Zeit bereit zu sein, meinem Helden den Arm zu halten; denn sein Leben kam mir vor gleichsam wie die schön gearbeitete Scheide in seiner Hand, die in der bunten Hülle den Dolch verbarg, oder wie der Blumenkorb der Kleopatra, unter dessen Rosen die giftige Schlange lauschte, und wo das Drama des Lebens sich einmal so zusammengestellt hat, muß man die tragische Katastrophe nicht ab- wenden wollen.
Ich hatte einen König Saul, als ich noch Marionettendirekteur war, dem er aufs Haar glich; auch in allen seinen Manieren -- grade solche hölzerne mechanische Bewegungen, und einen so steinernen antiken Stil, wodurch sich Marionettentruppen vor lebenden Schauspie- lern auszeichnen, die heut zu Tage auf un- sern Theatern nicht einmal auf die rechte Weise zu sterben verstehen.
Es war schon alles dicht bis zum Nieder- fallen des Vorhangs beendigt, da blieb dem Manne plötzlich der schon zum Todesstoße auf-
Zeit bereit zu ſein, meinem Helden den Arm zu halten; denn ſein Leben kam mir vor gleichſam wie die ſchoͤn gearbeitete Scheide in ſeiner Hand, die in der bunten Huͤlle den Dolch verbarg, oder wie der Blumenkorb der Kleopatra, unter deſſen Roſen die giftige Schlange lauſchte, und wo das Drama des Lebens ſich einmal ſo zuſammengeſtellt hat, muß man die tragiſche Kataſtrophe nicht ab- wenden wollen.
Ich hatte einen Koͤnig Saul, als ich noch Marionettendirekteur war, dem er aufs Haar glich; auch in allen ſeinen Manieren — grade ſolche hoͤlzerne mechaniſche Bewegungen, und einen ſo ſteinernen antiken Stil, wodurch ſich Marionettentruppen vor lebenden Schauſpie- lern auszeichnen, die heut zu Tage auf un- ſern Theatern nicht einmal auf die rechte Weiſe zu ſterben verſtehen.
Es war ſchon alles dicht bis zum Nieder- fallen des Vorhangs beendigt, da blieb dem Manne ploͤtzlich der ſchon zum Todesſtoße auf-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0057"n="55"/>
Zeit bereit zu ſein, meinem Helden den Arm<lb/>
zu halten; denn ſein Leben kam mir vor<lb/>
gleichſam wie die ſchoͤn gearbeitete Scheide in<lb/>ſeiner Hand, die in der bunten Huͤlle den<lb/>
Dolch verbarg, oder wie der Blumenkorb der<lb/>
Kleopatra, unter deſſen Roſen die giftige<lb/>
Schlange lauſchte, und wo das Drama des<lb/>
Lebens ſich einmal ſo zuſammengeſtellt hat,<lb/>
muß man die tragiſche Kataſtrophe nicht ab-<lb/>
wenden wollen.</p><lb/><p>Ich hatte einen Koͤnig Saul, als ich noch<lb/>
Marionettendirekteur war, dem er aufs Haar<lb/>
glich; auch in allen ſeinen Manieren — grade<lb/>ſolche hoͤlzerne mechaniſche Bewegungen, und<lb/>
einen ſo ſteinernen antiken Stil, wodurch ſich<lb/>
Marionettentruppen vor lebenden Schauſpie-<lb/>
lern auszeichnen, die heut zu Tage auf un-<lb/>ſern Theatern nicht einmal auf die rechte Weiſe<lb/>
zu ſterben verſtehen.</p><lb/><p>Es war ſchon alles dicht bis zum Nieder-<lb/>
fallen des Vorhangs beendigt, da blieb dem<lb/>
Manne ploͤtzlich der ſchon zum Todesſtoße auf-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[55/0057]
Zeit bereit zu ſein, meinem Helden den Arm
zu halten; denn ſein Leben kam mir vor
gleichſam wie die ſchoͤn gearbeitete Scheide in
ſeiner Hand, die in der bunten Huͤlle den
Dolch verbarg, oder wie der Blumenkorb der
Kleopatra, unter deſſen Roſen die giftige
Schlange lauſchte, und wo das Drama des
Lebens ſich einmal ſo zuſammengeſtellt hat,
muß man die tragiſche Kataſtrophe nicht ab-
wenden wollen.
Ich hatte einen Koͤnig Saul, als ich noch
Marionettendirekteur war, dem er aufs Haar
glich; auch in allen ſeinen Manieren — grade
ſolche hoͤlzerne mechaniſche Bewegungen, und
einen ſo ſteinernen antiken Stil, wodurch ſich
Marionettentruppen vor lebenden Schauſpie-
lern auszeichnen, die heut zu Tage auf un-
ſern Theatern nicht einmal auf die rechte Weiſe
zu ſterben verſtehen.
Es war ſchon alles dicht bis zum Nieder-
fallen des Vorhangs beendigt, da blieb dem
Manne ploͤtzlich der ſchon zum Todesſtoße auf-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/57>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.