der Hanswurst, und entschuldigt den Mario- nettendirektor, weil er es wie unser Herrgott gemacht, und die wichtigsten Rollen den talent- losesten Akteuren anvertraut habe; er leitet grade daraus aber auch wieder das Gute her, daß das Stück rührend ausfallen müsse, eben wie es bei großen tragischen Stoffen der Fall sei, die durch kleine gewöhnliche Dichter bear- beitet würden. Ueber das Leben und den Zeitkarakter macht er die höchst albernen Be- merkungen, daß beide jezt mehr rührend als komisch seyen, und daß man jezt weniger über die Menschen lachen als weinen könne, weshalb er denn auch selbst ein moralischer und ernsthafter Narr geworden, und immer nur im edlen Genre sich zeige, wo er vielen Applaus bekäme.
Darauf treten die hölzernen Puppen selbst auf; zwei Brüder ohne Herzen umarmen sich, und der Hanswurst lacht über das Zusammen- klappern der Arme, und über den Kuß, wo-
der Hanswurſt, und entſchuldigt den Mario- nettendirektor, weil er es wie unſer Herrgott gemacht, und die wichtigſten Rollen den talent- loſeſten Akteuren anvertraut habe; er leitet grade daraus aber auch wieder das Gute her, daß das Stuͤck ruͤhrend ausfallen muͤſſe, eben wie es bei großen tragiſchen Stoffen der Fall ſei, die durch kleine gewoͤhnliche Dichter bear- beitet wuͤrden. Ueber das Leben und den Zeitkarakter macht er die hoͤchſt albernen Be- merkungen, daß beide jezt mehr ruͤhrend als komiſch ſeyen, und daß man jezt weniger uͤber die Menſchen lachen als weinen koͤnne, weshalb er denn auch ſelbſt ein moraliſcher und ernſthafter Narr geworden, und immer nur im edlen Genre ſich zeige, wo er vielen Applaus bekaͤme.
Darauf treten die hoͤlzernen Puppen ſelbſt auf; zwei Bruͤder ohne Herzen umarmen ſich, und der Hanswurſt lacht uͤber das Zuſammen- klappern der Arme, und uͤber den Kuß, wo-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0065"n="63"/>
der Hanswurſt, und entſchuldigt den Mario-<lb/>
nettendirektor, weil er es wie unſer Herrgott<lb/>
gemacht, und die wichtigſten Rollen den talent-<lb/>
loſeſten Akteuren anvertraut habe; er leitet<lb/>
grade daraus aber auch wieder das Gute her,<lb/>
daß das Stuͤck ruͤhrend ausfallen muͤſſe, eben<lb/>
wie es bei großen tragiſchen Stoffen der Fall<lb/>ſei, die durch kleine gewoͤhnliche Dichter bear-<lb/>
beitet wuͤrden. Ueber das Leben und den<lb/>
Zeitkarakter macht er die hoͤchſt albernen Be-<lb/>
merkungen, daß beide jezt mehr ruͤhrend als<lb/>
komiſch ſeyen, und daß man jezt weniger<lb/>
uͤber die Menſchen lachen als weinen koͤnne,<lb/>
weshalb er denn auch ſelbſt ein moraliſcher<lb/>
und ernſthafter Narr geworden, und immer<lb/>
nur im edlen Genre ſich zeige, wo er vielen<lb/>
Applaus bekaͤme.</p><lb/><p>Darauf treten die hoͤlzernen Puppen ſelbſt<lb/>
auf; zwei Bruͤder ohne Herzen umarmen ſich,<lb/>
und der Hanswurſt lacht uͤber das Zuſammen-<lb/>
klappern der Arme, und uͤber den Kuß, wo-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[63/0065]
der Hanswurſt, und entſchuldigt den Mario-
nettendirektor, weil er es wie unſer Herrgott
gemacht, und die wichtigſten Rollen den talent-
loſeſten Akteuren anvertraut habe; er leitet
grade daraus aber auch wieder das Gute her,
daß das Stuͤck ruͤhrend ausfallen muͤſſe, eben
wie es bei großen tragiſchen Stoffen der Fall
ſei, die durch kleine gewoͤhnliche Dichter bear-
beitet wuͤrden. Ueber das Leben und den
Zeitkarakter macht er die hoͤchſt albernen Be-
merkungen, daß beide jezt mehr ruͤhrend als
komiſch ſeyen, und daß man jezt weniger
uͤber die Menſchen lachen als weinen koͤnne,
weshalb er denn auch ſelbſt ein moraliſcher
und ernſthafter Narr geworden, und immer
nur im edlen Genre ſich zeige, wo er vielen
Applaus bekaͤme.
Darauf treten die hoͤlzernen Puppen ſelbſt
auf; zwei Bruͤder ohne Herzen umarmen ſich,
und der Hanswurſt lacht uͤber das Zuſammen-
klappern der Arme, und uͤber den Kuß, wo-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/65>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.