aufgreifen; mag Frühling, Winter, Sommer oder Herbst die Bühne dekoriren, und der Theatermeister Sonne oder Mond hineinhän- gen, oder hinter den Koulissen donnern und stürmen -- alles verfliegt doch wieder und löscht aus und verwandelt sich -- bis auf den Frühling in dem Menschenherzen; und wenn die Koulissen ganz weggezogen sind, steht nur ein seltsames nacktes Gerippe dahinter, ohne Farbe und Leben, und das Gerippe grinset die anderen noch herumlaufenden Komödianten an.
Willst du aus der Rolle dich herauslesen, bis zum Ich? -- Sieh dort steht das Gerippe und wirft eine Handvoll Staub in die Luft und fällt jezt selbst zusammen; -- aber hin- terdrein wird höhnisch gelacht. Das ist der Weltgeist, oder der Teufel -- oder das Nichts im Wiederhalle!
Sein oder Nichtsein! Wie einfältig war ich damals, als ich mit dem Finger an der
aufgreifen; mag Fruͤhling, Winter, Sommer oder Herbſt die Buͤhne dekoriren, und der Theatermeiſter Sonne oder Mond hineinhaͤn- gen, oder hinter den Kouliſſen donnern und ſtuͤrmen — alles verfliegt doch wieder und loͤſcht aus und verwandelt ſich — bis auf den Fruͤhling in dem Menſchenherzen; und wenn die Kouliſſen ganz weggezogen ſind, ſteht nur ein ſeltſames nacktes Gerippe dahinter, ohne Farbe und Leben, und das Gerippe grinſet die anderen noch herumlaufenden Komoͤdianten an.
Willſt du aus der Rolle dich herausleſen, bis zum Ich? — Sieh dort ſteht das Gerippe und wirft eine Handvoll Staub in die Luft und faͤllt jezt ſelbſt zuſammen; — aber hin- terdrein wird hoͤhniſch gelacht. Das iſt der Weltgeiſt, oder der Teufel — oder das Nichts im Wiederhalle!
Sein oder Nichtſein! Wie einfaͤltig war ich damals, als ich mit dem Finger an der
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0248"n="246"/>
aufgreifen; mag Fruͤhling, Winter, Sommer<lb/>
oder Herbſt die Buͤhne <choice><sic>dekorireu</sic><corr>dekoriren</corr></choice>, und der<lb/>
Theatermeiſter Sonne oder Mond hineinhaͤn-<lb/>
gen, oder hinter den Kouliſſen donnern und<lb/>ſtuͤrmen — alles verfliegt doch wieder und<lb/>
loͤſcht aus und verwandelt ſich — bis auf den<lb/>
Fruͤhling in dem Menſchenherzen; und wenn<lb/>
die Kouliſſen ganz weggezogen ſind, ſteht nur<lb/>
ein ſeltſames nacktes Gerippe dahinter, ohne<lb/>
Farbe und Leben, und das Gerippe grinſet die<lb/>
anderen noch herumlaufenden Komoͤdianten<lb/>
an.</p><lb/><p>Willſt du aus der Rolle dich herausleſen,<lb/>
bis zum Ich? — Sieh dort ſteht das Gerippe<lb/>
und wirft eine Handvoll Staub in die Luft<lb/>
und faͤllt jezt ſelbſt zuſammen; — aber hin-<lb/>
terdrein wird hoͤhniſch gelacht. Das iſt der<lb/>
Weltgeiſt, oder der Teufel — oder das Nichts<lb/>
im Wiederhalle!</p><lb/><p>Sein oder Nichtſein! Wie einfaͤltig war<lb/>
ich damals, als ich mit dem Finger an der<lb/></p></div></body></text></TEI>
[246/0248]
aufgreifen; mag Fruͤhling, Winter, Sommer
oder Herbſt die Buͤhne dekoriren, und der
Theatermeiſter Sonne oder Mond hineinhaͤn-
gen, oder hinter den Kouliſſen donnern und
ſtuͤrmen — alles verfliegt doch wieder und
loͤſcht aus und verwandelt ſich — bis auf den
Fruͤhling in dem Menſchenherzen; und wenn
die Kouliſſen ganz weggezogen ſind, ſteht nur
ein ſeltſames nacktes Gerippe dahinter, ohne
Farbe und Leben, und das Gerippe grinſet die
anderen noch herumlaufenden Komoͤdianten
an.
Willſt du aus der Rolle dich herausleſen,
bis zum Ich? — Sieh dort ſteht das Gerippe
und wirft eine Handvoll Staub in die Luft
und faͤllt jezt ſelbſt zuſammen; — aber hin-
terdrein wird hoͤhniſch gelacht. Das iſt der
Weltgeiſt, oder der Teufel — oder das Nichts
im Wiederhalle!
Sein oder Nichtſein! Wie einfaͤltig war
ich damals, als ich mit dem Finger an der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/248>, abgerufen am 04.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.