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Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791.

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"denkt, womit er spielt und womit er sich
"ernsthaft beschäftigt. Nicht zufrieden,
"das zu zertrümmern und zu verunstalten,
"was er mit den Händen fassen kann,
"schwingt er sich auf den Flügeln der Ein-
"bildungskraft in ihm unbekannte Welten,
"und verunstaltet sie wenigstens in der Vor-
"stellung. Selbst die Freyheit, ihr höch-
"stes Gut, wenn sie auch Ströme Bluts
"dafür vergossen, verkaufen sie für Gold,
"Lust und Wahn, wenn sie dieselbe kaum
"gekostet haben. Des Guten unfähig, zit-
"tern sie vor dem Bösen, häufen Greuel
"auf Greuel ihm zu entfliehen, und zerschla-
"gen dann ihrer Hände Werk.

"Nach den blutigen Kriegen werden sie,
"vom Morden ermüdet, einen Augenblick
"rasten, und der giftige Haß wird sich nur
"in heimlichen Tücken zeigen. Einige wer-
"den diesen Haß unter dem Schatten der
"Gerechtigkeit, zum Rächer des Glaubens
"machen, Scheiterhaufen errichten, und die
"lebendig verbrennen, die nicht ihrer Mei-

"nung
C 2

„denkt, womit er ſpielt und womit er ſich
„ernſthaft beſchaͤftigt. Nicht zufrieden,
„das zu zertruͤmmern und zu verunſtalten,
„was er mit den Haͤnden faſſen kann,
„ſchwingt er ſich auf den Fluͤgeln der Ein-
„bildungskraft in ihm unbekannte Welten,
„und verunſtaltet ſie wenigſtens in der Vor-
„ſtellung. Selbſt die Freyheit, ihr hoͤch-
„ſtes Gut, wenn ſie auch Stroͤme Bluts
„dafuͤr vergoſſen, verkaufen ſie fuͤr Gold,
„Luſt und Wahn, wenn ſie dieſelbe kaum
„gekoſtet haben. Des Guten unfaͤhig, zit-
„tern ſie vor dem Boͤſen, haͤufen Greuel
„auf Greuel ihm zu entfliehen, und zerſchla-
„gen dann ihrer Haͤnde Werk.

„Nach den blutigen Kriegen werden ſie,
„vom Morden ermuͤdet, einen Augenblick
„raſten, und der giftige Haß wird ſich nur
„in heimlichen Tuͤcken zeigen. Einige wer-
„den dieſen Haß unter dem Schatten der
„Gerechtigkeit, zum Raͤcher des Glaubens
„machen, Scheiterhaufen errichten, und die
„lebendig verbrennen, die nicht ihrer Mei-

„nung
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[35/0046] „denkt, womit er ſpielt und womit er ſich „ernſthaft beſchaͤftigt. Nicht zufrieden, „das zu zertruͤmmern und zu verunſtalten, „was er mit den Haͤnden faſſen kann, „ſchwingt er ſich auf den Fluͤgeln der Ein- „bildungskraft in ihm unbekannte Welten, „und verunſtaltet ſie wenigſtens in der Vor- „ſtellung. Selbſt die Freyheit, ihr hoͤch- „ſtes Gut, wenn ſie auch Stroͤme Bluts „dafuͤr vergoſſen, verkaufen ſie fuͤr Gold, „Luſt und Wahn, wenn ſie dieſelbe kaum „gekoſtet haben. Des Guten unfaͤhig, zit- „tern ſie vor dem Boͤſen, haͤufen Greuel „auf Greuel ihm zu entfliehen, und zerſchla- „gen dann ihrer Haͤnde Werk. „Nach den blutigen Kriegen werden ſie, „vom Morden ermuͤdet, einen Augenblick „raſten, und der giftige Haß wird ſich nur „in heimlichen Tuͤcken zeigen. Einige wer- „den dieſen Haß unter dem Schatten der „Gerechtigkeit, zum Raͤcher des Glaubens „machen, Scheiterhaufen errichten, und die „lebendig verbrennen, die nicht ihrer Mei- „nung C 2

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Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/46>, abgerufen am 29.03.2024.