Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.Der Asiatischen Banise. wahren soll. Diese Worte waren lauter stach-lichte Dornen in Chaumigrems Hertzen/ also daß man seinen Verdruß aus dem finstern Ange- sichte leichte erkennen konte/ wiewohl ersolche Ge- müths-Bewegungen möglichst zu verbergen trachtete/ und der Princeßin mit diesen Worten einzureden sich unterfieng: Wie Schönste Prin- ceßin! soll die Sonne ihres berühmten Verstan- des in einem Todten-Meere untergehen? und will sie das Liecht hoher Vernunfft bey den Ster- benden anzünden? Nein/ das verstattet dero weltbekante Tugend nimmermehr/ und dero Ver- nunfft/ welche als ein Bleymaaß iedes Meer zu ergründen vermag/ räth ihr viel ein anders/ als daß sie solte eine todte Liebe lebendiger Anmuth vorziehen. Denn es würde der Himmel/ statt verhoffter Belohnung der Treue/ eine scharffe Rechnung wegen anvertrauten Schatzes sotha- ner Schönheit fodern/ wenn sie dessen Werth gleich ungenützten Eisen durch den Rost verzehren liesse. Vergrabne Schätze/ und ein Qvel/ wel- cher in den Sand versincket/ wird von dürfftigen Händen und durstigen Lippen verflucht/ weil sie denen Menschen/ ihren von dem Himmel gewied- meten Nutzen/ verweigern. Wir musten uns gleichwohl über diese Reden des Chaumigrems höchlich verwundern/ wenn wir sonst dessen vorge- dachte Reden und ungeschickte Schrifften darge- gen hielten/ deren Unförmligkeit wir einer heffti- gen Liebes-Würckung zuschreiben musten. Denn wo
Der Aſiatiſchen Baniſe. wahren ſoll. Dieſe Worte waren lauter ſtach-lichte Dornen in Chaumigrems Hertzen/ alſo daß man ſeinen Verdruß aus dem finſtern Ange- ſichte leichte erkennen konte/ wiewohl erſolche Ge- muͤths-Bewegungen moͤglichſt zu verbergen trachtete/ und der Princeßin mit dieſen Worten einzureden ſich unterfieng: Wie Schoͤnſte Prin- ceßin! ſoll die Sonne ihres beruͤhmten Verſtan- des in einem Todten-Meere untergehen? und will ſie das Liecht hoher Vernunfft bey den Ster- benden anzuͤnden? Nein/ das verſtattet dero weltbekante Tugend nimmermehr/ und dero Ver- nunfft/ welche als ein Bleymaaß iedes Meer zu ergruͤnden vermag/ raͤth ihr viel ein anders/ als daß ſie ſolte eine todte Liebe lebendiger Anmuth vorziehen. Denn es wuͤrde der Himmel/ ſtatt verhoffter Belohnung der Treue/ eine ſcharffe Rechnung wegen anvertrauten Schatzes ſotha- ner Schoͤnheit fodern/ wenn ſie deſſen Werth gleich ungenuͤtzten Eiſen durch den Roſt verzehren lieſſe. Vergrabne Schaͤtze/ und ein Qvel/ wel- cher in den Sand verſincket/ wird von duͤrfftigen Haͤnden und durſtigen Lippen verflucht/ weil ſie denen Menſchen/ ihren von dem Himmel gewied- meten Nutzen/ verweigern. Wir muſten uns gleichwohl uͤber dieſe Reden des Chaumigrems hoͤchlich verwundern/ weñ wir ſonſt deſſen vorge- dachte Reden und ungeſchickte Schrifften darge- gen hielten/ deren Unfoͤrmligkeit wir einer heffti- gen Liebes-Wuͤrckung zuſchreiben muſten. Deñ wo
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0134" n="114"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Der Aſiatiſchen Baniſe.</hi></fw><lb/> wahren ſoll. Dieſe Worte waren lauter ſtach-<lb/> lichte Dornen in Chaumigrems Hertzen/ alſo<lb/> daß man ſeinen Verdruß aus dem finſtern Ange-<lb/> ſichte leichte erkennen konte/ wiewohl erſolche Ge-<lb/> muͤths-Bewegungen moͤglichſt zu verbergen<lb/> trachtete/ und der Princeßin mit dieſen Worten<lb/> einzureden ſich unterfieng: Wie Schoͤnſte Prin-<lb/> ceßin! ſoll die Sonne ihres beruͤhmten Verſtan-<lb/> des in einem Todten-Meere untergehen? und<lb/> will ſie das Liecht hoher Vernunfft bey den Ster-<lb/> benden anzuͤnden? Nein/ das verſtattet dero<lb/> weltbekante Tugend nimmermehr/ und dero Ver-<lb/> nunfft/ welche als ein Bleymaaß iedes Meer zu<lb/> ergruͤnden vermag/ raͤth ihr viel ein anders/ als<lb/> daß ſie ſolte eine todte Liebe lebendiger Anmuth<lb/> vorziehen. Denn es wuͤrde der Himmel/ ſtatt<lb/> verhoffter Belohnung der Treue/ eine ſcharffe<lb/> Rechnung wegen anvertrauten Schatzes ſotha-<lb/> ner Schoͤnheit fodern/ wenn ſie deſſen Werth<lb/> gleich ungenuͤtzten Eiſen durch den Roſt verzehren<lb/> lieſſe. Vergrabne Schaͤtze/ und ein Qvel/ wel-<lb/> cher in den Sand verſincket/ wird von duͤrfftigen<lb/> Haͤnden und durſtigen Lippen verflucht/ weil ſie<lb/> denen Menſchen/ ihren von dem Himmel gewied-<lb/> meten Nutzen/ verweigern. Wir muſten uns<lb/> gleichwohl uͤber dieſe Reden des Chaumigrems<lb/> hoͤchlich verwundern/ weñ wir ſonſt deſſen vorge-<lb/> dachte Reden und ungeſchickte Schrifften darge-<lb/> gen hielten/ deren Unfoͤrmligkeit wir einer heffti-<lb/> gen Liebes-Wuͤrckung zuſchreiben muſten. Deñ<lb/> <fw place="bottom" type="catch">wo</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [114/0134]
Der Aſiatiſchen Baniſe.
wahren ſoll. Dieſe Worte waren lauter ſtach-
lichte Dornen in Chaumigrems Hertzen/ alſo
daß man ſeinen Verdruß aus dem finſtern Ange-
ſichte leichte erkennen konte/ wiewohl erſolche Ge-
muͤths-Bewegungen moͤglichſt zu verbergen
trachtete/ und der Princeßin mit dieſen Worten
einzureden ſich unterfieng: Wie Schoͤnſte Prin-
ceßin! ſoll die Sonne ihres beruͤhmten Verſtan-
des in einem Todten-Meere untergehen? und
will ſie das Liecht hoher Vernunfft bey den Ster-
benden anzuͤnden? Nein/ das verſtattet dero
weltbekante Tugend nimmermehr/ und dero Ver-
nunfft/ welche als ein Bleymaaß iedes Meer zu
ergruͤnden vermag/ raͤth ihr viel ein anders/ als
daß ſie ſolte eine todte Liebe lebendiger Anmuth
vorziehen. Denn es wuͤrde der Himmel/ ſtatt
verhoffter Belohnung der Treue/ eine ſcharffe
Rechnung wegen anvertrauten Schatzes ſotha-
ner Schoͤnheit fodern/ wenn ſie deſſen Werth
gleich ungenuͤtzten Eiſen durch den Roſt verzehren
lieſſe. Vergrabne Schaͤtze/ und ein Qvel/ wel-
cher in den Sand verſincket/ wird von duͤrfftigen
Haͤnden und durſtigen Lippen verflucht/ weil ſie
denen Menſchen/ ihren von dem Himmel gewied-
meten Nutzen/ verweigern. Wir muſten uns
gleichwohl uͤber dieſe Reden des Chaumigrems
hoͤchlich verwundern/ weñ wir ſonſt deſſen vorge-
dachte Reden und ungeſchickte Schrifften darge-
gen hielten/ deren Unfoͤrmligkeit wir einer heffti-
gen Liebes-Wuͤrckung zuſchreiben muſten. Deñ
wo
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeZum Zeitpunkt der Volltextdigitalisierung im Deut… [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |