Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite

Ich war in diesem Augenblicke seiner Fort-
dauer gewiß; denn nur das endliche Wesen
kann den Gedanken der Vernichtung nicht den-
ken, während der unsterbliche Geist nicht vor
ihr zittert, der sich, ein freies Wesen, ihr
frei opfern kann, wie sich die Indischen Wei-
ber kühn in die Flammen stürzen, und der
Vernichtung weihen.

Ein milder Wahnsinn schien bei diesem An-
blicke den Pfaffen zu ergreifen, und getreu
seinem Karakter redete er jezt, indem ihm das
Beschreiben zu ohnmächtig erschien, in der
Person des Teufels selbst, der ihm am näch-
sten lag. Er drückte sich wie ein Meister darin
aus ächt teufelisch im kühnsten Style, und
fern von der schwachen Manier des modernen
Teufels.

Dem Kranken wurde es zu arg. Er wen-
dete sich finster weg, und blickte die drei Früh-
lingsrosen an, die um sein Bette blüheten.

Ich war in dieſem Augenblicke ſeiner Fort-
dauer gewiß; denn nur das endliche Weſen
kann den Gedanken der Vernichtung nicht den-
ken, waͤhrend der unſterbliche Geiſt nicht vor
ihr zittert, der ſich, ein freies Weſen, ihr
frei opfern kann, wie ſich die Indiſchen Wei-
ber kuͤhn in die Flammen ſtuͤrzen, und der
Vernichtung weihen.

Ein milder Wahnſinn ſchien bei dieſem An-
blicke den Pfaffen zu ergreifen, und getreu
ſeinem Karakter redete er jezt, indem ihm das
Beſchreiben zu ohnmaͤchtig erſchien, in der
Perſon des Teufels ſelbſt, der ihm am naͤch-
ſten lag. Er druͤckte ſich wie ein Meiſter darin
aus aͤcht teufeliſch im kuͤhnſten Style, und
fern von der ſchwachen Manier des modernen
Teufels.

Dem Kranken wurde es zu arg. Er wen-
dete ſich finſter weg, und blickte die drei Fruͤh-
lingsroſen an, die um ſein Bette bluͤheten.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0010" n="8"/>
        <p>Ich war in die&#x017F;em Augenblicke &#x017F;einer Fort-<lb/>
dauer gewiß; denn nur das endliche We&#x017F;en<lb/>
kann den Gedanken der Vernichtung nicht den-<lb/>
ken, wa&#x0364;hrend der un&#x017F;terbliche Gei&#x017F;t nicht vor<lb/>
ihr zittert, der &#x017F;ich, ein freies We&#x017F;en, ihr<lb/>
frei opfern kann, wie &#x017F;ich die Indi&#x017F;chen Wei-<lb/>
ber ku&#x0364;hn in die Flammen &#x017F;tu&#x0364;rzen, und der<lb/>
Vernichtung weihen.</p><lb/>
        <p>Ein milder Wahn&#x017F;inn &#x017F;chien bei die&#x017F;em An-<lb/>
blicke den Pfaffen zu ergreifen, und getreu<lb/>
&#x017F;einem Karakter redete er jezt, indem ihm das<lb/>
Be&#x017F;chreiben zu ohnma&#x0364;chtig er&#x017F;chien, in der<lb/>
Per&#x017F;on des Teufels &#x017F;elb&#x017F;t, der ihm am na&#x0364;ch-<lb/>
&#x017F;ten lag. Er dru&#x0364;ckte &#x017F;ich wie ein Mei&#x017F;ter darin<lb/>
aus a&#x0364;cht teufeli&#x017F;ch im ku&#x0364;hn&#x017F;ten Style, und<lb/>
fern von der &#x017F;chwachen Manier des modernen<lb/>
Teufels.</p><lb/>
        <p>Dem Kranken wurde es zu arg. Er wen-<lb/>
dete &#x017F;ich fin&#x017F;ter weg, und blickte die drei Fru&#x0364;h-<lb/>
lingsro&#x017F;en an, die um &#x017F;ein Bette blu&#x0364;heten.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0010] Ich war in dieſem Augenblicke ſeiner Fort- dauer gewiß; denn nur das endliche Weſen kann den Gedanken der Vernichtung nicht den- ken, waͤhrend der unſterbliche Geiſt nicht vor ihr zittert, der ſich, ein freies Weſen, ihr frei opfern kann, wie ſich die Indiſchen Wei- ber kuͤhn in die Flammen ſtuͤrzen, und der Vernichtung weihen. Ein milder Wahnſinn ſchien bei dieſem An- blicke den Pfaffen zu ergreifen, und getreu ſeinem Karakter redete er jezt, indem ihm das Beſchreiben zu ohnmaͤchtig erſchien, in der Perſon des Teufels ſelbſt, der ihm am naͤch- ſten lag. Er druͤckte ſich wie ein Meiſter darin aus aͤcht teufeliſch im kuͤhnſten Style, und fern von der ſchwachen Manier des modernen Teufels. Dem Kranken wurde es zu arg. Er wen- dete ſich finſter weg, und blickte die drei Fruͤh- lingsroſen an, die um ſein Bette bluͤheten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/10
Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/10>, abgerufen am 07.12.2024.