Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

ten Stengel gedrückt hat. Seine Gemah-
lin unterbrach seine düstre Einsamkeit, um
ihm sein Elend noch fühlbarer zu machen.
Bald darauf trat der Baron herein, und
forderte kalt die Instruktion an den Kaiser-
lichen Hof. Da der Fürst Befehl dazu er-
theilt hatte, so gieng der Minister in sein
Kabinet, um sie zu holen. Indessen hatte
seine Gemahlin Zeit, eine Scene der Ver-
zweiflung mit ihrem Buhlen zu rasen. In
dem Augenblick da der Minister dem Baron
die Instruktion übergab, kam ein Bothe
des Fürsten, mit einem Handbillet, worin
er ihm bedeutete, das Document und seine
Ausarbeitung an Hof zu bringen, weil
man beydes dem Abgesandten der Gegen-
partey vorlegen wollte. Der Minister such-
te in seinem Kabinet, leerte alle Schränke
aus, kalter Todesschweiß rann über sein
Gesicht; er forschte alle Secretairs und
Schreiber aus, sein Weib, seine Tochter,
umsonst, er mußte sich entschließen, sich dem
fürchterlichen Sturm, in der Unschuld sei-

nes

ten Stengel gedruͤckt hat. Seine Gemah-
lin unterbrach ſeine duͤſtre Einſamkeit, um
ihm ſein Elend noch fuͤhlbarer zu machen.
Bald darauf trat der Baron herein, und
forderte kalt die Inſtruktion an den Kaiſer-
lichen Hof. Da der Fuͤrſt Befehl dazu er-
theilt hatte, ſo gieng der Miniſter in ſein
Kabinet, um ſie zu holen. Indeſſen hatte
ſeine Gemahlin Zeit, eine Scene der Ver-
zweiflung mit ihrem Buhlen zu raſen. In
dem Augenblick da der Miniſter dem Baron
die Inſtruktion uͤbergab, kam ein Bothe
des Fuͤrſten, mit einem Handbillet, worin
er ihm bedeutete, das Document und ſeine
Ausarbeitung an Hof zu bringen, weil
man beydes dem Abgeſandten der Gegen-
partey vorlegen wollte. Der Miniſter ſuch-
te in ſeinem Kabinet, leerte alle Schraͤnke
aus, kalter Todesſchweiß rann uͤber ſein
Geſicht; er forſchte alle Secretairs und
Schreiber aus, ſein Weib, ſeine Tochter,
umſonſt, er mußte ſich entſchließen, ſich dem
fuͤrchterlichen Sturm, in der Unſchuld ſei-

nes
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0199" n="188"/>
ten Stengel gedru&#x0364;ckt hat. Seine Gemah-<lb/>
lin unterbrach &#x017F;eine du&#x0364;&#x017F;tre Ein&#x017F;amkeit, um<lb/>
ihm &#x017F;ein Elend noch fu&#x0364;hlbarer zu machen.<lb/>
Bald darauf trat der Baron herein, und<lb/>
forderte kalt die In&#x017F;truktion an den Kai&#x017F;er-<lb/>
lichen Hof. Da der Fu&#x0364;r&#x017F;t Befehl dazu er-<lb/>
theilt hatte, &#x017F;o gieng der Mini&#x017F;ter in &#x017F;ein<lb/>
Kabinet, um &#x017F;ie zu holen. Inde&#x017F;&#x017F;en hatte<lb/>
&#x017F;eine Gemahlin Zeit, eine Scene der Ver-<lb/>
zweiflung mit ihrem Buhlen zu ra&#x017F;en. In<lb/>
dem Augenblick da der Mini&#x017F;ter dem Baron<lb/>
die In&#x017F;truktion u&#x0364;bergab, kam ein Bothe<lb/>
des Fu&#x0364;r&#x017F;ten, mit einem Handbillet, worin<lb/>
er ihm bedeutete, das Document und &#x017F;eine<lb/>
Ausarbeitung an Hof zu bringen, weil<lb/>
man beydes dem Abge&#x017F;andten der Gegen-<lb/>
partey vorlegen wollte. Der Mini&#x017F;ter &#x017F;uch-<lb/>
te in &#x017F;einem Kabinet, leerte alle Schra&#x0364;nke<lb/>
aus, kalter Todes&#x017F;chweiß rann u&#x0364;ber &#x017F;ein<lb/>
Ge&#x017F;icht; er for&#x017F;chte alle Secretairs und<lb/>
Schreiber aus, &#x017F;ein Weib, &#x017F;eine Tochter,<lb/>
um&#x017F;on&#x017F;t, er mußte &#x017F;ich ent&#x017F;chließen, &#x017F;ich dem<lb/>
fu&#x0364;rchterlichen Sturm, in der Un&#x017F;chuld &#x017F;ei-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nes</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[188/0199] ten Stengel gedruͤckt hat. Seine Gemah- lin unterbrach ſeine duͤſtre Einſamkeit, um ihm ſein Elend noch fuͤhlbarer zu machen. Bald darauf trat der Baron herein, und forderte kalt die Inſtruktion an den Kaiſer- lichen Hof. Da der Fuͤrſt Befehl dazu er- theilt hatte, ſo gieng der Miniſter in ſein Kabinet, um ſie zu holen. Indeſſen hatte ſeine Gemahlin Zeit, eine Scene der Ver- zweiflung mit ihrem Buhlen zu raſen. In dem Augenblick da der Miniſter dem Baron die Inſtruktion uͤbergab, kam ein Bothe des Fuͤrſten, mit einem Handbillet, worin er ihm bedeutete, das Document und ſeine Ausarbeitung an Hof zu bringen, weil man beydes dem Abgeſandten der Gegen- partey vorlegen wollte. Der Miniſter ſuch- te in ſeinem Kabinet, leerte alle Schraͤnke aus, kalter Todesſchweiß rann uͤber ſein Geſicht; er forſchte alle Secretairs und Schreiber aus, ſein Weib, ſeine Tochter, umſonſt, er mußte ſich entſchließen, ſich dem fuͤrchterlichen Sturm, in der Unſchuld ſei- nes

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/199
Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/199>, abgerufen am 24.11.2024.