Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite

der Weltgeschichte erscheint, und ihr begei-
sterten Sänger, die ihr von den Königlichen
entzückt redet und sie verherrlicht! Die andern
mögen ruhig schlafen und recht sanft, auch
angenehme Träume haben, die gönne ich ih-
nen von Herzen!" --

"Mit dir, alter Alchymist, möchte ich
den Weg schon antreten; nur betteln sollst du
mir nicht um den Himmel -- nicht betteln --
lieber ertroze ihn, wenn du Kraft hast. Die
stürzenden Titanen sind mehr werth, als ein
ganzer Erdball voll Heuchler, die sich ins Pan-
theon durch ein wenig Moral und so und so
zusammengehaltene Tugend schleichen möchten!
Laß uns dem Riesen der zweiten Welt gerü-
stet entgegengehen; denn nur wenn wir unsere
Fahne dort aufpflanzen, sind wir es werth
dort zu wohnen! -- Laß das Betteln; ich
reiße dir die Hände mit Gewalt auseinan-
der!" -- --

"Wehe! Was ist das -- bist auch du nur
eine Maske und betrügst mich? -- Ich sehe

der Weltgeſchichte erſcheint, und ihr begei-
ſterten Saͤnger, die ihr von den Koͤniglichen
entzuͤckt redet und ſie verherrlicht! Die andern
moͤgen ruhig ſchlafen und recht ſanft, auch
angenehme Traͤume haben, die goͤnne ich ih-
nen von Herzen!“ —

„Mit dir, alter Alchymiſt, moͤchte ich
den Weg ſchon antreten; nur betteln ſollſt du
mir nicht um den Himmel — nicht betteln —
lieber ertroze ihn, wenn du Kraft haſt. Die
ſtuͤrzenden Titanen ſind mehr werth, als ein
ganzer Erdball voll Heuchler, die ſich ins Pan-
theon durch ein wenig Moral und ſo und ſo
zuſammengehaltene Tugend ſchleichen moͤchten!
Laß uns dem Rieſen der zweiten Welt geruͤ-
ſtet entgegengehen; denn nur wenn wir unſere
Fahne dort aufpflanzen, ſind wir es werth
dort zu wohnen! — Laß das Betteln; ich
reiße dir die Haͤnde mit Gewalt auseinan-
der!“ — —

„Wehe! Was iſt das — biſt auch du nur
eine Maske und betruͤgſt mich? — Ich ſehe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0297" n="295"/>
der Weltge&#x017F;chichte er&#x017F;cheint, und ihr begei-<lb/>
&#x017F;terten Sa&#x0364;nger, die ihr von den Ko&#x0364;niglichen<lb/>
entzu&#x0364;ckt redet und &#x017F;ie verherrlicht! Die andern<lb/>
mo&#x0364;gen ruhig &#x017F;chlafen und recht &#x017F;anft, auch<lb/>
angenehme Tra&#x0364;ume haben, die go&#x0364;nne ich ih-<lb/>
nen von Herzen!&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Mit dir, alter Alchymi&#x017F;t, mo&#x0364;chte ich<lb/>
den Weg &#x017F;chon antreten; nur betteln &#x017F;oll&#x017F;t du<lb/>
mir nicht um den Himmel &#x2014; nicht betteln &#x2014;<lb/>
lieber ertroze ihn, wenn du Kraft ha&#x017F;t. Die<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;rzenden Titanen &#x017F;ind mehr werth, als ein<lb/>
ganzer Erdball voll Heuchler, die &#x017F;ich ins Pan-<lb/>
theon durch ein wenig Moral und &#x017F;o und &#x017F;o<lb/>
zu&#x017F;ammengehaltene Tugend &#x017F;chleichen mo&#x0364;chten!<lb/>
Laß uns dem Rie&#x017F;en der zweiten Welt geru&#x0364;-<lb/>
&#x017F;tet entgegengehen; denn nur wenn wir un&#x017F;ere<lb/>
Fahne dort aufpflanzen, &#x017F;ind wir es werth<lb/>
dort zu wohnen! &#x2014; Laß das Betteln; ich<lb/>
reiße dir die Ha&#x0364;nde mit Gewalt auseinan-<lb/>
der!&#x201C; &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wehe! Was i&#x017F;t das &#x2014; bi&#x017F;t auch du nur<lb/>
eine Maske und betru&#x0364;g&#x017F;t mich? &#x2014; Ich &#x017F;ehe<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[295/0297] der Weltgeſchichte erſcheint, und ihr begei- ſterten Saͤnger, die ihr von den Koͤniglichen entzuͤckt redet und ſie verherrlicht! Die andern moͤgen ruhig ſchlafen und recht ſanft, auch angenehme Traͤume haben, die goͤnne ich ih- nen von Herzen!“ — „Mit dir, alter Alchymiſt, moͤchte ich den Weg ſchon antreten; nur betteln ſollſt du mir nicht um den Himmel — nicht betteln — lieber ertroze ihn, wenn du Kraft haſt. Die ſtuͤrzenden Titanen ſind mehr werth, als ein ganzer Erdball voll Heuchler, die ſich ins Pan- theon durch ein wenig Moral und ſo und ſo zuſammengehaltene Tugend ſchleichen moͤchten! Laß uns dem Rieſen der zweiten Welt geruͤ- ſtet entgegengehen; denn nur wenn wir unſere Fahne dort aufpflanzen, ſind wir es werth dort zu wohnen! — Laß das Betteln; ich reiße dir die Haͤnde mit Gewalt auseinan- der!“ — — „Wehe! Was iſt das — biſt auch du nur eine Maske und betruͤgſt mich? — Ich ſehe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/297
Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/297>, abgerufen am 07.05.2024.