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Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

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Der Asiatischen Banise.
ner Hertzens-Qvaal/ erlaubte/ den ohnmächtigen
Geist meines sterbenden Vaters durch ein Glaß
Wasser zu erqvicken: so wäre ich an dem Ort der
Ruhe/ und dürffte keiner fernern Raserey eines
Tyrannens gewärtig seyn/ und es hätte sich meine
kindliche Pflicht auch im Tode dem Väterlichen
Geiste beygesellet. O ich verlassene! Ach ich E-
lende! die ihr höchstes Glücke in einem schleuni-
gen Tode suchen muß. Auff derowegen bedräng-
te Banise! das wundersame Verhangniß giebet
dir nicht ohngefehr diesen Dolch in die Hand.
Lasse dich die Todes Larve nicht schrecken. Blö-
den Augen ekelt nur vor dem Tode/ und verwehn-
te Lippen wollen nicht Aloe kosten. Jch sehe doch
wol/ daß der Himmel keine frembde Hand mit
meinem Blute besprützen wil: so dancke ich ihm
um so viel desto mehr/ daß er dennoch meiner
Faust und diesem dienstfertigen Stahl die Macht
überlassen hat/ den Kercker des geängsteten Lei-
bes zu eröffnen/ und die geqvälte Seele in er-
wündschte Freyheit zu setzen. So komme denn/
du edler Dolch/ und sey das Werckzeug einer
tapffermüthigen Erlösung: Denn ein rühmli-
cher Tod ist doch die beste Bahn zu unserer Frey-
heit. Nach welchen Worten sie ihre Brust auff-
riß/ und durch einen tödtlichen Stoß sich des Le-
bens berauben wolte. Ponnedro aber trat gleich/
als geruffen/ zur Thüre hinein/ und wie er ihr ver-
zweiffeltes Vorhaben bemerckete/ sprang er hin-
zu/ und begriff ihre Faust/ mit welcher sie bereits

den

Der Aſiatiſchen Baniſe.
ner Hertzens-Qvaal/ erlaubte/ den ohnmaͤchtigen
Geiſt meines ſterbenden Vaters durch ein Glaß
Waſſer zu erqvicken: ſo waͤre ich an dem Ort der
Ruhe/ und duͤrffte keiner fernern Raſerey eines
Tyrannens gewaͤrtig ſeyn/ und es haͤtte ſich meine
kindliche Pflicht auch im Tode dem Vaͤterlichen
Geiſte beygeſellet. O ich verlaſſene! Ach ich E-
lende! die ihr hoͤchſtes Gluͤcke in einem ſchleuni-
gen Tode ſuchen muß. Auff derowegen bedraͤng-
te Baniſe! das wunderſame Verhangniß giebet
dir nicht ohngefehr dieſen Dolch in die Hand.
Laſſe dich die Todes Larve nicht ſchrecken. Bloͤ-
den Augen ekelt nur vor dem Tode/ und verwehn-
te Lippen wollen nicht Aloe koſten. Jch ſehe doch
wol/ daß der Himmel keine frembde Hand mit
meinem Blute beſpruͤtzen wil: ſo dancke ich ihm
um ſo viel deſto mehr/ daß er dennoch meiner
Fauſt und dieſem dienſtfertigen Stahl die Macht
uͤberlaſſen hat/ den Kercker des geaͤngſteten Lei-
bes zu eroͤffnen/ und die geqvaͤlte Seele in er-
wuͤndſchte Freyheit zu ſetzen. So komme denn/
du edler Dolch/ und ſey das Werckzeug einer
tapffermuͤthigen Erloͤſung: Denn ein ruͤhmli-
cher Tod iſt doch die beſte Bahn zu unſerer Frey-
heit. Nach welchen Worten ſie ihre Bruſt auff-
riß/ und durch einen toͤdtlichen Stoß ſich des Le-
bens berauben wolte. Ponnedro aber trat gleich/
als geruffen/ zur Thuͤre hinein/ und wie er ihr ver-
zweiffeltes Vorhaben bemerckete/ ſprang er hin-
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[396/0416] Der Aſiatiſchen Baniſe. ner Hertzens-Qvaal/ erlaubte/ den ohnmaͤchtigen Geiſt meines ſterbenden Vaters durch ein Glaß Waſſer zu erqvicken: ſo waͤre ich an dem Ort der Ruhe/ und duͤrffte keiner fernern Raſerey eines Tyrannens gewaͤrtig ſeyn/ und es haͤtte ſich meine kindliche Pflicht auch im Tode dem Vaͤterlichen Geiſte beygeſellet. O ich verlaſſene! Ach ich E- lende! die ihr hoͤchſtes Gluͤcke in einem ſchleuni- gen Tode ſuchen muß. Auff derowegen bedraͤng- te Baniſe! das wunderſame Verhangniß giebet dir nicht ohngefehr dieſen Dolch in die Hand. Laſſe dich die Todes Larve nicht ſchrecken. Bloͤ- den Augen ekelt nur vor dem Tode/ und verwehn- te Lippen wollen nicht Aloe koſten. Jch ſehe doch wol/ daß der Himmel keine frembde Hand mit meinem Blute beſpruͤtzen wil: ſo dancke ich ihm um ſo viel deſto mehr/ daß er dennoch meiner Fauſt und dieſem dienſtfertigen Stahl die Macht uͤberlaſſen hat/ den Kercker des geaͤngſteten Lei- bes zu eroͤffnen/ und die geqvaͤlte Seele in er- wuͤndſchte Freyheit zu ſetzen. So komme denn/ du edler Dolch/ und ſey das Werckzeug einer tapffermuͤthigen Erloͤſung: Denn ein ruͤhmli- cher Tod iſt doch die beſte Bahn zu unſerer Frey- heit. Nach welchen Worten ſie ihre Bruſt auff- riß/ und durch einen toͤdtlichen Stoß ſich des Le- bens berauben wolte. Ponnedro aber trat gleich/ als geruffen/ zur Thuͤre hinein/ und wie er ihr ver- zweiffeltes Vorhaben bemerckete/ ſprang er hin- zu/ und begriff ihre Fauſt/ mit welcher ſie bereits den

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Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/416>, abgerufen am 22.11.2024.