Kleist, Heinrich von: Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe. Berlin, 1810.serkönigs, wenn sie, auf alle Teppiche niederregnend, [4]
ſerkönigs, wenn ſie, auf alle Teppiche niederregnend, [4]
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0055" n="49"/> ſerkönigs, wenn ſie, auf alle Teppiche niederregnend,<lb/> in ſein Gemach geführt wird! Käthchen, Mädchen,<lb/> Käthchen! Warum kann ich es nicht? Du Schönere,<lb/> als ich ſingen kann, ich will eine eigene Kunſt erfinden,<lb/> und dich weinen. Alle Phiolen der Empfindung, himm-<lb/> liſche und irdiſche, will ich eröffnen, und eine ſolche<lb/> Miſchung von Thränen, einen Erguß ſo eigenthüm-<lb/> licher Art, ſo heilig zugleich und üppig, zuſammen-<lb/> ſchütten, daß jeder Menſch gleich, an deſſen Hals<lb/> ich ſie weine, ſagen ſoll: ſie fließen dem Käthchen<lb/> von Heilbronn! — — — Ihr grauen, bärtigen Alten.<lb/> was wollt ihr? Warum verlaßt ihr eure goldnen<lb/> Rahmen, ihr Bilder meiner geharniſchten, Väter die<lb/> meinen Rüſtſaal bevölkern, und tretet, in unruhiger<lb/> Verſammlung, hier um mich herum, eure ehrwürdi-<lb/> gen Locken ſchüttelnd? Nein, nein, nein! Zum Weibe,<lb/> wenn ich ſie gleich liebe, begehr' ich ſie nicht; eurem<lb/> ſtolzen Reigen will ich mich anſchließen: das war be-<lb/> ſchloſſne Sache, noch ehe ihr kamt. Dich aber, Win-<lb/> fried, der ihn führt, du Erſter meines Namens, Gött-<lb/> licher mit der Scheitel des Zevs, dich frag ich, ob<lb/> die Mutter meines Geſchlechts war, wie dieſe: von<lb/> jeder frommen Jugend ſtrahlender, makelloſer an Leib<lb/> und Seele, mit jedem Liebreiz geſchmückter, als ſie?<lb/> O Winfried! Grauer Alter! Ich küſſe dir die Hand,<lb/> und danke dir, daß ich bin; doch hätteſt du <hi rendition="#g">ſie</hi> an<lb/> <fw place="bottom" type="sig">[4]</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [49/0055]
ſerkönigs, wenn ſie, auf alle Teppiche niederregnend,
in ſein Gemach geführt wird! Käthchen, Mädchen,
Käthchen! Warum kann ich es nicht? Du Schönere,
als ich ſingen kann, ich will eine eigene Kunſt erfinden,
und dich weinen. Alle Phiolen der Empfindung, himm-
liſche und irdiſche, will ich eröffnen, und eine ſolche
Miſchung von Thränen, einen Erguß ſo eigenthüm-
licher Art, ſo heilig zugleich und üppig, zuſammen-
ſchütten, daß jeder Menſch gleich, an deſſen Hals
ich ſie weine, ſagen ſoll: ſie fließen dem Käthchen
von Heilbronn! — — — Ihr grauen, bärtigen Alten.
was wollt ihr? Warum verlaßt ihr eure goldnen
Rahmen, ihr Bilder meiner geharniſchten, Väter die
meinen Rüſtſaal bevölkern, und tretet, in unruhiger
Verſammlung, hier um mich herum, eure ehrwürdi-
gen Locken ſchüttelnd? Nein, nein, nein! Zum Weibe,
wenn ich ſie gleich liebe, begehr' ich ſie nicht; eurem
ſtolzen Reigen will ich mich anſchließen: das war be-
ſchloſſne Sache, noch ehe ihr kamt. Dich aber, Win-
fried, der ihn führt, du Erſter meines Namens, Gött-
licher mit der Scheitel des Zevs, dich frag ich, ob
die Mutter meines Geſchlechts war, wie dieſe: von
jeder frommen Jugend ſtrahlender, makelloſer an Leib
und Seele, mit jedem Liebreiz geſchmückter, als ſie?
O Winfried! Grauer Alter! Ich küſſe dir die Hand,
und danke dir, daß ich bin; doch hätteſt du ſie an
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