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Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

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auf, aber die Beleuchtung fehlte, und ich stieg
nur an dem Leben herum, wie an einem him-
melhohen Felsen, mit verbundenen Augen; ich
fühlte die seidene Wange der Blume, trank
ihren Duft -- aber ich träumte, die Blume
selbst sei unendlich schöner als ihr Duft und
ihre seidene Wange.

Ein lebhafter wunderbarer Traum ließ mich
in einer Nacht das Licht erblicken, und es war
es wahrlich; aber als ich erwachte, bemühete
ich mich vergeblich den Traum wieder hervor-
zurufen.

Um diese Zeit stieg die Musik wie ein lieb-
licher Genius in meinen dunkeln Kerker, und
schlang um ihre Saiten die zarten Blumen-
kränze der Poesie. Es war heiliger Boden
den ich jetzt betrat -- das erste Italien mei-
ner Sehnsucht.

Der Engel der zwischen den beiden Musen
wandelte und sie mir zuführte, war ein Mäd-

auf, aber die Beleuchtung fehlte, und ich ſtieg
nur an dem Leben herum, wie an einem him-
melhohen Felſen, mit verbundenen Augen; ich
fuͤhlte die ſeidene Wange der Blume, trank
ihren Duft — aber ich traͤumte, die Blume
ſelbſt ſei unendlich ſchoͤner als ihr Duft und
ihre ſeidene Wange.

Ein lebhafter wunderbarer Traum ließ mich
in einer Nacht das Licht erblicken, und es war
es wahrlich; aber als ich erwachte, bemuͤhete
ich mich vergeblich den Traum wieder hervor-
zurufen.

Um dieſe Zeit ſtieg die Muſik wie ein lieb-
licher Genius in meinen dunkeln Kerker, und
ſchlang um ihre Saiten die zarten Blumen-
kraͤnze der Poeſie. Es war heiliger Boden
den ich jetzt betrat — das erſte Italien mei-
ner Sehnſucht.

Der Engel der zwiſchen den beiden Muſen
wandelte und ſie mir zufuͤhrte, war ein Maͤd-

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[194/0196] auf, aber die Beleuchtung fehlte, und ich ſtieg nur an dem Leben herum, wie an einem him- melhohen Felſen, mit verbundenen Augen; ich fuͤhlte die ſeidene Wange der Blume, trank ihren Duft — aber ich traͤumte, die Blume ſelbſt ſei unendlich ſchoͤner als ihr Duft und ihre ſeidene Wange. Ein lebhafter wunderbarer Traum ließ mich in einer Nacht das Licht erblicken, und es war es wahrlich; aber als ich erwachte, bemuͤhete ich mich vergeblich den Traum wieder hervor- zurufen. Um dieſe Zeit ſtieg die Muſik wie ein lieb- licher Genius in meinen dunkeln Kerker, und ſchlang um ihre Saiten die zarten Blumen- kraͤnze der Poeſie. Es war heiliger Boden den ich jetzt betrat — das erſte Italien mei- ner Sehnſucht. Der Engel der zwiſchen den beiden Muſen wandelte und ſie mir zufuͤhrte, war ein Maͤd-

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Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/196>, abgerufen am 22.11.2024.