles Volck niederfiel/ und ſprach: Geſeg-
net ſeyſt du HErr/ um ſo einer groſſen Gnade
willen! Hier erſchalleten nun wiederum alle Glo-
cken/ die Stuͤcken aber wurden umb die gantze
Stadt ſcharff auff den Feind geloͤſet/ daß die
Mauern erſchuͤtterten.

Nach Verrichtung alles des jenigen/ wurde
der Rolim in den neuen Stuhl geſetzet/ und von
den vornehmſten Herren in die Kaͤyſerliche Burg
getragen. Der Kaͤyſer folgete abermahls zu Fuſ-
ſe nach/ ſolche Demuth und Andacht hatte ihm die
Noth gelehret/ und trug einen koͤſtlichen Hauer
auff der Achſel. Als er dieſe Nacht in der Burg
geruhet/ wurde er in geſtriger Geſtalt/ doch ohne
des Kaͤyſers Gegenwart/ auff den Marckt ge-
tragen/ allda er von vielen Menigrepos/ welche
in ſteter Einſamkeit leben/ empfangen wurde.
Dieſe nun uͤber etliche tauſend ſtarck/ giengen mit
bloſſen Fuͤſſen daher/ und hatten ſchwartze Mat-
ten um den Leib/ zum Beweiß/ daß ſie die Welt
gantz verachteten. Sie trugen Hirnſchalen und
Todten-Beine auff dem Haupte/ dicke Stricke

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[623/0643] Drittes Buch. ſtund gantz verzuͤcket auff/ fiel dem Kinde zu Fuſſe/ und ſprach: Jch nehme dieſe neue Gnade von der Hand des HErrn an/ und verpflichte mich/ daß ich biß in den Tod ein Vorbild der Demuth/ und der Geringſte unter den Seinigen ſeyn werde; da- mit die Menſchen der Erden nicht in dem Uber- fluſſe vergehen. Alsdenn wurde abermahl eine Glocke gezogen/ auff deren Schall zum andern mahl alles Volck niederfiel/ und ſprach: Geſeg- net ſeyſt du HErr/ um ſo einer groſſen Gnade willen! Hier erſchalleten nun wiederum alle Glo- cken/ die Stuͤcken aber wurden umb die gantze Stadt ſcharff auff den Feind geloͤſet/ daß die Mauern erſchuͤtterten. Nach Verrichtung alles des jenigen/ wurde der Rolim in den neuen Stuhl geſetzet/ und von den vornehmſten Herren in die Kaͤyſerliche Burg getragen. Der Kaͤyſer folgete abermahls zu Fuſ- ſe nach/ ſolche Demuth und Andacht hatte ihm die Noth gelehret/ und trug einen koͤſtlichen Hauer auff der Achſel. Als er dieſe Nacht in der Burg geruhet/ wurde er in geſtriger Geſtalt/ doch ohne des Kaͤyſers Gegenwart/ auff den Marckt ge- tragen/ allda er von vielen Menigrepos/ welche in ſteter Einſamkeit leben/ empfangen wurde. Dieſe nun uͤber etliche tauſend ſtarck/ giengen mit bloſſen Fuͤſſen daher/ und hatten ſchwartze Mat- ten um den Leib/ zum Beweiß/ daß ſie die Welt gantz verachteten. Sie trugen Hirnſchalen und Todten-Beine auff dem Haupte/ dicke Stricke um

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Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 623. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/643>, abgerufen am 22.11.2024.