Kleist, Heinrich von: Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe. Berlin, 1810.
Bewegung nicht, die euch ergriff, veräußern. Nehmt meines Sohnes Vorschlag an und laßt In Wetzlar die Papiere untersuchen; Versichert euch, ihr werdet werth uns bleiben, Man mag auch dort entscheiden, wie man wolle. Kunigunde (mit Affect). Nun denn, der Anspruch war mein Eigenthum! Ich brauche keinen Vetter zu befragen, Und meinem Sohn vererb' ich einst mein Herz! Die Herrn in Wetzlar mag ich nicht bemühn: Hier diese rasche Brust entscheidet so! (sie zerreißt die Papiere und läßt sie fallen). Gräfin. Mein liebes, junges, unbesonnes Kind, Was habt ihr da gethan? -- -- Kommt her, Weil's doch geschehen ist, daß ich euch küsse. (sie umarmt sie). Kunigunde. Ich will daß dem Gefühl, das mir entflammt, Im Busen ist, nichts fürder widerspreche! Ich will, die Scheidewand soll niedersinken, Die zwischen mir und meinem Retter steht! Ich will mein ganzes Leben ungestört, Durchathmen, ihn zu preisen, ihn zu lieben. Gräfin (gerührt). Gut, gut, mein Töchterchen. Es ist schon gut, Ihr seid zu sehr erschüttert.
Bewegung nicht, die euch ergriff, veräußern. Nehmt meines Sohnes Vorſchlag an und laßt In Wetzlar die Papiere unterſuchen; Verſichert euch, ihr werdet werth uns bleiben, Man mag auch dort entſcheiden, wie man wolle. Kunigunde (mit Affect). Nun denn, der Anſpruch war mein Eigenthum! Ich brauche keinen Vetter zu befragen, Und meinem Sohn vererb' ich einſt mein Herz! Die Herrn in Wetzlar mag ich nicht bemühn: Hier dieſe raſche Bruſt entſcheidet ſo! (ſie zerreißt die Papiere und läßt ſie fallen). Gräfin. Mein liebes, junges, unbeſonnes Kind, Was habt ihr da gethan? — — Kommt her, Weil's doch geſchehen iſt, daß ich euch küſſe. (ſie umarmt ſie). Kunigunde. Ich will daß dem Gefühl, das mir entflammt, Im Buſen iſt, nichts fürder widerſpreche! Ich will, die Scheidewand ſoll niederſinken, Die zwiſchen mir und meinem Retter ſteht! Ich will mein ganzes Leben ungeſtört, Durchathmen, ihn zu preiſen, ihn zu lieben. Gräfin (gerührt). Gut, gut, mein Töchterchen. Es iſt ſchon gut, Ihr ſeid zu ſehr erſchüttert. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#GRAI"> <p><pb facs="#f0097" n="91"/> Bewegung nicht, die euch ergriff, veräußern.<lb/> Nehmt meines Sohnes Vorſchlag an und laßt<lb/> In Wetzlar die Papiere unterſuchen;<lb/> Verſichert euch, ihr werdet werth uns bleiben,<lb/> Man mag auch dort entſcheiden, wie man wolle.</p> </sp><lb/> <sp who="#KUN"> <speaker> <hi rendition="#g">Kunigunde</hi> </speaker> <stage>(mit Affect).</stage><lb/> <p>Nun denn, der Anſpruch war mein Eigenthum!<lb/> Ich brauche keinen Vetter zu befragen,<lb/> Und meinem Sohn vererb' ich einſt mein Herz!<lb/> Die Herrn in Wetzlar mag ich nicht bemühn:<lb/> Hier dieſe raſche Bruſt entſcheidet ſo!</p><lb/> <stage>(ſie zerreißt die Papiere und läßt ſie fallen).</stage> </sp><lb/> <sp who="#GRAI"> <speaker><hi rendition="#g">Gräfin</hi>.</speaker><lb/> <p>Mein liebes, junges, unbeſonnes Kind,<lb/> Was habt ihr da gethan? — — Kommt her,<lb/> Weil's doch geſchehen iſt, daß ich euch küſſe.</p><lb/> <stage>(ſie umarmt ſie).</stage> </sp><lb/> <sp who="#KUN"> <speaker><hi rendition="#g">Kunigunde</hi>.</speaker><lb/> <p>Ich <hi rendition="#g">will</hi> daß dem Gefühl, das mir entflammt,<lb/> Im Buſen iſt, nichts fürder widerſpreche!<lb/> Ich <hi rendition="#g">will</hi>, die Scheidewand <hi rendition="#g">ſoll</hi> niederſinken,<lb/> Die zwiſchen mir und meinem Retter ſteht!<lb/> Ich will mein ganzes Leben ungeſtört,<lb/> Durchathmen, ihn zu preiſen, ihn zu lieben.</p> </sp><lb/> <sp who="#GRAI"> <speaker> <hi rendition="#g">Gräfin</hi> </speaker> <stage>(gerührt).</stage><lb/> <p>Gut, gut, mein Töchterchen. Es iſt ſchon gut,<lb/> Ihr ſeid zu ſehr erſchüttert.</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [91/0097]
Bewegung nicht, die euch ergriff, veräußern.
Nehmt meines Sohnes Vorſchlag an und laßt
In Wetzlar die Papiere unterſuchen;
Verſichert euch, ihr werdet werth uns bleiben,
Man mag auch dort entſcheiden, wie man wolle.
Kunigunde (mit Affect).
Nun denn, der Anſpruch war mein Eigenthum!
Ich brauche keinen Vetter zu befragen,
Und meinem Sohn vererb' ich einſt mein Herz!
Die Herrn in Wetzlar mag ich nicht bemühn:
Hier dieſe raſche Bruſt entſcheidet ſo!
(ſie zerreißt die Papiere und läßt ſie fallen).
Gräfin.
Mein liebes, junges, unbeſonnes Kind,
Was habt ihr da gethan? — — Kommt her,
Weil's doch geſchehen iſt, daß ich euch küſſe.
(ſie umarmt ſie).
Kunigunde.
Ich will daß dem Gefühl, das mir entflammt,
Im Buſen iſt, nichts fürder widerſpreche!
Ich will, die Scheidewand ſoll niederſinken,
Die zwiſchen mir und meinem Retter ſteht!
Ich will mein ganzes Leben ungeſtört,
Durchathmen, ihn zu preiſen, ihn zu lieben.
Gräfin (gerührt).
Gut, gut, mein Töchterchen. Es iſt ſchon gut,
Ihr ſeid zu ſehr erſchüttert.
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Zitationshilfe: | Kleist, Heinrich von: Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe. Berlin, 1810, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_kaethchen_1810/97>, abgerufen am 03.07.2024. |