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Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

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Der Asiatischen Banise.
auch diese Pforte wieder zu schliessen ins Verges-
sen gestellet: welches der Printz als eine besondere
Schickung der Götter auffnahm/ und sich einen
erwündschten Ausgang versprach. So bald nun
die Nacht durch ihre Schatten-Decke alle Si-
cherheit versprach/ begab sich der Printz sonder
verweilen mit den bestellten Pferden vor die Pfor-
te. Chaumigrem hingegen bemühte sich gleichfals
vor der Liebes-Pforte anzuklopffen: Dannenhe-
ro er auch/ sich gantz sicher schätzende/ die Wach-
ten zu vermindern gebot: Banise hatte indessen
das in gantz Jndien bekannte Kraut Dutroa (*)
in Wein abgekocht/ dasselbe als einen lieblichen
Tranck zubereitet/ und stellete solchen in einem
güldenen Geschirre zum Dienste des Käysers vor
sich. Chaumigrem gieng voller vergnügten Hoff-
nung dem Zimmer seiner Geliebten zu/ welche er
auch ziemlich wohlgemuth vor sich fand. Sie
stellete sich sehr freundlich an/ und setzte ihn in sol-

che
(*) Dutroa wächst als ein gemeines Kraut in Ost-Jn-
dien auff dem Felde/ wann man dasselbe in Geträncke
oder Speise einnimmt/ so verändert sich der Mensch
daß er entweder einschläfft/ oder sich närrisch stellt/ da
er nichts sehen/ erkennen oder verstehen kan/ es ge-
schehe auch in seiner Gegenwart/ was es wolle. Wel-
ches zwölff biß vier und zwantzig Stunden währt/ ehe
der Mensch wieder zu sich selbst kömmt/ es sey denn/
daß man ihm die Füsse bald mit kalten Wasser wa-
sche. Dessen bedienen sich öffters die unkeuschen Wei-
ber in Ost-Jndien/ vermittelst dessen sie Angesichts
ihrer Männer die unsichtbahre Schmach pfropffen.
Linschott. part. 4. c. 7.

Der Aſiatiſchen Baniſe.
auch dieſe Pforte wieder zu ſchlieſſen ins Vergeſ-
ſen geſtellet: welches der Printz als eine beſondere
Schickung der Goͤtter auffnahm/ und ſich einen
erwuͤndſchten Ausgang verſprach. So bald nun
die Nacht durch ihre Schatten-Decke alle Si-
cherheit verſprach/ begab ſich der Printz ſonder
verweilen mit den beſtellten Pferden vor die Pfor-
te. Chaumigrem hingegen bemuͤhte ſich gleichfals
vor der Liebes-Pforte anzuklopffen: Dannenhe-
ro er auch/ ſich gantz ſicher ſchaͤtzende/ die Wach-
ten zu vermindern gebot: Baniſe hatte indeſſen
das in gantz Jndien bekannte Kraut Dutroa (*)
in Wein abgekocht/ daſſelbe als einen lieblichen
Tranck zubereitet/ und ſtellete ſolchen in einem
guͤldenen Geſchirre zum Dienſte des Kaͤyſers vor
ſich. Chaumigrem gieng voller vergnuͤgten Hoff-
nung dem Zimmer ſeiner Geliebten zu/ welche er
auch ziemlich wohlgemuth vor ſich fand. Sie
ſtellete ſich ſehr freundlich an/ und ſetzte ihn in ſol-

che
(*) Dutroa waͤchſt als ein gemeines Kraut in Oſt-Jn-
dien auff dem Felde/ wann man daſſelbe in Getraͤncke
oder Speiſe einnimmt/ ſo veraͤndert ſich der Menſch
daß er entweder einſchlaͤfft/ oder ſich naͤrriſch ſtellt/ da
er nichts ſehen/ erkennen oder verſtehen kan/ es ge-
ſchehe auch in ſeiner Gegenwart/ was es wolle. Wel-
ches zwoͤlff biß vier und zwantzig Stunden waͤhrt/ ehe
der Menſch wieder zu ſich ſelbſt koͤmmt/ es ſey denn/
daß man ihm die Fuͤſſe bald mit kalten Waſſer wa-
ſche. Deſſen bedienen ſich oͤffters die unkeuſchen Wei-
ber in Oſt-Jndien/ vermittelſt deſſen ſie Angeſichts
ihrer Maͤnner die unſichtbahre Schmach pfropffen.
Linſchott. part. 4. c. 7.
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[442/0462] Der Aſiatiſchen Baniſe. auch dieſe Pforte wieder zu ſchlieſſen ins Vergeſ- ſen geſtellet: welches der Printz als eine beſondere Schickung der Goͤtter auffnahm/ und ſich einen erwuͤndſchten Ausgang verſprach. So bald nun die Nacht durch ihre Schatten-Decke alle Si- cherheit verſprach/ begab ſich der Printz ſonder verweilen mit den beſtellten Pferden vor die Pfor- te. Chaumigrem hingegen bemuͤhte ſich gleichfals vor der Liebes-Pforte anzuklopffen: Dannenhe- ro er auch/ ſich gantz ſicher ſchaͤtzende/ die Wach- ten zu vermindern gebot: Baniſe hatte indeſſen das in gantz Jndien bekannte Kraut Dutroa (*) in Wein abgekocht/ daſſelbe als einen lieblichen Tranck zubereitet/ und ſtellete ſolchen in einem guͤldenen Geſchirre zum Dienſte des Kaͤyſers vor ſich. Chaumigrem gieng voller vergnuͤgten Hoff- nung dem Zimmer ſeiner Geliebten zu/ welche er auch ziemlich wohlgemuth vor ſich fand. Sie ſtellete ſich ſehr freundlich an/ und ſetzte ihn in ſol- che (*) Dutroa waͤchſt als ein gemeines Kraut in Oſt-Jn- dien auff dem Felde/ wann man daſſelbe in Getraͤncke oder Speiſe einnimmt/ ſo veraͤndert ſich der Menſch daß er entweder einſchlaͤfft/ oder ſich naͤrriſch ſtellt/ da er nichts ſehen/ erkennen oder verſtehen kan/ es ge- ſchehe auch in ſeiner Gegenwart/ was es wolle. Wel- ches zwoͤlff biß vier und zwantzig Stunden waͤhrt/ ehe der Menſch wieder zu ſich ſelbſt koͤmmt/ es ſey denn/ daß man ihm die Fuͤſſe bald mit kalten Waſſer wa- ſche. Deſſen bedienen ſich oͤffters die unkeuſchen Wei- ber in Oſt-Jndien/ vermittelſt deſſen ſie Angeſichts ihrer Maͤnner die unſichtbahre Schmach pfropffen. Linſchott. part. 4. c. 7.

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Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/462>, abgerufen am 22.11.2024.