Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

um seinetwillen fahren lassen. Diese Be-
merkung über eine ihm so nahe Person,
machte einen widrigen Eindruck auf sein
Herz. So strenge richtet und schließet nur
der, den sein eignes Herz verurtheilt, als
Faust diesen Augenblick in seinem Innern
that. Der Teufel merkte, wo es ihn drück-
te, ließ ihn gern an diesen düstern Gedan-
ken zerren, damit er das süße Band, worin
ihn die Natur noch leise gefesselt hielt, ganz
zerreißen möchte. Er sah mit innigem Ge-
nuße die schreckliche Quaal, die einst daraus
entspringen würde, wenn die Zukunft alle
die Ungeheuer enthüllen sollte, womit der
verwegne Faust sie zu füllen auf dem We-
ge war.

Mittags speißten sie mit einigen Aebten
und Profeßoren an der Wirthstafel, die
zur Ergötzung des Teufels bald in einen
heftigen Streit über die Nonne Klara gerie-
then. Noch war das Kriegsfeuer in aller
Stärke, der Parteygeist raste in allen Häu-
sern, und die Streiter am Tische gebehrde-

ten

um ſeinetwillen fahren laſſen. Dieſe Be-
merkung uͤber eine ihm ſo nahe Perſon,
machte einen widrigen Eindruck auf ſein
Herz. So ſtrenge richtet und ſchließet nur
der, den ſein eignes Herz verurtheilt, als
Fauſt dieſen Augenblick in ſeinem Innern
that. Der Teufel merkte, wo es ihn druͤck-
te, ließ ihn gern an dieſen duͤſtern Gedan-
ken zerren, damit er das ſuͤße Band, worin
ihn die Natur noch leiſe gefeſſelt hielt, ganz
zerreißen moͤchte. Er ſah mit innigem Ge-
nuße die ſchreckliche Quaal, die einſt daraus
entſpringen wuͤrde, wenn die Zukunft alle
die Ungeheuer enthuͤllen ſollte, womit der
verwegne Fauſt ſie zu fuͤllen auf dem We-
ge war.

Mittags ſpeißten ſie mit einigen Aebten
und Profeßoren an der Wirthstafel, die
zur Ergoͤtzung des Teufels bald in einen
heftigen Streit uͤber die Nonne Klara gerie-
then. Noch war das Kriegsfeuer in aller
Staͤrke, der Parteygeiſt raſte in allen Haͤu-
ſern, und die Streiter am Tiſche gebehrde-

ten
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0143" n="132"/>
um &#x017F;einetwillen fahren la&#x017F;&#x017F;en. Die&#x017F;e Be-<lb/>
merkung u&#x0364;ber eine ihm &#x017F;o nahe Per&#x017F;on,<lb/>
machte einen widrigen Eindruck auf &#x017F;ein<lb/>
Herz. So &#x017F;trenge richtet und &#x017F;chließet nur<lb/>
der, den &#x017F;ein eignes Herz verurtheilt, als<lb/>
Fau&#x017F;t die&#x017F;en Augenblick in &#x017F;einem Innern<lb/>
that. Der Teufel merkte, wo es ihn dru&#x0364;ck-<lb/>
te, ließ ihn gern an die&#x017F;en du&#x0364;&#x017F;tern Gedan-<lb/>
ken zerren, damit er das &#x017F;u&#x0364;ße Band, worin<lb/>
ihn die Natur noch lei&#x017F;e gefe&#x017F;&#x017F;elt hielt, ganz<lb/>
zerreißen mo&#x0364;chte. Er &#x017F;ah mit innigem Ge-<lb/>
nuße die &#x017F;chreckliche Quaal, die ein&#x017F;t daraus<lb/>
ent&#x017F;pringen wu&#x0364;rde, wenn die Zukunft alle<lb/>
die Ungeheuer enthu&#x0364;llen &#x017F;ollte, womit der<lb/>
verwegne Fau&#x017F;t &#x017F;ie zu fu&#x0364;llen auf dem We-<lb/>
ge war.</p><lb/>
          <p>Mittags &#x017F;peißten &#x017F;ie mit einigen Aebten<lb/>
und Profeßoren an der Wirthstafel, die<lb/>
zur Ergo&#x0364;tzung des Teufels bald in einen<lb/>
heftigen Streit u&#x0364;ber die Nonne Klara gerie-<lb/>
then. Noch war das Kriegsfeuer in aller<lb/>
Sta&#x0364;rke, der Parteygei&#x017F;t ra&#x017F;te in allen Ha&#x0364;u-<lb/>
&#x017F;ern, und die Streiter am Ti&#x017F;che gebehrde-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ten</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[132/0143] um ſeinetwillen fahren laſſen. Dieſe Be- merkung uͤber eine ihm ſo nahe Perſon, machte einen widrigen Eindruck auf ſein Herz. So ſtrenge richtet und ſchließet nur der, den ſein eignes Herz verurtheilt, als Fauſt dieſen Augenblick in ſeinem Innern that. Der Teufel merkte, wo es ihn druͤck- te, ließ ihn gern an dieſen duͤſtern Gedan- ken zerren, damit er das ſuͤße Band, worin ihn die Natur noch leiſe gefeſſelt hielt, ganz zerreißen moͤchte. Er ſah mit innigem Ge- nuße die ſchreckliche Quaal, die einſt daraus entſpringen wuͤrde, wenn die Zukunft alle die Ungeheuer enthuͤllen ſollte, womit der verwegne Fauſt ſie zu fuͤllen auf dem We- ge war. Mittags ſpeißten ſie mit einigen Aebten und Profeßoren an der Wirthstafel, die zur Ergoͤtzung des Teufels bald in einen heftigen Streit uͤber die Nonne Klara gerie- then. Noch war das Kriegsfeuer in aller Staͤrke, der Parteygeiſt raſte in allen Haͤu- ſern, und die Streiter am Tiſche gebehrde- ten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/143
Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/143>, abgerufen am 18.12.2024.