Teufel. O mein Fall war viel schwerer, wie der eurige, denn euch begünstigt schon das Gerücht von dem Traume, der die gan- ze Stadt erfüllt hat. Wenn ihr nun einen Mann, unter der Gestalt des Dominika- ners, in Klaras Zelle schleichen laßt, und die Zeichen der sündigen That darauf er- scheinen, wird nicht die ganze Welt sagen, es sey ein Spiel des Erbfeinds der Men- schen? Laßt dem Satan den schlechten Ruf, und bleibt auf eurem Stuhl, mit der Herr- schaft geschmückt, sitzen, die dem Himmel gefällt. Dieses rathe ich euch zu eurem Besten, aus Freundschaft für euch, und ihr mögt es nun machen wie ihr wollt."
Die Aebtissin saß stumm da, und betete in der Verwirrung leise ihren Rosenkranz herunter. -- "Die Sünde des Fleisches soll "retten -- Ave Maria! -- es ist Einge- "bung des Satans -- Heilige Ursula, er- "leuchte mich!" -- sie sah nach dem Bilde der Heiligen. -- "Die Schan- "de und Aergerniß für das Kloster werden
"groß
Teufel. O mein Fall war viel ſchwerer, wie der eurige, denn euch beguͤnſtigt ſchon das Geruͤcht von dem Traume, der die gan- ze Stadt erfuͤllt hat. Wenn ihr nun einen Mann, unter der Geſtalt des Dominika- ners, in Klaras Zelle ſchleichen laßt, und die Zeichen der ſuͤndigen That darauf er- ſcheinen, wird nicht die ganze Welt ſagen, es ſey ein Spiel des Erbfeinds der Men- ſchen? Laßt dem Satan den ſchlechten Ruf, und bleibt auf eurem Stuhl, mit der Herr- ſchaft geſchmuͤckt, ſitzen, die dem Himmel gefaͤllt. Dieſes rathe ich euch zu eurem Beſten, aus Freundſchaft fuͤr euch, und ihr moͤgt es nun machen wie ihr wollt.“
Die Aebtiſſin ſaß ſtumm da, und betete in der Verwirrung leiſe ihren Roſenkranz herunter. — „Die Suͤnde des Fleiſches ſoll „retten — Ave Maria! — es iſt Einge- „bung des Satans — Heilige Urſula, er- „leuchte mich!“ — ſie ſah nach dem Bilde der Heiligen. — „Die Schan- „de und Aergerniß fuͤr das Kloſter werden
„groß
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Teufel. O mein Fall war viel ſchwerer,
wie der eurige, denn euch beguͤnſtigt ſchon
das Geruͤcht von dem Traume, der die gan-
ze Stadt erfuͤllt hat. Wenn ihr nun einen
Mann, unter der Geſtalt des Dominika-
ners, in Klaras Zelle ſchleichen laßt, und
die Zeichen der ſuͤndigen That darauf er-
ſcheinen, wird nicht die ganze Welt ſagen,
es ſey ein Spiel des Erbfeinds der Men-
ſchen? Laßt dem Satan den ſchlechten Ruf,
und bleibt auf eurem Stuhl, mit der Herr-
ſchaft geſchmuͤckt, ſitzen, die dem Himmel
gefaͤllt. Dieſes rathe ich euch zu eurem
Beſten, aus Freundſchaft fuͤr euch, und
ihr moͤgt es nun machen wie ihr wollt.“
Die Aebtiſſin ſaß ſtumm da, und betete
in der Verwirrung leiſe ihren Roſenkranz
herunter. — „Die Suͤnde des Fleiſches ſoll
„retten — Ave Maria! — es iſt Einge-
„bung des Satans — Heilige Urſula, er-
„leuchte mich!“ — ſie ſah nach dem
Bilde der Heiligen. — „Die Schan-
„de und Aergerniß fuͤr das Kloſter werden
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Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/157>, abgerufen am 25.11.2024.
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