Schmeichler) zum Beyspiel: die Verfüh- rung Evas, Judas Ischarioth etc.
Dann verwandelte sich das Theater zur Vorstellung eines allegorischen Ballets. Die Scene stellte eine wilde Gegend vor. In einer dunklen Höhle saß die Metaphysik, eine hagre, lange Gestalt, die ihre Augen auf fünf schimmernde Worte heftete, die sich beständig hin und her bewegten, und bey jeder Veränderung einen andern Sinn vorstellten. Der Hagre ließ nicht nach, ih- nen mit seinen starren Augen zu folgen. In einem Winkel stund ein kleiner schelmi- scher Teufel, der ihm zu Zeiten Blasen mit Wind gefüllt an die Stirne warf. Der Stolz, des Hagern Amanuensis, las sie auf, drückte den Wind heraus, und knetete ihn zu Hypothesen. Der Hagre war in ein egyptisches Unterkleid gehüllt, das mit my- stischen Figuren besäet war. Ueber diesem trug er einen griechischen Mantel, der diese mystische Zeichen bedecken sollte, wozu er aber viel zu kurz und zu eng war. Seine
Bein-
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Schmeichler) zum Beyſpiel: die Verfuͤh- rung Evas, Judas Iſcharioth ꝛc.
Dann verwandelte ſich das Theater zur Vorſtellung eines allegoriſchen Ballets. Die Scene ſtellte eine wilde Gegend vor. In einer dunklen Hoͤhle ſaß die Metaphyſik, eine hagre, lange Geſtalt, die ihre Augen auf fuͤnf ſchimmernde Worte heftete, die ſich beſtaͤndig hin und her bewegten, und bey jeder Veraͤnderung einen andern Sinn vorſtellten. Der Hagre ließ nicht nach, ih- nen mit ſeinen ſtarren Augen zu folgen. In einem Winkel ſtund ein kleiner ſchelmi- ſcher Teufel, der ihm zu Zeiten Blaſen mit Wind gefuͤllt an die Stirne warf. Der Stolz, des Hagern Amanuenſis, las ſie auf, druͤckte den Wind heraus, und knetete ihn zu Hypotheſen. Der Hagre war in ein egyptiſches Unterkleid gehuͤllt, das mit my- ſtiſchen Figuren beſaͤet war. Ueber dieſem trug er einen griechiſchen Mantel, der dieſe myſtiſche Zeichen bedecken ſollte, wozu er aber viel zu kurz und zu eng war. Seine
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Schmeichler) zum Beyſpiel: die Verfuͤh-
rung Evas, Judas Iſcharioth ꝛc.
Dann verwandelte ſich das Theater zur
Vorſtellung eines allegoriſchen Ballets.
Die Scene ſtellte eine wilde Gegend vor.
In einer dunklen Hoͤhle ſaß die Metaphyſik,
eine hagre, lange Geſtalt, die ihre Augen
auf fuͤnf ſchimmernde Worte heftete, die
ſich beſtaͤndig hin und her bewegten, und
bey jeder Veraͤnderung einen andern Sinn
vorſtellten. Der Hagre ließ nicht nach, ih-
nen mit ſeinen ſtarren Augen zu folgen.
In einem Winkel ſtund ein kleiner ſchelmi-
ſcher Teufel, der ihm zu Zeiten Blaſen mit
Wind gefuͤllt an die Stirne warf. Der
Stolz, des Hagern Amanuenſis, las ſie auf,
druͤckte den Wind heraus, und knetete ihn
zu Hypotheſen. Der Hagre war in ein
egyptiſches Unterkleid gehuͤllt, das mit my-
ſtiſchen Figuren beſaͤet war. Ueber dieſem
trug er einen griechiſchen Mantel, der dieſe
myſtiſche Zeichen bedecken ſollte, wozu er
aber viel zu kurz und zu eng war. Seine
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Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/52>, abgerufen am 22.11.2024.
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