erklärte daß sie bei solchen Entscheidungen als die erste und lezte Instanz anzusehen sei, sie ließ sich den Schädel ausliefern, und wie es bald darauf hieß, war er verschwunden, und mehrere der geistlichen Herren wollten in der Nachtstunde den Teufel selbst gesehen haben, wie er den ihm fehlenden Kopf wieder mit sich nahm.
Somit blieb die ganze Sache so gut, wie unaufgeklärt, um so mehr, da der einzige, der allenfalls noch einiges Licht hätte geben kön- nen, jener Pfaff nemlich, der das Anathema über den Freigeist aussprach, an einem Schlag- flusse plötzlich Todes verfahren war. So sagte es wenigstens das Gerücht und die Klosterher- ren; denn den Leichnam selbst hatte kein Pro- faner gesehen, weil er, der warmen Jahrszeit wegen, schnell beigesetzt werden mußte.
Die Geschichte ging mir während meiner Nachtwache sehr im Kopfe herum, denn ich
erklaͤrte daß ſie bei ſolchen Entſcheidungen als die erſte und lezte Inſtanz anzuſehen ſei, ſie ließ ſich den Schaͤdel ausliefern, und wie es bald darauf hieß, war er verſchwunden, und mehrere der geiſtlichen Herren wollten in der Nachtſtunde den Teufel ſelbſt geſehen haben, wie er den ihm fehlenden Kopf wieder mit ſich nahm.
Somit blieb die ganze Sache ſo gut, wie unaufgeklaͤrt, um ſo mehr, da der einzige, der allenfalls noch einiges Licht haͤtte geben koͤn- nen, jener Pfaff nemlich, der das Anathema uͤber den Freigeiſt ausſprach, an einem Schlag- fluſſe ploͤtzlich Todes verfahren war. So ſagte es wenigſtens das Geruͤcht und die Kloſterher- ren; denn den Leichnam ſelbſt hatte kein Pro- faner geſehen, weil er, der warmen Jahrszeit wegen, ſchnell beigeſetzt werden mußte.
Die Geſchichte ging mir waͤhrend meiner Nachtwache ſehr im Kopfe herum, denn ich
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0029"n="27"/>
erklaͤrte daß ſie bei ſolchen Entſcheidungen als<lb/>
die erſte und lezte Inſtanz anzuſehen ſei, ſie<lb/>
ließ ſich den Schaͤdel ausliefern, und wie es<lb/>
bald darauf hieß, war er verſchwunden, und<lb/>
mehrere der geiſtlichen Herren wollten in der<lb/>
Nachtſtunde den Teufel ſelbſt geſehen haben,<lb/>
wie er den ihm fehlenden Kopf wieder mit ſich<lb/>
nahm.</p><lb/><p>Somit blieb die ganze Sache ſo gut, wie<lb/>
unaufgeklaͤrt, um ſo mehr, da der einzige, der<lb/>
allenfalls noch einiges Licht haͤtte geben koͤn-<lb/>
nen, jener Pfaff nemlich, der das Anathema<lb/>
uͤber den Freigeiſt ausſprach, an einem Schlag-<lb/>
fluſſe ploͤtzlich Todes verfahren war. So ſagte<lb/>
es wenigſtens das Geruͤcht und die Kloſterher-<lb/>
ren; denn den Leichnam ſelbſt hatte kein Pro-<lb/>
faner geſehen, weil er, der warmen Jahrszeit<lb/>
wegen, ſchnell beigeſetzt werden mußte.</p><lb/><p>Die Geſchichte ging mir waͤhrend meiner<lb/>
Nachtwache ſehr im Kopfe herum, denn ich<lb/></p></div></body></text></TEI>
[27/0029]
erklaͤrte daß ſie bei ſolchen Entſcheidungen als
die erſte und lezte Inſtanz anzuſehen ſei, ſie
ließ ſich den Schaͤdel ausliefern, und wie es
bald darauf hieß, war er verſchwunden, und
mehrere der geiſtlichen Herren wollten in der
Nachtſtunde den Teufel ſelbſt geſehen haben,
wie er den ihm fehlenden Kopf wieder mit ſich
nahm.
Somit blieb die ganze Sache ſo gut, wie
unaufgeklaͤrt, um ſo mehr, da der einzige, der
allenfalls noch einiges Licht haͤtte geben koͤn-
nen, jener Pfaff nemlich, der das Anathema
uͤber den Freigeiſt ausſprach, an einem Schlag-
fluſſe ploͤtzlich Todes verfahren war. So ſagte
es wenigſtens das Geruͤcht und die Kloſterher-
ren; denn den Leichnam ſelbſt hatte kein Pro-
faner geſehen, weil er, der warmen Jahrszeit
wegen, ſchnell beigeſetzt werden mußte.
Die Geſchichte ging mir waͤhrend meiner
Nachtwache ſehr im Kopfe herum, denn ich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/29>, abgerufen am 09.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.