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Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

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Anderes Buch.
beschlossener Raum der edlen Freyheit solte vor-
gezogen werden? Der Adler sehnet sich nach der
unbeschrenckten Lufft/ und der Löwe seuffzet in
dem Kesichte: Wie solte denn sie die Freyheit/
welche alle Schätze der Welt besieget/ und sich ihr
anträgt/ so leichtsinnig ausschlagen? Sie reitze
doch nicht die Götter durch solch verzweiffeltes
Entschliessen wider sich/ und bedencke/ daß/ wie sie
niemals unmittelbar sich denen Menschen hülff-
bar erweisen/ also sie auch mich zu einem Werck-
zeuge ihrer Wolfarth und Freyheit ausersehen ha-
ben. Die Götter/ sage ich/ haben auch mich hierzu
durch gewisse Mittel angetrieben/ nemlich durch die
Liebe/ welche wie ein Chamäleon alle Farben an-
nimt/ wenn sie nur dem Geliebten hierdurch zu ra-
then weiß. Ach so verspiele sie doch keine Zeit/ und
befördere die angebothene Flucht. Es ist zugefähr-
lich/ wendete die Princeßin ein/ ja ein Werck der
Unmögligkeit. Keine Unmögligkeit/ war Zarangs
Gegen-Rede/ denn den Göttern und der Liebe ist
nichts unmöglich. Jch habe bereits solche Anstalt
zur Flucht gemacht/ daß uns auch ein schnelles
Tyger nicht einholen soll. Hier verberge sie sich in
Eswarens entlehnte Kleider/ und gehe ungescheu-
et mit verhülletem Gesichte durch die Wache.
Jch will inzwischen mit diesem Dolche den alten
Rolim zu einem tödtlichen Stillschweigen nöthi-
gen/ mich gleichfalls der heiligen Kleidung bedie-
nen/ und unter dem Schutz der Gottheit getrost
folgen. O verzweiffelter Anschlag! antwortete

die
K k 5

Anderes Buch.
beſchloſſener Raum der edlen Freyheit ſolte vor-
gezogen werden? Der Adler ſehnet ſich nach der
unbeſchrenckten Lufft/ und der Loͤwe ſeuffzet in
dem Keſichte: Wie ſolte denn ſie die Freyheit/
welche alle Schaͤtze der Welt beſieget/ und ſich ihr
antraͤgt/ ſo leichtſinnig ausſchlagen? Sie reitze
doch nicht die Goͤtter durch ſolch verzweiffeltes
Entſchlieſſen wider ſich/ und bedencke/ daß/ wie ſie
niemals unmittelbar ſich denen Menſchen huͤlff-
bar erweiſen/ alſo ſie auch mich zu einem Werck-
zeuge ihrer Wolfarth und Freyheit auseꝛſehen ha-
ben. Die Goͤtter/ ſage ich/ haben auch mich hierzu
durch gewiſſe Mittel angetriebẽ/ nemlich durch die
Liebe/ welche wie ein Chamaͤleon alle Farben an-
nimt/ wenn ſie nur dem Geliebten hierdurch zu ra-
then weiß. Ach ſo verſpiele ſie doch keine Zeit/ und
befoͤrdere die angebothene Flucht. Es iſt zugefaͤhr-
lich/ wendete die Princeßin ein/ ja ein Werck der
Unmoͤgligkeit. Keine Unmoͤgligkeit/ war Zarangs
Gegen-Rede/ denn den Goͤttern und der Liebe iſt
nichts unmoͤglich. Jch habe bereits ſolche Anſtalt
zur Flucht gemacht/ daß uns auch ein ſchnelles
Tyger nicht einholen ſoll. Hier verberge ſie ſich in
Eſwarens entlehnte Kleider/ und gehe ungeſcheu-
et mit verhuͤlletem Geſichte durch die Wache.
Jch will inzwiſchen mit dieſem Dolche den alten
Rolim zu einem toͤdtlichen Stillſchweigen noͤthi-
gen/ mich gleichfalls der heiligen Kleidung bedie-
nen/ und unter dem Schutz der Gottheit getroſt
folgen. O verzweiffelter Anſchlag! antwortete

die
K k 5
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[521/0541] Anderes Buch. beſchloſſener Raum der edlen Freyheit ſolte vor- gezogen werden? Der Adler ſehnet ſich nach der unbeſchrenckten Lufft/ und der Loͤwe ſeuffzet in dem Keſichte: Wie ſolte denn ſie die Freyheit/ welche alle Schaͤtze der Welt beſieget/ und ſich ihr antraͤgt/ ſo leichtſinnig ausſchlagen? Sie reitze doch nicht die Goͤtter durch ſolch verzweiffeltes Entſchlieſſen wider ſich/ und bedencke/ daß/ wie ſie niemals unmittelbar ſich denen Menſchen huͤlff- bar erweiſen/ alſo ſie auch mich zu einem Werck- zeuge ihrer Wolfarth und Freyheit auseꝛſehen ha- ben. Die Goͤtter/ ſage ich/ haben auch mich hierzu durch gewiſſe Mittel angetriebẽ/ nemlich durch die Liebe/ welche wie ein Chamaͤleon alle Farben an- nimt/ wenn ſie nur dem Geliebten hierdurch zu ra- then weiß. Ach ſo verſpiele ſie doch keine Zeit/ und befoͤrdere die angebothene Flucht. Es iſt zugefaͤhr- lich/ wendete die Princeßin ein/ ja ein Werck der Unmoͤgligkeit. Keine Unmoͤgligkeit/ war Zarangs Gegen-Rede/ denn den Goͤttern und der Liebe iſt nichts unmoͤglich. Jch habe bereits ſolche Anſtalt zur Flucht gemacht/ daß uns auch ein ſchnelles Tyger nicht einholen ſoll. Hier verberge ſie ſich in Eſwarens entlehnte Kleider/ und gehe ungeſcheu- et mit verhuͤlletem Geſichte durch die Wache. Jch will inzwiſchen mit dieſem Dolche den alten Rolim zu einem toͤdtlichen Stillſchweigen noͤthi- gen/ mich gleichfalls der heiligen Kleidung bedie- nen/ und unter dem Schutz der Gottheit getroſt folgen. O verzweiffelter Anſchlag! antwortete die K k 5

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Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 521. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/541>, abgerufen am 22.11.2024.