Faust. Liegt's nur an dem? kommt, und führt mich zu eurem Richter. Ich habe hier einen Freund, der solchen Nöthen gern abhilft.
Sie fanden in dem Richter einen aufge- blasnen stolzen Mann, der einen armen Klienten kaum eines Blicks würdigte. Faust kannte ihn längst für das, was er war. Der Richter fuhr Fausts Freund verdrieß- lich an: "Was quält ihr mich, wißt ihr "doch, daß Thränen die Gerechtigkeit nie "bestechen?"
Der gebeugte Freund sah demüthig zur Erde.
Faust. Gestrenger Herr, da habt ihr Recht, Thränen sind auch nur Wasser, und beißen nur das Auge dessen der sie weint; aber doch wißt ihr, daß mein Freund das Recht für sich hat.
Richter. Meister Faust, ihr seyd mir als ein Mann bekannt, der Haab und Fahrt verpraßt, und eine lose Zunge hat. Was kümmern seine Thränen die Gerechtigkeit?
Recht
Fauſt. Liegt’s nur an dem? kommt, und fuͤhrt mich zu eurem Richter. Ich habe hier einen Freund, der ſolchen Noͤthen gern abhilft.
Sie fanden in dem Richter einen aufge- blaſnen ſtolzen Mann, der einen armen Klienten kaum eines Blicks wuͤrdigte. Fauſt kannte ihn laͤngſt fuͤr das, was er war. Der Richter fuhr Fauſts Freund verdrieß- lich an: „Was quaͤlt ihr mich, wißt ihr „doch, daß Thraͤnen die Gerechtigkeit nie „beſtechen?“
Der gebeugte Freund ſah demuͤthig zur Erde.
Fauſt. Geſtrenger Herr, da habt ihr Recht, Thraͤnen ſind auch nur Waſſer, und beißen nur das Auge deſſen der ſie weint; aber doch wißt ihr, daß mein Freund das Recht fuͤr ſich hat.
Richter. Meiſter Fauſt, ihr ſeyd mir als ein Mann bekannt, der Haab und Fahrt verpraßt, und eine loſe Zunge hat. Was kuͤmmern ſeine Thraͤnen die Gerechtigkeit?
Recht
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Fauſt. Liegt’s nur an dem? kommt, und
fuͤhrt mich zu eurem Richter. Ich habe
hier einen Freund, der ſolchen Noͤthen gern
abhilft.
Sie fanden in dem Richter einen aufge-
blaſnen ſtolzen Mann, der einen armen
Klienten kaum eines Blicks wuͤrdigte. Fauſt
kannte ihn laͤngſt fuͤr das, was er war.
Der Richter fuhr Fauſts Freund verdrieß-
lich an: „Was quaͤlt ihr mich, wißt ihr
„doch, daß Thraͤnen die Gerechtigkeit nie
„beſtechen?“
Der gebeugte Freund ſah demuͤthig zur
Erde.
Fauſt. Geſtrenger Herr, da habt ihr
Recht, Thraͤnen ſind auch nur Waſſer, und
beißen nur das Auge deſſen der ſie weint;
aber doch wißt ihr, daß mein Freund das
Recht fuͤr ſich hat.
Richter. Meiſter Fauſt, ihr ſeyd mir als
ein Mann bekannt, der Haab und Fahrt
verpraßt, und eine loſe Zunge hat. Was
kuͤmmern ſeine Thraͤnen die Gerechtigkeit?
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Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/139>, abgerufen am 24.11.2024.
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