"Geschenk, sie möchten sie fleißig lesen, und "den Spruch, den er hier unterstreiche, und "deutsch auf den Rand schreibe, dem ver- "sammelten Rath zeigen, und ihn zu seinem "Andenken mit goldnen Buchstaben an die "Wand der Rathsstube schreiben."
Die Senatoren giengen so vergnügt nach dem Römer zurück, als Gesandten, die nach einem schlechten Krieg einen guten Frieden nach Hause bringen. Sie wurden mit gro- ßer Freude empfangen, man schlug die be- merkte Stelle auf, und las:
Und siehe, es saßen die Narren im Rath, und die Thoren rathschlagten im Gerichte.
Man verschluckte die bittre Pille, weil der vermeinte Schatten der Kaiserlichen Majestät, in der Gestalt des Teufels, ihnen allen die Mäuler band, tröstete sich mit den ersparten vierhundert Goldgulden, und wünschte sich wechselsweis viel Glück, so gut aus einem so schlimmen Handel gekom- men zu seyn. Den Abgesandten wurde öf- fentlich gedankt, und Schade ist's, daß ihre
Namen
„Geſchenk, ſie moͤchten ſie fleißig leſen, und „den Spruch, den er hier unterſtreiche, und „deutſch auf den Rand ſchreibe, dem ver- „ſammelten Rath zeigen, und ihn zu ſeinem „Andenken mit goldnen Buchſtaben an die „Wand der Rathsſtube ſchreiben.“
Die Senatoren giengen ſo vergnuͤgt nach dem Roͤmer zuruͤck, als Geſandten, die nach einem ſchlechten Krieg einen guten Frieden nach Hauſe bringen. Sie wurden mit gro- ßer Freude empfangen, man ſchlug die be- merkte Stelle auf, und las:
Und ſiehe, es ſaßen die Narren im Rath, und die Thoren rathſchlagten im Gerichte.
Man verſchluckte die bittre Pille, weil der vermeinte Schatten der Kaiſerlichen Majeſtaͤt, in der Geſtalt des Teufels, ihnen allen die Maͤuler band, troͤſtete ſich mit den erſparten vierhundert Goldgulden, und wuͤnſchte ſich wechſelsweis viel Gluͤck, ſo gut aus einem ſo ſchlimmen Handel gekom- men zu ſeyn. Den Abgeſandten wurde oͤf- fentlich gedankt, und Schade iſt’s, daß ihre
Namen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0104"n="93"/>„Geſchenk, ſie moͤchten ſie fleißig leſen, und<lb/>„den Spruch, den er hier unterſtreiche, und<lb/>„deutſch auf den Rand ſchreibe, dem ver-<lb/>„ſammelten Rath zeigen, und ihn zu ſeinem<lb/>„Andenken mit goldnen Buchſtaben an die<lb/>„Wand der Rathsſtube ſchreiben.“</p><lb/><p>Die Senatoren giengen ſo vergnuͤgt nach<lb/>
dem Roͤmer zuruͤck, als Geſandten, die nach<lb/>
einem ſchlechten Krieg einen guten Frieden<lb/>
nach Hauſe bringen. Sie wurden mit gro-<lb/>
ßer Freude empfangen, man ſchlug die be-<lb/>
merkte Stelle auf, und las:</p><lb/><p><hirendition="#fr">Und ſiehe, es ſaßen die Narren im Rath,<lb/>
und die Thoren rathſchlagten im Gerichte.</hi></p><lb/><p>Man verſchluckte die bittre Pille, weil<lb/>
der vermeinte Schatten der Kaiſerlichen<lb/>
Majeſtaͤt, in der Geſtalt des Teufels, ihnen<lb/>
allen die Maͤuler band, troͤſtete ſich mit den<lb/>
erſparten vierhundert Goldgulden, und<lb/>
wuͤnſchte ſich wechſelsweis viel Gluͤck, ſo<lb/>
gut aus einem ſo ſchlimmen Handel gekom-<lb/>
men zu ſeyn. Den Abgeſandten wurde oͤf-<lb/>
fentlich gedankt, und Schade iſt’s, daß ihre<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Namen</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[93/0104]
„Geſchenk, ſie moͤchten ſie fleißig leſen, und
„den Spruch, den er hier unterſtreiche, und
„deutſch auf den Rand ſchreibe, dem ver-
„ſammelten Rath zeigen, und ihn zu ſeinem
„Andenken mit goldnen Buchſtaben an die
„Wand der Rathsſtube ſchreiben.“
Die Senatoren giengen ſo vergnuͤgt nach
dem Roͤmer zuruͤck, als Geſandten, die nach
einem ſchlechten Krieg einen guten Frieden
nach Hauſe bringen. Sie wurden mit gro-
ßer Freude empfangen, man ſchlug die be-
merkte Stelle auf, und las:
Und ſiehe, es ſaßen die Narren im Rath,
und die Thoren rathſchlagten im Gerichte.
Man verſchluckte die bittre Pille, weil
der vermeinte Schatten der Kaiſerlichen
Majeſtaͤt, in der Geſtalt des Teufels, ihnen
allen die Maͤuler band, troͤſtete ſich mit den
erſparten vierhundert Goldgulden, und
wuͤnſchte ſich wechſelsweis viel Gluͤck, ſo
gut aus einem ſo ſchlimmen Handel gekom-
men zu ſeyn. Den Abgeſandten wurde oͤf-
fentlich gedankt, und Schade iſt’s, daß ihre
Namen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/104>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.