Kleist, Heinrich von: Die Verlobung von St. Domingo. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [45]–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.er mit dem Pistol, das er ihnen jetzt aus der Hand nahm, anfangen wollte: drückte er dasselbe schon, knirschend vor Wuth, gegen Toni ab. Der Schuß war ihr mitten durch die Brust gegangen; und da sie mit einem gebrochenen Laut des Schmerzes noch einige Schritte gegen ihn that und sodann, indem sie den Knaben an Herrn Strömli gab, vor ihm niedersank: schleuderte er das Pistol über sie, stieß sie mit dem Fuß von sich und warf sich, indem er sie eine Hure nannte, wieder auf das Bette nieder. Du ungeheurer Mensch! riefen Herr Strömli und seine beiden Söhne. Die Jünglinge warfen sich über das Mädchen und riefen, indem sie es aufhoben, einen der alten Diener herbei, der dem Zuge schon in manchen ähnlichen verzweiflungsvollen Fällen die Hülfe eines Arztes geleistet hatte; aber das Mädchen, das sich mit der Hand krampfhaft die Wunde hielt, drückte die Freunde hinweg und: sagt ihm --! stammelte sie röchelnd, auf ihn, der sie erschossen, hindeutend, und wiederholte: sagt ihm -- -- ! Was sollen wir ihm sagen? fragte Herr Strömli, da der Tod ihr die Sprache raubte. Adelbert und Gottfried standen auf und riefen dem unbegreiflich gräßlichen Mörder zu: ob er wisse, daß das Mädchen seine Retterin sei; daß sie ihn liebe und daß es ihre Absicht gewesen sei, mit ihm, dem sie Alles, Eltern und Eigenthum aufgeopfert, nach Port au Prince zu entfliehen? -- Sie donnerten ihm: Gustav! in die Ohren und fragten ihn: ob er Nichts höre? und schüttelten ihn und griffen ihm in die Haare, da er un- er mit dem Pistol, das er ihnen jetzt aus der Hand nahm, anfangen wollte: drückte er dasselbe schon, knirschend vor Wuth, gegen Toni ab. Der Schuß war ihr mitten durch die Brust gegangen; und da sie mit einem gebrochenen Laut des Schmerzes noch einige Schritte gegen ihn that und sodann, indem sie den Knaben an Herrn Strömli gab, vor ihm niedersank: schleuderte er das Pistol über sie, stieß sie mit dem Fuß von sich und warf sich, indem er sie eine Hure nannte, wieder auf das Bette nieder. Du ungeheurer Mensch! riefen Herr Strömli und seine beiden Söhne. Die Jünglinge warfen sich über das Mädchen und riefen, indem sie es aufhoben, einen der alten Diener herbei, der dem Zuge schon in manchen ähnlichen verzweiflungsvollen Fällen die Hülfe eines Arztes geleistet hatte; aber das Mädchen, das sich mit der Hand krampfhaft die Wunde hielt, drückte die Freunde hinweg und: sagt ihm —! stammelte sie röchelnd, auf ihn, der sie erschossen, hindeutend, und wiederholte: sagt ihm — — ! Was sollen wir ihm sagen? fragte Herr Strömli, da der Tod ihr die Sprache raubte. Adelbert und Gottfried standen auf und riefen dem unbegreiflich gräßlichen Mörder zu: ob er wisse, daß das Mädchen seine Retterin sei; daß sie ihn liebe und daß es ihre Absicht gewesen sei, mit ihm, dem sie Alles, Eltern und Eigenthum aufgeopfert, nach Port au Prince zu entfliehen? — Sie donnerten ihm: Gustav! in die Ohren und fragten ihn: ob er Nichts höre? und schüttelten ihn und griffen ihm in die Haare, da er un- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0060"/> er mit dem Pistol, das er ihnen jetzt aus der Hand nahm, anfangen wollte: drückte er dasselbe schon, knirschend vor Wuth, gegen Toni ab. Der Schuß war ihr mitten durch die Brust gegangen; und da sie mit einem gebrochenen Laut des Schmerzes noch einige Schritte gegen ihn that und sodann, indem sie den Knaben an Herrn Strömli gab, vor ihm niedersank: schleuderte er das Pistol über sie, stieß sie mit dem Fuß von sich und warf sich, indem er sie eine Hure nannte, wieder auf das Bette nieder. Du ungeheurer Mensch! riefen Herr Strömli und seine beiden Söhne. Die Jünglinge warfen sich über das Mädchen und riefen, indem sie es aufhoben, einen der alten Diener herbei, der dem Zuge schon in manchen ähnlichen verzweiflungsvollen Fällen die Hülfe eines Arztes geleistet hatte; aber das Mädchen, das sich mit der Hand krampfhaft die Wunde hielt, drückte die Freunde hinweg und: sagt ihm —! stammelte sie röchelnd, auf ihn, der sie erschossen, hindeutend, und wiederholte: sagt ihm — — ! Was sollen wir ihm sagen? fragte Herr Strömli, da der Tod ihr die Sprache raubte. Adelbert und Gottfried standen auf und riefen dem unbegreiflich gräßlichen Mörder zu: ob er wisse, daß das Mädchen seine Retterin sei; daß sie ihn liebe und daß es ihre Absicht gewesen sei, mit ihm, dem sie Alles, Eltern und Eigenthum aufgeopfert, nach Port au Prince zu entfliehen? — Sie donnerten ihm: Gustav! in die Ohren und fragten ihn: ob er Nichts höre? und schüttelten ihn und griffen ihm in die Haare, da er un-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0060]
er mit dem Pistol, das er ihnen jetzt aus der Hand nahm, anfangen wollte: drückte er dasselbe schon, knirschend vor Wuth, gegen Toni ab. Der Schuß war ihr mitten durch die Brust gegangen; und da sie mit einem gebrochenen Laut des Schmerzes noch einige Schritte gegen ihn that und sodann, indem sie den Knaben an Herrn Strömli gab, vor ihm niedersank: schleuderte er das Pistol über sie, stieß sie mit dem Fuß von sich und warf sich, indem er sie eine Hure nannte, wieder auf das Bette nieder. Du ungeheurer Mensch! riefen Herr Strömli und seine beiden Söhne. Die Jünglinge warfen sich über das Mädchen und riefen, indem sie es aufhoben, einen der alten Diener herbei, der dem Zuge schon in manchen ähnlichen verzweiflungsvollen Fällen die Hülfe eines Arztes geleistet hatte; aber das Mädchen, das sich mit der Hand krampfhaft die Wunde hielt, drückte die Freunde hinweg und: sagt ihm —! stammelte sie röchelnd, auf ihn, der sie erschossen, hindeutend, und wiederholte: sagt ihm — — ! Was sollen wir ihm sagen? fragte Herr Strömli, da der Tod ihr die Sprache raubte. Adelbert und Gottfried standen auf und riefen dem unbegreiflich gräßlichen Mörder zu: ob er wisse, daß das Mädchen seine Retterin sei; daß sie ihn liebe und daß es ihre Absicht gewesen sei, mit ihm, dem sie Alles, Eltern und Eigenthum aufgeopfert, nach Port au Prince zu entfliehen? — Sie donnerten ihm: Gustav! in die Ohren und fragten ihn: ob er Nichts höre? und schüttelten ihn und griffen ihm in die Haare, da er un-
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Zitationshilfe: | Kleist, Heinrich von: Die Verlobung von St. Domingo. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [45]–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_verlobung_1910/60>, abgerufen am 28.07.2024. |