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Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

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sein dunkles Kämmerchen schleichen, bis es
dem Direktor gefällt eine neue Komödie anzu-
sagen. Wollte er sein Ich in puris naturali-
bus
oder auch nur im Nachtkleide und mit der
Schlafmüze zeigen, beim Teufel jedermann
würde vor der Seichtigkeit und Nichtsnuzig-
keit davon laufen; so behängt er's aber mit
bunten Theaterlappen und nimmt die Masken
der Freude und Liebe vor das Gesicht, um
interessant zu scheinen, und durch das innen
angebrachte Sprachrohr die Stimme zu erhö-
hen; dann schaut zulezt das Ich auf die Lap-
pen herab, und bildet sich ein sie machten's
aus, ja es giebt wohl gar andere noch schlech-
ter gekleidete Ich's, die den zusammengeflikten
Popanz bewundern und lobpreisen; denn beim
Lichte besehen ist doch die zweite Mandan-
dane*)
auch eine nur künstlicher zusammenge-
nähte, die eine gorge de Paris vorgestekt
hat um ein Herz zu fingiren, und eine täu-

*) Göthe's Triumpf der Empfindsamkeit.

ſein dunkles Kaͤmmerchen ſchleichen, bis es
dem Direktor gefaͤllt eine neue Komoͤdie anzu-
ſagen. Wollte er ſein Ich in puris naturali-
bus
oder auch nur im Nachtkleide und mit der
Schlafmuͤze zeigen, beim Teufel jedermann
wuͤrde vor der Seichtigkeit und Nichtsnuzig-
keit davon laufen; ſo behaͤngt er’s aber mit
bunten Theaterlappen und nimmt die Masken
der Freude und Liebe vor das Geſicht, um
intereſſant zu ſcheinen, und durch das innen
angebrachte Sprachrohr die Stimme zu erhoͤ-
hen; dann ſchaut zulezt das Ich auf die Lap-
pen herab, und bildet ſich ein ſie machten’s
aus, ja es giebt wohl gar andere noch ſchlech-
ter gekleidete Ich’s, die den zuſammengeflikten
Popanz bewundern und lobpreiſen; denn beim
Lichte beſehen iſt doch die zweite Mandan-
dane*)
auch eine nur kuͤnſtlicher zuſammenge-
naͤhte, die eine gorge de Paris vorgeſtekt
hat um ein Herz zu fingiren, und eine taͤu-

*) Goͤthe’s Triumpf der Empfindſamkeit.
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[149/0151] ſein dunkles Kaͤmmerchen ſchleichen, bis es dem Direktor gefaͤllt eine neue Komoͤdie anzu- ſagen. Wollte er ſein Ich in puris naturali- bus oder auch nur im Nachtkleide und mit der Schlafmuͤze zeigen, beim Teufel jedermann wuͤrde vor der Seichtigkeit und Nichtsnuzig- keit davon laufen; ſo behaͤngt er’s aber mit bunten Theaterlappen und nimmt die Masken der Freude und Liebe vor das Geſicht, um intereſſant zu ſcheinen, und durch das innen angebrachte Sprachrohr die Stimme zu erhoͤ- hen; dann ſchaut zulezt das Ich auf die Lap- pen herab, und bildet ſich ein ſie machten’s aus, ja es giebt wohl gar andere noch ſchlech- ter gekleidete Ich’s, die den zuſammengeflikten Popanz bewundern und lobpreiſen; denn beim Lichte beſehen iſt doch die zweite Mandan- dane *) auch eine nur kuͤnſtlicher zuſammenge- naͤhte, die eine gorge de Paris vorgeſtekt hat um ein Herz zu fingiren, und eine taͤu- *) Goͤthe’s Triumpf der Empfindſamkeit.

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Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/151>, abgerufen am 05.05.2024.