Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite

dieser arme Kopf gethan, daß ihr so mit ihm
umspringt; er ist das mechanischste Ding auf
der Welt und es wohnt nicht einmal ein Ge-
danke in ihm. Fordert doch von diesem Kopfe
keine Freiheit, da er selbst nichts Analoges
davon in sich enthält. -- Auch ist es ein miß-
liches Ding um das, was ihr Freiheit schel-
tet, ist es doch nicht das Marionettenspiel
allein, was ihr heute gesehen habt, wo dem
hölzernen Könige der Kopf ohne weiteren Er-
folg vom Rumpfe geschlagen wird, sondern ich
habe dergleichen von noch fehlerhafterer Natur
in meinem Kasten, wo der Dichter dem Stoffe
nicht gewachsen war, und er nach Art politi-
scher Poeten, die Republick an der er dichtete,
zu einer Despotie verpfuschte. Ich kann der-
gleichen vor euch aufführen! -- Unrecht bleibt
es auch immer solche widernatürliche Strafen
zu exerziren, als z. B. da auf das Köpfen zu
bestehen, wo sich kein Kopf vorfindet, denn
dieser hölzerne ist nur blos für das Auge da,
und zum Glücke verstehe ich es, ihn wieder

dieſer arme Kopf gethan, daß ihr ſo mit ihm
umſpringt; er iſt das mechaniſchſte Ding auf
der Welt und es wohnt nicht einmal ein Ge-
danke in ihm. Fordert doch von dieſem Kopfe
keine Freiheit, da er ſelbſt nichts Analoges
davon in ſich enthaͤlt. — Auch iſt es ein miß-
liches Ding um das, was ihr Freiheit ſchel-
tet, iſt es doch nicht das Marionettenſpiel
allein, was ihr heute geſehen habt, wo dem
hoͤlzernen Koͤnige der Kopf ohne weiteren Er-
folg vom Rumpfe geſchlagen wird, ſondern ich
habe dergleichen von noch fehlerhafterer Natur
in meinem Kaſten, wo der Dichter dem Stoffe
nicht gewachſen war, und er nach Art politi-
ſcher Poeten, die Republick an der er dichtete,
zu einer Despotie verpfuſchte. Ich kann der-
gleichen vor euch auffuͤhren! — Unrecht bleibt
es auch immer ſolche widernatuͤrliche Strafen
zu exerziren, als z. B. da auf das Koͤpfen zu
beſtehen, wo ſich kein Kopf vorfindet, denn
dieſer hoͤlzerne iſt nur blos fuͤr das Auge da,
und zum Gluͤcke verſtehe ich es, ihn wieder

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0268" n="266"/>
die&#x017F;er arme Kopf gethan, daß ihr &#x017F;o mit ihm<lb/>
um&#x017F;pringt; er i&#x017F;t das mechani&#x017F;ch&#x017F;te Ding auf<lb/>
der Welt und es wohnt nicht einmal ein Ge-<lb/>
danke in ihm. Fordert doch von die&#x017F;em Kopfe<lb/>
keine Freiheit, da er &#x017F;elb&#x017F;t nichts Analoges<lb/>
davon in &#x017F;ich entha&#x0364;lt. &#x2014; Auch i&#x017F;t es ein miß-<lb/>
liches Ding um das, was ihr Freiheit &#x017F;chel-<lb/>
tet, i&#x017F;t es doch nicht das Marionetten&#x017F;piel<lb/>
allein, was ihr heute ge&#x017F;ehen habt, wo dem<lb/>
ho&#x0364;lzernen Ko&#x0364;nige der Kopf ohne weiteren Er-<lb/>
folg vom Rumpfe ge&#x017F;chlagen wird, &#x017F;ondern ich<lb/>
habe dergleichen von noch fehlerhafterer Natur<lb/>
in meinem Ka&#x017F;ten, wo der Dichter dem Stoffe<lb/>
nicht gewach&#x017F;en war, und er nach Art politi-<lb/>
&#x017F;cher Poeten, die Republick an der er dichtete,<lb/>
zu einer Despotie verpfu&#x017F;chte. Ich kann der-<lb/>
gleichen vor euch auffu&#x0364;hren! &#x2014; Unrecht bleibt<lb/>
es auch immer &#x017F;olche widernatu&#x0364;rliche Strafen<lb/>
zu exerziren, als z. B. da auf das Ko&#x0364;pfen zu<lb/>
be&#x017F;tehen, wo &#x017F;ich kein Kopf vorfindet, denn<lb/>
die&#x017F;er ho&#x0364;lzerne i&#x017F;t nur blos fu&#x0364;r das Auge da,<lb/>
und zum Glu&#x0364;cke ver&#x017F;tehe ich es, ihn wieder<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[266/0268] dieſer arme Kopf gethan, daß ihr ſo mit ihm umſpringt; er iſt das mechaniſchſte Ding auf der Welt und es wohnt nicht einmal ein Ge- danke in ihm. Fordert doch von dieſem Kopfe keine Freiheit, da er ſelbſt nichts Analoges davon in ſich enthaͤlt. — Auch iſt es ein miß- liches Ding um das, was ihr Freiheit ſchel- tet, iſt es doch nicht das Marionettenſpiel allein, was ihr heute geſehen habt, wo dem hoͤlzernen Koͤnige der Kopf ohne weiteren Er- folg vom Rumpfe geſchlagen wird, ſondern ich habe dergleichen von noch fehlerhafterer Natur in meinem Kaſten, wo der Dichter dem Stoffe nicht gewachſen war, und er nach Art politi- ſcher Poeten, die Republick an der er dichtete, zu einer Despotie verpfuſchte. Ich kann der- gleichen vor euch auffuͤhren! — Unrecht bleibt es auch immer ſolche widernatuͤrliche Strafen zu exerziren, als z. B. da auf das Koͤpfen zu beſtehen, wo ſich kein Kopf vorfindet, denn dieſer hoͤlzerne iſt nur blos fuͤr das Auge da, und zum Gluͤcke verſtehe ich es, ihn wieder

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/268
Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/268>, abgerufen am 18.12.2024.