Kleist, Ewald Christian von: Der Frühling. Berlin, 1749.Der Frühling. Die sich der Heymath entziehn, der Menschheit Gefilde durchsu-chen, Und denn heimkehren zur Zelle mit süsser Beute beladen Und liefern uns Honig der Weisheit. Ein See voll fliehender Wellen Rauscht in der Mitte der Au, draus steigt ein Eiland zur Höhe Mit Bäumen und Hecken gekrönt, das wie vom Boden entrissen Scheint gegen die Fluthen zu schwimmen. In einer holden Ver- wirrung Prangt drauf der Hanbuttenstrauch voll feuriger Sternchen, der Quitzbaum, Holunder, raucher Wacholder, und sich umarmende Palmen. Das Geißblat schmiegt sich an Zweige der wilden Rosengebüsche, Aus Wollust küssen einander die jungen Blüthen, und hauchen Mit süssen Athem sich an. Um bunte Kränze des Erdreichs Schleicht Brombeer langsahm im Klee, zieht grüne Netze dazwi- schen Mit E 2
Der Frühling. Die ſich der Heymath entziehn, der Menſchheit Gefilde durchſu-chen, Und denn heimkehren zur Zelle mit ſüſſer Beute beladen Und liefern uns Honig der Weisheit. Ein See voll fliehender Wellen Rauſcht in der Mitte der Au, draus ſteigt ein Eiland zur Höhe Mit Bäumen und Hecken gekrönt, das wie vom Boden entriſſen Scheint gegen die Fluthen zu ſchwimmen. In einer holden Ver- wirrung Prangt drauf der Hanbuttenſtrauch voll feuriger Sternchen, der Quitzbaum, Holunder, raucher Wacholder, und ſich umarmende Palmen. Das Geißblat ſchmiegt ſich an Zweige der wilden Roſengebüſche, Aus Wolluſt küſſen einander die jungen Blüthen, und hauchen Mit ſüſſen Athem ſich an. Um bunte Kränze des Erdreichs Schleicht Brombeer langſahm im Klee, zieht grüne Netze dazwi- ſchen Mit E 2
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Der Frühling.
Die ſich der Heymath entziehn, der Menſchheit Gefilde durchſu-
chen,
Und denn heimkehren zur Zelle mit ſüſſer Beute beladen
Und liefern uns Honig der Weisheit. Ein See voll fliehender
Wellen
Rauſcht in der Mitte der Au, draus ſteigt ein Eiland zur Höhe
Mit Bäumen und Hecken gekrönt, das wie vom Boden entriſſen
Scheint gegen die Fluthen zu ſchwimmen. In einer holden Ver-
wirrung
Prangt drauf der Hanbuttenſtrauch voll feuriger Sternchen, der
Quitzbaum,
Holunder, raucher Wacholder, und ſich umarmende Palmen.
Das Geißblat ſchmiegt ſich an Zweige der wilden Roſengebüſche,
Aus Wolluſt küſſen einander die jungen Blüthen, und hauchen
Mit ſüſſen Athem ſich an. Um bunte Kränze des Erdreichs
Schleicht Brombeer langſahm im Klee, zieht grüne Netze dazwi-
ſchen
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Zitationshilfe: | Kleist, Ewald Christian von: Der Frühling. Berlin, 1749, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_fruehling_1749/37>, abgerufen am 16.07.2024. |