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Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791.

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seyn; doch kaum hatte er ihren Zauber ge-
kostet, als der heftigste Durst nach Wahr-
heit in seiner Seele entbrannte. Jeder der
diese Syrenen kennt, und ihnen ihren betrüg-
rischen Gesang abgelernt hat, fühlt, (wenn
er die Wissenschaften nicht als Handwerk
treibt,) ohne mein Erinnern, daß ihm sein
Zweck, diesen brennenden Durst zu stillen,
entwischen mußte. Nachdem er lange in
diesem Labyrinth herumgetaumelt hatte, wa-
ren seine Erndte: Zweifel, Unwille über die
Kurzsichtigkeit des Menschen, Mißmuth und
Murren gegen den, der ihn geschaffen, das
Licht zu ahnden, ohne die dicke Finsterniß
durchbrechen zu können. Noch wäre er
glücklich gewesen, hätte er mit diesen Em-
pfindungen allein zu kämpfen gehabt; da
aber das Lesen der Weisen und Dichter, tau-
send neue Bedürfnisse in seiner Seele erweck-
ten, und seine nun beflügelte und zugekün-
stelte Einbildungskraft, die reizenden Ge-
genstände des Genußes, die Ansehen und
Gold allein verschaffen können, unabläßig

vor

ſeyn; doch kaum hatte er ihren Zauber ge-
koſtet, als der heftigſte Durſt nach Wahr-
heit in ſeiner Seele entbrannte. Jeder der
dieſe Syrenen kennt, und ihnen ihren betruͤg-
riſchen Geſang abgelernt hat, fuͤhlt, (wenn
er die Wiſſenſchaften nicht als Handwerk
treibt,) ohne mein Erinnern, daß ihm ſein
Zweck, dieſen brennenden Durſt zu ſtillen,
entwiſchen mußte. Nachdem er lange in
dieſem Labyrinth herumgetaumelt hatte, wa-
ren ſeine Erndte: Zweifel, Unwille uͤber die
Kurzſichtigkeit des Menſchen, Mißmuth und
Murren gegen den, der ihn geſchaffen, das
Licht zu ahnden, ohne die dicke Finſterniß
durchbrechen zu koͤnnen. Noch waͤre er
gluͤcklich geweſen, haͤtte er mit dieſen Em-
pfindungen allein zu kaͤmpfen gehabt; da
aber das Leſen der Weiſen und Dichter, tau-
ſend neue Beduͤrfniſſe in ſeiner Seele erweck-
ten, und ſeine nun befluͤgelte und zugekuͤn-
ſtelte Einbildungskraft, die reizenden Ge-
genſtaͤnde des Genußes, die Anſehen und
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[6/0017] ſeyn; doch kaum hatte er ihren Zauber ge- koſtet, als der heftigſte Durſt nach Wahr- heit in ſeiner Seele entbrannte. Jeder der dieſe Syrenen kennt, und ihnen ihren betruͤg- riſchen Geſang abgelernt hat, fuͤhlt, (wenn er die Wiſſenſchaften nicht als Handwerk treibt,) ohne mein Erinnern, daß ihm ſein Zweck, dieſen brennenden Durſt zu ſtillen, entwiſchen mußte. Nachdem er lange in dieſem Labyrinth herumgetaumelt hatte, wa- ren ſeine Erndte: Zweifel, Unwille uͤber die Kurzſichtigkeit des Menſchen, Mißmuth und Murren gegen den, der ihn geſchaffen, das Licht zu ahnden, ohne die dicke Finſterniß durchbrechen zu koͤnnen. Noch waͤre er gluͤcklich geweſen, haͤtte er mit dieſen Em- pfindungen allein zu kaͤmpfen gehabt; da aber das Leſen der Weiſen und Dichter, tau- ſend neue Beduͤrfniſſe in ſeiner Seele erweck- ten, und ſeine nun befluͤgelte und zugekuͤn- ſtelte Einbildungskraft, die reizenden Ge- genſtaͤnde des Genußes, die Anſehen und Gold allein verſchaffen koͤnnen, unablaͤßig vor

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Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/17>, abgerufen am 25.11.2024.