Sprache in die Unsterblichkeit übersetzen -- wir laboriren zwar alle mehr oder minder an fixen Ideen; nicht nur einzelne Individuen, sondern ganze Gemeinheiten und Fakultäten, von denen z. B. viele der lezteren neben dem Vertriebe der Weisheit auch einem bloßen Huthhandel obliegen, wodurch sie sogar nicht weise Häupter, bloß vermöge des leichten Auf- drückens eines solchen Huthes aus ihrer Fa- brik in weise umzusetzen glauben; ja ihn oft selbst auf einen bloßen Rumpf schlagen und so scheinbar Philosophen bilden, weil die Gesich- ter der lezteren vor übergroßem Spekuliren sich ohnedies gewöhnlich tief unter die Huth- krempe zu verkriechen pflegen. -- Ich habe der vielen Beispiele halber, die sich hier mei- nem Gedächtnisse aufdrängen, den Faden des Perioden verlohren, und reiße ihn lieber ganz ab, um von neuem anzuheben."
Oehlmann schüttelte hier seinen Doktorhut, wie wenn er daran zweifelte, daß man dem
Sprache in die Unſterblichkeit uͤberſetzen — wir laboriren zwar alle mehr oder minder an fixen Ideen; nicht nur einzelne Individuen, ſondern ganze Gemeinheiten und Fakultaͤten, von denen z. B. viele der lezteren neben dem Vertriebe der Weisheit auch einem bloßen Huthhandel obliegen, wodurch ſie ſogar nicht weiſe Haͤupter, bloß vermoͤge des leichten Auf- druͤckens eines ſolchen Huthes aus ihrer Fa- brik in weiſe umzuſetzen glauben; ja ihn oft ſelbſt auf einen bloßen Rumpf ſchlagen und ſo ſcheinbar Philoſophen bilden, weil die Geſich- ter der lezteren vor uͤbergroßem Spekuliren ſich ohnedies gewoͤhnlich tief unter die Huth- krempe zu verkriechen pflegen. — Ich habe der vielen Beiſpiele halber, die ſich hier mei- nem Gedaͤchtniſſe aufdraͤngen, den Faden des Perioden verlohren, und reiße ihn lieber ganz ab, um von neuem anzuheben.“
Oehlmann ſchuͤttelte hier ſeinen Doktorhut, wie wenn er daran zweifelte, daß man dem
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Sprache in die Unſterblichkeit uͤberſetzen —
wir laboriren zwar alle mehr oder minder an
fixen Ideen; nicht nur einzelne Individuen,
ſondern ganze Gemeinheiten und Fakultaͤten,
von denen z. B. viele der lezteren neben dem
Vertriebe der Weisheit auch einem bloßen
Huthhandel obliegen, wodurch ſie ſogar nicht
weiſe Haͤupter, bloß vermoͤge des leichten Auf-
druͤckens eines ſolchen Huthes aus ihrer Fa-
brik in weiſe umzuſetzen glauben; ja ihn oft
ſelbſt auf einen bloßen Rumpf ſchlagen und ſo
ſcheinbar Philoſophen bilden, weil die Geſich-
ter der lezteren vor uͤbergroßem Spekuliren
ſich ohnedies gewoͤhnlich tief unter die Huth-
krempe zu verkriechen pflegen. — Ich habe
der vielen Beiſpiele halber, die ſich hier mei-
nem Gedaͤchtniſſe aufdraͤngen, den Faden des
Perioden verlohren, und reiße ihn lieber ganz
ab, um von neuem anzuheben.“
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Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/158>, abgerufen am 27.11.2024.
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