Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kleist, Heinrich von: Die Verlobung von St. Domingo. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [45]–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

ginge, worauf dieser nach einer kurzen Verlegenheit, worein ihn die erbitterte Rede der Alten versetzt hatte, erwiderte, daß er mit Hrn. Strömli's, seines Oheims Familie, die er unter dem Schutze zweier jungen Vettern in der Bergwaldung am Möwenweiher zurückgelassen, vom Fort Dauphin käme. Er erzählte auf des Mädchens Bitte mehrere Züge der in dieser Stadt ausgebrochenen Empörung; wie zur Zeit der Mitternacht, da Alles geschlafen, auf ein verrätherisch gegebenes Zeichen das Gemetzel der Schwarzen gegen die Weißen losgegangen wäre; wie der Chef der Neger, ein Sergeant bei dem französischen Pioniercorps, die Bosheit gehabt, sogleich alle Schiffe im Hafen in Brand zu stecken, um den Weißen die Flucht nach Europa abzuschneiden; wie die Familie kaum Zeit gehabt, sich mit einigen Habseligkeiten vor die Thore der Stadt zu retten, und wie ihr bei dem gleichzeitigen Auflodern der Empörung in allen Küstenplätzen Nichts übrig geblieben wäre, als mit Hülfe zweier Maulesel, die sie aufgetrieben, den Weg quer durch das ganze Land nach Port au Prince einzuschlagen, das allein noch, von einem starken französischen Heere beschützt, der überhand nehmenden Macht der Neger in diesem Augenblicke Widerstand leiste. -- Toni fragte, wodurch sich denn die Weißen daselbst so verhaßt gemacht hätten. -- Der Fremde erwiderte betroffen: durch das allgemeine Verhältniß, das sie, als Herren der Insel, zu den Schwarzen hatten, und das ich, die Wahrheit zu gestehen, mich nicht unterfangen will in

ginge, worauf dieser nach einer kurzen Verlegenheit, worein ihn die erbitterte Rede der Alten versetzt hatte, erwiderte, daß er mit Hrn. Strömli's, seines Oheims Familie, die er unter dem Schutze zweier jungen Vettern in der Bergwaldung am Möwenweiher zurückgelassen, vom Fort Dauphin käme. Er erzählte auf des Mädchens Bitte mehrere Züge der in dieser Stadt ausgebrochenen Empörung; wie zur Zeit der Mitternacht, da Alles geschlafen, auf ein verrätherisch gegebenes Zeichen das Gemetzel der Schwarzen gegen die Weißen losgegangen wäre; wie der Chef der Neger, ein Sergeant bei dem französischen Pioniercorps, die Bosheit gehabt, sogleich alle Schiffe im Hafen in Brand zu stecken, um den Weißen die Flucht nach Europa abzuschneiden; wie die Familie kaum Zeit gehabt, sich mit einigen Habseligkeiten vor die Thore der Stadt zu retten, und wie ihr bei dem gleichzeitigen Auflodern der Empörung in allen Küstenplätzen Nichts übrig geblieben wäre, als mit Hülfe zweier Maulesel, die sie aufgetrieben, den Weg quer durch das ganze Land nach Port au Prince einzuschlagen, das allein noch, von einem starken französischen Heere beschützt, der überhand nehmenden Macht der Neger in diesem Augenblicke Widerstand leiste. — Toni fragte, wodurch sich denn die Weißen daselbst so verhaßt gemacht hätten. — Der Fremde erwiderte betroffen: durch das allgemeine Verhältniß, das sie, als Herren der Insel, zu den Schwarzen hatten, und das ich, die Wahrheit zu gestehen, mich nicht unterfangen will in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0024"/>
ginge, worauf dieser nach einer kurzen Verlegenheit,                worein ihn die erbitterte Rede der Alten versetzt hatte, erwiderte, daß er mit Hrn.                Strömli's, seines Oheims Familie, die er unter dem Schutze zweier jungen Vettern in                der Bergwaldung am Möwenweiher zurückgelassen, vom Fort Dauphin käme. Er erzählte auf                des Mädchens Bitte mehrere Züge der in dieser Stadt ausgebrochenen Empörung; wie zur                Zeit der Mitternacht, da Alles geschlafen, auf ein verrätherisch gegebenes Zeichen                das Gemetzel der Schwarzen gegen die Weißen losgegangen wäre; wie der Chef der Neger,                ein Sergeant bei dem französischen Pioniercorps, die Bosheit gehabt, sogleich alle                Schiffe im Hafen in Brand zu stecken, um den Weißen die Flucht nach Europa                abzuschneiden; wie die Familie kaum Zeit gehabt, sich mit einigen Habseligkeiten vor                die Thore der Stadt zu retten, und wie ihr bei dem gleichzeitigen Auflodern der                Empörung in allen Küstenplätzen Nichts übrig geblieben wäre, als mit Hülfe zweier                Maulesel, die sie aufgetrieben, den Weg quer durch das ganze Land nach Port au Prince                einzuschlagen, das allein noch, von einem starken französischen Heere beschützt, der                überhand nehmenden Macht der Neger in diesem Augenblicke Widerstand leiste. &#x2014; Toni                fragte, wodurch sich denn die Weißen daselbst so verhaßt gemacht hätten. &#x2014; Der Fremde                erwiderte betroffen: durch das allgemeine Verhältniß, das sie, als Herren der Insel,                zu den Schwarzen hatten, und das ich, die Wahrheit zu gestehen, mich nicht                unterfangen will in<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0024] ginge, worauf dieser nach einer kurzen Verlegenheit, worein ihn die erbitterte Rede der Alten versetzt hatte, erwiderte, daß er mit Hrn. Strömli's, seines Oheims Familie, die er unter dem Schutze zweier jungen Vettern in der Bergwaldung am Möwenweiher zurückgelassen, vom Fort Dauphin käme. Er erzählte auf des Mädchens Bitte mehrere Züge der in dieser Stadt ausgebrochenen Empörung; wie zur Zeit der Mitternacht, da Alles geschlafen, auf ein verrätherisch gegebenes Zeichen das Gemetzel der Schwarzen gegen die Weißen losgegangen wäre; wie der Chef der Neger, ein Sergeant bei dem französischen Pioniercorps, die Bosheit gehabt, sogleich alle Schiffe im Hafen in Brand zu stecken, um den Weißen die Flucht nach Europa abzuschneiden; wie die Familie kaum Zeit gehabt, sich mit einigen Habseligkeiten vor die Thore der Stadt zu retten, und wie ihr bei dem gleichzeitigen Auflodern der Empörung in allen Küstenplätzen Nichts übrig geblieben wäre, als mit Hülfe zweier Maulesel, die sie aufgetrieben, den Weg quer durch das ganze Land nach Port au Prince einzuschlagen, das allein noch, von einem starken französischen Heere beschützt, der überhand nehmenden Macht der Neger in diesem Augenblicke Widerstand leiste. — Toni fragte, wodurch sich denn die Weißen daselbst so verhaßt gemacht hätten. — Der Fremde erwiderte betroffen: durch das allgemeine Verhältniß, das sie, als Herren der Insel, zu den Schwarzen hatten, und das ich, die Wahrheit zu gestehen, mich nicht unterfangen will in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:20:21Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:20:21Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_verlobung_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_verlobung_1910/24
Zitationshilfe: Kleist, Heinrich von: Die Verlobung von St. Domingo. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [45]–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_verlobung_1910/24>, abgerufen am 18.12.2024.