Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klinger, Friedrich Maximilian von: Die Zwillinge. Hannover, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
Sie mich! Meine Wangen sind der milden sanf-
ten Hand der Mutter ungewohnt.
Amalia. So sollst Du diesen Kuß haben!
Sollst ihn aufgedrungen haben von der Mutter
Lippen, mein wilder Sohn Guelfo! Wehr dich
nicht, Guelfo! und diesen, und diesen, mit all'
der Liebe der Mutter!
Guelfo. Wie, Mutter? Sie irren sich.
Meine Lippen sind nicht sanft, meine Stimme
klingt nicht süß, ich bin nicht weise, bin der rau-
he Ritter Guelfo.
Amalia. Und auch der liebe Guelfo. O
mein Guelfo, sieh freundlich, sieh gut, mach un-
sre Freude laut und vollkommen! Warum läßt Du
uns so unfreundlich?
(faßt ihn an der Hand) Sieh,
Guelfo, ich könnte Dir itzt viele Vorwürfe ma-
chen, daß Du uns fliehst, daß Du immer ausser
Hause bist, und, wenn Du zurück kommst, Dich
einsperrst: und ich und Dein Vater weinen über
Deine rauhe Gemüthsart Tag und Nacht. Aber,
ich wills nicht thun, mein Guelfo! will das alles
dulden, wills mütterlich dulden! Du wirst Dich
ändern. Nicht wahr, Guelfo? Du wirst milder?
Guelfo. Ja denn! ich werde milder! Las-
sen Sie mich! Noch einmal, Jhr Kosen ist mei-
nen Wangen unbekannt.
Amalia.
Sie mich! Meine Wangen ſind der milden ſanf-
ten Hand der Mutter ungewohnt.
Amalia. So ſollſt Du dieſen Kuß haben!
Sollſt ihn aufgedrungen haben von der Mutter
Lippen, mein wilder Sohn Guelfo! Wehr dich
nicht, Guelfo! und dieſen, und dieſen, mit all’
der Liebe der Mutter!
Guelfo. Wie, Mutter? Sie irren ſich.
Meine Lippen ſind nicht ſanft, meine Stimme
klingt nicht ſuͤß, ich bin nicht weiſe, bin der rau-
he Ritter Guelfo.
Amalia. Und auch der liebe Guelfo. O
mein Guelfo, ſieh freundlich, ſieh gut, mach un-
ſre Freude laut und vollkommen! Warum laͤßt Du
uns ſo unfreundlich?
(faßt ihn an der Hand) Sieh,
Guelfo, ich koͤnnte Dir itzt viele Vorwuͤrfe ma-
chen, daß Du uns fliehſt, daß Du immer auſſer
Hauſe biſt, und, wenn Du zuruͤck kommſt, Dich
einſperrſt: und ich und Dein Vater weinen uͤber
Deine rauhe Gemuͤthsart Tag und Nacht. Aber,
ich wills nicht thun, mein Guelfo! will das alles
dulden, wills muͤtterlich dulden! Du wirſt Dich
aͤndern. Nicht wahr, Guelfo? Du wirſt milder?
Guelfo. Ja denn! ich werde milder! Laſ-
ſen Sie mich! Noch einmal, Jhr Koſen iſt mei-
nen Wangen unbekannt.
Amalia.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <sp>
              <p><pb facs="#f0029" n="23"/>
Sie mich! Meine Wangen &#x017F;ind der milden &#x017F;anf-<lb/>
ten Hand der Mutter ungewohnt.</p>
            </sp><lb/>
            <sp>
              <speaker> <hi rendition="#fr">Amalia.</hi> </speaker>
              <p>So &#x017F;oll&#x017F;t Du die&#x017F;en Kuß haben!<lb/>
Soll&#x017F;t ihn aufgedrungen haben von der Mutter<lb/>
Lippen, mein wilder Sohn Guelfo! Wehr dich<lb/>
nicht, Guelfo! und die&#x017F;en, und die&#x017F;en, mit all&#x2019;<lb/>
der Liebe der Mutter!</p>
            </sp><lb/>
            <sp>
              <speaker> <hi rendition="#fr">Guelfo.</hi> </speaker>
              <p>Wie, Mutter? Sie irren &#x017F;ich.<lb/>
Meine Lippen &#x017F;ind nicht &#x017F;anft, meine Stimme<lb/>
klingt nicht &#x017F;u&#x0364;ß, ich bin nicht wei&#x017F;e, bin der rau-<lb/>
he Ritter Guelfo.</p>
            </sp><lb/>
            <sp>
              <speaker> <hi rendition="#fr">Amalia.</hi> </speaker>
              <p>Und auch der liebe Guelfo. O<lb/>
mein Guelfo, &#x017F;ieh freundlich, &#x017F;ieh gut, mach un-<lb/>
&#x017F;re Freude laut und vollkommen! Warum la&#x0364;ßt Du<lb/>
uns &#x017F;o unfreundlich?</p>
              <stage>(faßt ihn an der Hand)</stage>
              <p>Sieh,<lb/>
Guelfo, ich ko&#x0364;nnte Dir itzt viele Vorwu&#x0364;rfe ma-<lb/>
chen, daß Du uns flieh&#x017F;t, daß Du immer au&#x017F;&#x017F;er<lb/>
Hau&#x017F;e bi&#x017F;t, und, wenn Du zuru&#x0364;ck komm&#x017F;t, Dich<lb/>
ein&#x017F;perr&#x017F;t: und ich und Dein Vater weinen u&#x0364;ber<lb/>
Deine rauhe Gemu&#x0364;thsart Tag und Nacht. Aber,<lb/>
ich wills nicht thun, mein Guelfo! will das alles<lb/>
dulden, wills mu&#x0364;tterlich dulden! Du wir&#x017F;t Dich<lb/>
a&#x0364;ndern. Nicht wahr, Guelfo? Du wir&#x017F;t milder?</p>
            </sp><lb/>
            <sp>
              <speaker> <hi rendition="#fr">Guelfo.</hi> </speaker>
              <p>Ja denn! ich werde milder! La&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Sie mich! Noch einmal, Jhr Ko&#x017F;en i&#x017F;t mei-<lb/>
nen Wangen unbekannt.</p>
            </sp><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Amalia.</hi> </fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0029] Sie mich! Meine Wangen ſind der milden ſanf- ten Hand der Mutter ungewohnt. Amalia. So ſollſt Du dieſen Kuß haben! Sollſt ihn aufgedrungen haben von der Mutter Lippen, mein wilder Sohn Guelfo! Wehr dich nicht, Guelfo! und dieſen, und dieſen, mit all’ der Liebe der Mutter! Guelfo. Wie, Mutter? Sie irren ſich. Meine Lippen ſind nicht ſanft, meine Stimme klingt nicht ſuͤß, ich bin nicht weiſe, bin der rau- he Ritter Guelfo. Amalia. Und auch der liebe Guelfo. O mein Guelfo, ſieh freundlich, ſieh gut, mach un- ſre Freude laut und vollkommen! Warum laͤßt Du uns ſo unfreundlich? (faßt ihn an der Hand) Sieh, Guelfo, ich koͤnnte Dir itzt viele Vorwuͤrfe ma- chen, daß Du uns fliehſt, daß Du immer auſſer Hauſe biſt, und, wenn Du zuruͤck kommſt, Dich einſperrſt: und ich und Dein Vater weinen uͤber Deine rauhe Gemuͤthsart Tag und Nacht. Aber, ich wills nicht thun, mein Guelfo! will das alles dulden, wills muͤtterlich dulden! Du wirſt Dich aͤndern. Nicht wahr, Guelfo? Du wirſt milder? Guelfo. Ja denn! ich werde milder! Laſ- ſen Sie mich! Noch einmal, Jhr Koſen iſt mei- nen Wangen unbekannt. Amalia.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_zwillinge_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_zwillinge_1796/29
Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian von: Die Zwillinge. Hannover, 1796, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_zwillinge_1796/29>, abgerufen am 24.11.2024.