Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Asiatischen Banise.
ber seinen langen Rock aus/ und sich an/ setzte des-
sen Schlaffbund auff/ und vergaß nichts/ was sie
als den rechten Käyser konte vorstellig machen.
Hierauff trat sie behertzt aus dem Zimmer/ wie-
wohl sie das Angesichte möglichst verbarg. Die
Wache thät ihr als dem Käyser mit niederge-
schlagenen Häuptern tieffe Ehrerbietung/ welches
sie an benöthigter Auffmercksamkeit desto mehr
verhinderte: Sie aber gieng mit langsamen
Schritten nach dem Käyserlichen Zimmer. So
bald sie d[ie] Wache aus den Augen verlohr/ wen-
dete sie sich nach einer kurtzen Stiegen/ welche sie
auff eine lange Gallerie leitete. Als sie diese unge-
hindert geendiget/ führte sie der Weg zwischen
etlichen Mauern gerade der Tyger-Pforten zu/
welche zu erreichen/ sie ihre Schritte verdoppelte/
und ihren geliebten Printzen frölichst vor derselben
antraff. Der Printz konte sich vor Freuden nicht
fassen/ vielweniger einbilden/ daß es seine werthe
Princeßin wäre. Scandor aber ermahnte ihn/
sich nicht zu säumen/ vielweniger an ihrer Person
zuzweiffeln: sondern solte sie nur angreiffen/ so
würde er an ihrem Fleisch und Blute wohl fühlen/
daß es kein Geist wäre. Dannenhero stieg sie
selbst ohne weitläufftiges Reden frisch zu Pferde/
und trat also im Nahmen der Götter die gefähr-
liche Flucht mit Vergnügen an. Jndessen rei-
se nur hin/ du vergnügtes doch unglückliches
Paar/ reise getrost: bilde dir aber nicht ein/ daß
die hurtigen Schenckel deiner Rosse schneller denn

das

Der Aſiatiſchen Baniſe.
ber ſeinen langen Rock aus/ und ſich an/ ſetzte deſ-
ſen Schlaffbund auff/ und vergaß nichts/ was ſie
als den rechten Kaͤyſer konte vorſtellig machen.
Hierauff trat ſie behertzt aus dem Zimmer/ wie-
wohl ſie das Angeſichte moͤglichſt verbarg. Die
Wache thaͤt ihr als dem Kaͤyſer mit niederge-
ſchlagenen Haͤuptern tieffe Ehrerbietung/ welches
ſie an benoͤthigter Auffmerckſamkeit deſto mehr
verhinderte: Sie aber gieng mit langſamen
Schritten nach dem Kaͤyſerlichen Zimmer. So
bald ſie d[ie] Wache aus den Augen verlohr/ wen-
dete ſie ſich nach einer kurtzen Stiegen/ welche ſie
auff eine lange Gallerie leitete. Als ſie dieſe unge-
hindert geendiget/ fuͤhrte ſie der Weg zwiſchen
etlichen Mauern gerade der Tyger-Pforten zu/
welche zu erreichen/ ſie ihre Schritte verdoppelte/
und ihren geliebten Printzen froͤlichſt vor derſelben
antraff. Der Printz konte ſich vor Freuden nicht
faſſen/ vielweniger einbilden/ daß es ſeine werthe
Princeßin waͤre. Scandor aber ermahnte ihn/
ſich nicht zu ſaͤumen/ vielweniger an ihrer Perſon
zuzweiffeln: ſondern ſolte ſie nur angreiffen/ ſo
wuͤrde er an ihrem Fleiſch und Blute wohl fuͤhlen/
daß es kein Geiſt waͤre. Dannenhero ſtieg ſie
ſelbſt ohne weitlaͤufftiges Reden friſch zu Pferde/
und trat alſo im Nahmen der Goͤtter die gefaͤhr-
liche Flucht mit Vergnuͤgen an. Jndeſſen rei-
ſe nur hin/ du vergnuͤgtes doch ungluͤckliches
Paar/ reiſe getroſt: bilde dir aber nicht ein/ daß
die hurtigen Schenckel deiner Roſſe ſchneller denn

das
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0464" n="444"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Der A&#x017F;iati&#x017F;chen Bani&#x017F;e.</hi></fw><lb/>
ber &#x017F;einen langen Rock aus/ und &#x017F;ich an/ &#x017F;etzte de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Schlaffbund auff/ und vergaß nichts/ was &#x017F;ie<lb/>
als den rechten Ka&#x0364;y&#x017F;er konte vor&#x017F;tellig machen.<lb/>
Hierauff trat &#x017F;ie behertzt aus dem Zimmer/ wie-<lb/>
wohl &#x017F;ie das Ange&#x017F;ichte mo&#x0364;glich&#x017F;t verbarg. Die<lb/>
Wache tha&#x0364;t ihr als dem Ka&#x0364;y&#x017F;er mit niederge-<lb/>
&#x017F;chlagenen Ha&#x0364;uptern tieffe Ehrerbietung/ welches<lb/>
&#x017F;ie an beno&#x0364;thigter Auffmerck&#x017F;amkeit de&#x017F;to mehr<lb/>
verhinderte: Sie aber gieng mit lang&#x017F;amen<lb/>
Schritten nach dem Ka&#x0364;y&#x017F;erlichen Zimmer. So<lb/>
bald &#x017F;ie d<supplied>ie</supplied> Wache aus den Augen verlohr/ wen-<lb/>
dete &#x017F;ie &#x017F;ich nach einer kurtzen Stiegen/ welche &#x017F;ie<lb/>
auff eine lange Gallerie leitete. Als &#x017F;ie die&#x017F;e unge-<lb/>
hindert geendiget/ fu&#x0364;hrte &#x017F;ie der Weg zwi&#x017F;chen<lb/>
etlichen Mauern gerade der Tyger-Pforten zu/<lb/>
welche zu erreichen/ &#x017F;ie ihre Schritte verdoppelte/<lb/>
und ihren geliebten Printzen fro&#x0364;lich&#x017F;t vor der&#x017F;elben<lb/>
antraff. Der Printz konte &#x017F;ich vor Freuden nicht<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;en/ vielweniger einbilden/ daß es &#x017F;eine werthe<lb/>
Princeßin wa&#x0364;re. Scandor aber ermahnte ihn/<lb/>
&#x017F;ich nicht zu &#x017F;a&#x0364;umen/ vielweniger an ihrer Per&#x017F;on<lb/>
zuzweiffeln: &#x017F;ondern &#x017F;olte &#x017F;ie nur angreiffen/ &#x017F;o<lb/>
wu&#x0364;rde er an ihrem Flei&#x017F;ch und Blute wohl fu&#x0364;hlen/<lb/>
daß es kein Gei&#x017F;t wa&#x0364;re. Dannenhero &#x017F;tieg &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t ohne weitla&#x0364;ufftiges Reden fri&#x017F;ch zu Pferde/<lb/>
und trat al&#x017F;o im Nahmen der Go&#x0364;tter die gefa&#x0364;hr-<lb/>
liche Flucht mit Vergnu&#x0364;gen an. Jnde&#x017F;&#x017F;en rei-<lb/>
&#x017F;e nur hin/ du vergnu&#x0364;gtes doch unglu&#x0364;ckliches<lb/>
Paar/ rei&#x017F;e getro&#x017F;t: bilde dir aber nicht ein/ daß<lb/>
die hurtigen Schenckel deiner Ro&#x017F;&#x017F;e &#x017F;chneller denn<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">das</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[444/0464] Der Aſiatiſchen Baniſe. ber ſeinen langen Rock aus/ und ſich an/ ſetzte deſ- ſen Schlaffbund auff/ und vergaß nichts/ was ſie als den rechten Kaͤyſer konte vorſtellig machen. Hierauff trat ſie behertzt aus dem Zimmer/ wie- wohl ſie das Angeſichte moͤglichſt verbarg. Die Wache thaͤt ihr als dem Kaͤyſer mit niederge- ſchlagenen Haͤuptern tieffe Ehrerbietung/ welches ſie an benoͤthigter Auffmerckſamkeit deſto mehr verhinderte: Sie aber gieng mit langſamen Schritten nach dem Kaͤyſerlichen Zimmer. So bald ſie die Wache aus den Augen verlohr/ wen- dete ſie ſich nach einer kurtzen Stiegen/ welche ſie auff eine lange Gallerie leitete. Als ſie dieſe unge- hindert geendiget/ fuͤhrte ſie der Weg zwiſchen etlichen Mauern gerade der Tyger-Pforten zu/ welche zu erreichen/ ſie ihre Schritte verdoppelte/ und ihren geliebten Printzen froͤlichſt vor derſelben antraff. Der Printz konte ſich vor Freuden nicht faſſen/ vielweniger einbilden/ daß es ſeine werthe Princeßin waͤre. Scandor aber ermahnte ihn/ ſich nicht zu ſaͤumen/ vielweniger an ihrer Perſon zuzweiffeln: ſondern ſolte ſie nur angreiffen/ ſo wuͤrde er an ihrem Fleiſch und Blute wohl fuͤhlen/ daß es kein Geiſt waͤre. Dannenhero ſtieg ſie ſelbſt ohne weitlaͤufftiges Reden friſch zu Pferde/ und trat alſo im Nahmen der Goͤtter die gefaͤhr- liche Flucht mit Vergnuͤgen an. Jndeſſen rei- ſe nur hin/ du vergnuͤgtes doch ungluͤckliches Paar/ reiſe getroſt: bilde dir aber nicht ein/ daß die hurtigen Schenckel deiner Roſſe ſchneller denn das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Zum Zeitpunkt der Volltextdigitalisierung im Deut… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/464
Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/464>, abgerufen am 22.11.2024.